Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wirtschaft gegen zusätzlich­en Feiertag

Rotrotgrün­e Pläne als „teuer und unnötig“kritisiert

- VON ELMAR OTTO

Die Thüringer Wirtschaft lehnt den von den rot-rotgrünen Koalitions­fraktionen geplanten zusätzlich­en Feiertag in Thüringen ab. Ein solches Vorhaben, das „die sozialen Beziehunge­n zwischen Kindern und Eltern in den Mittelpunk­t stellt ist nicht nur teuer, sondern auch unnötig. Alle Sonn- und Feiertage haben den Zweck, sich Familie und Kindern zu widmen, weshalb jetzt noch ein 63. Tag nötig ist, erschließt sich nicht“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Verbands der Wirtschaft, Stephan Fauth, im Gespräch mit dieser Zeitung. Berechnung­en zufolge werde sich die Wertschöpf­ung in Thüringen durch einen zusätzlich­en Feiertag um etwa 72 Millionen Euro jährlich verringern.

Bei der Industrie- und Handelskam­mer Erfurt ist zwar die Meinungsbi­ldung noch nicht abgeschlos­sen. Dort müssten sich die zuständige­n Gremien noch abstimmen. Nach Informatio­nen dieser Zeitung sehen aber auch die Kammern den Vorstoß kritisch. Ein zusätzlich­er Feiertag führe zur Verringeru­ng der Wirtschaft­sleitung.

Im Wirtschaft­sministeri­um spricht man dagegen von einen „Akt der Gleichstel­lung gegenüber anderen Bundesländ­ern“, von denen viele mehr Feiertage als Thüringen aufwiesen. Der Freistaat liegt mit neun beziehungs­weise zehn Feiertagen (Fronleichn­am im Eichsfeld) etwa im Mittelfeld. Die Landtagsfr­aktionen von Linken, SPD und Grünen planen, ab nächstem Jahr den 20. September als Weltkinder­tag zu einem gesetzlich­en Feiertag zu machen. Die Auswirkung­en auf die Wirtschaft seien vertretbar, wird im Entwurf eines entspreche­nden Gesetzes argumentie­rt.

Vor einem Monat etwa luden die Koalitions­fraktionen Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­r zu einem informelle­n Gespräch in den Thüringer Landtag. Grund der Zusammenku­nft: Die Bündnispar­tner wollten erkunden, wie ihre Pläne für einen zusätzlich­en Feiertag im Freistaat ankommen. Über das Treffen wurde zunächst nichts weiter publik. Doch nachdem diese Zeitung in der vergangene­n Woche über den rot-rotgrünen Entwurf zur Änderung des Gedenkstät­ten- und Feiertagsg­esetzes berichtet hatte, in dem konkret der 20. September – der Weltkinder­tag – genannt wird, kommt langsam Bewegung in die Angelegenh­eit.

„Ein zusätzlich­er Feiertag ist nicht notwendig“, teilte die Handwerksk­ammer Erfurt dieser Zeitung mit. Arbeitnehm­er in Deutschlan­d hätten abzüglich ihres Jahresurla­ubs und der bundesweit­en sowie landeseige­nen Feiertage eine der geringsten Jahresarbe­itszeiten in Europa. „Es besteht aus unserer Sicht deshalb kein erhöhter Bedarf in Thüringen, die Anzahl der Feiertage auszuweite­n“, heißt es.

Es sei zudem davon auszugehen, dass sich für die Unternehme­n Einbußen bei Ertrag und Wirtschaft­lichkeit ergeben, die im Laufe des Jahres nicht ohne Weiteres aufgeholt werden könnten. „Hinsichtli­ch der angespannt­en Fachkräfte­lage in vielen Gewerken gehen wir davon aus, dass das angestrebt­e Ziel einer Entlastung der Arbeitnehm­er durch einen zusätzlich­en Feiertag leider nicht gegeben ist. Es ist zu befürchten, dass sich die Arbeitsbel­astung in Form von Überstunde­n auf die anderen Tage verteilt“, warnt die Handwerksk­ammer.

Industrie- und Handelskam­mer und Verband der Wirtschaft Thüringen (VWT) sehen den Vorstoß der Koalitionä­re gleichfall­s kritisch. Wissenscha­ftlern zufolge könne die Wirtschaft­sleistung in Folge eines zusätzlich­en Feiertags um 0,12 Prozent sinken. Das entspreche 72 Millionen Euro in Thüringen, sagt VWT-Chef Stephan Fauth. Auch im von Heike Taubert (SPD) geführten Finanzmini­sterium wird mit weiteren – wenn auch geringeren – Belastunge­n gerechnet. „Überschlag­smäßig wird in Konjunktur­prognosen für einen Feiertag mit dem Wegbrechen der Wirtschaft­sleistung um 0,1 Prozent gerechnet. Für Thüringen wäre dies ein Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s um zirka 62 Millionen Euro“, teilte ein Sprecher mit.

Betrachte man die Entwicklun­g der Steuereinn­ahmen der vergangene­n Jahre im Vergleich zur Entwicklun­g der Wirtschaft­sleistung, käme es rein rechnerisc­h zu Steuermind­ereinnahme­n von rund 7,5 Millionen Euro pro Jahr im Landeshaus­halt. Nehme Thüringen als einziges Land diese Änderung vor, verblieben aufgrund der nivelliere­nden Wirkung des bundesstaa­tlichen Finanzausg­leichs davon letztlich nur 220 000 Euro Mindereinn­ahmen im Land. Andersheru­m müsse Thüringen auch mit rückläufig­en Steuereinn­ahmen rechnen, wenn andere Länder einzeln neue Feiertage einführten.

Es gibt aber auch Volkswirte, die der Ansicht sind, dass ein Herunterbr­echen der Zahlen auf einzelne Bundesländ­er nur begrenzt sinnvoll ist – da ein regionaler Feiertag in angrenzend­en Bundesländ­ern ohne Feiertag zu Wohlstands­gewinnen führen könne, beispielsw­eise durch den sogenannte­n Einkaufsto­urismus, begründen sie. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) steht indes klar an der Seite der Beschäftig­ten. „Wir sind für einen zusätzlich­en Feiertag“, sagt Sandro Witt, DGB-Vize für Hessen und Thüringen, dieser Zeitung und verweist auf einen entspreche­nden Beschluss des Bezirksvor­stands. Ihm geht es neben der Wertschätz­ung der Arbeitnehm­er und einem Signal für die Vereinbark­eit von Familie und Beruf um die Angleichun­g der Zahl der Feiertage an andere Bundesländ­er (siehe Tabelle).

Im Wirtschaft­sministeri­um spricht man diesbezügl­ich ebenfalls von einem „Akt der Gleichstel­lung“.

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