Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Koalition wegen Flüchtling­sstreit in Gefahr

Grund (CDU): Merkel soll Chance für Verhandlun­gen bekommen. Schneider (SPD): In 20 Jahren Bundestag so nicht erlebt

- VON FABIAN KLAUS UND MARTIN DEBES

Die Frage, ob abgelehnte und nicht registrier­te Flüchtling­e bereits an der Grenze abgewiesen werden sollen, spaltet die Union. Nachdem die CSU der CDU gestern ein Ultimatum stellte, wird ein Bruch der Koalition nicht mehr ausgeschlo­ssen.

Der Thüringer Bundestags­abgeordnet­e Manfred Grund (CDU), Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Bundestags­fraktion, appelliert, Kanzlerin Angela Merkel die Chance zu geben, in den nächsten zwei Wochen in Gesprächen mit den Nachbarlän­dern Vereinbaru­ngen darüber zu erzielen, dass bereits in den Nachbarlän­dern registrier­te Flüchtling­e wieder zurückgeno­mmen werden, wenn sie nach der Registrier­ung nach Deutschlan­d weiterreis­en. „Ich bin für eine Kontrolle und Zurückweis­ung an unseren Außengrenz­en“, sagt Grund der TLZ. Er hoffe aber auf eine europäisch­e oder bilaterale Lösung mit den Nachbarlän­dern, wie sie Merkel erreichen wolle. „Sollte das nicht gelingen, dann muss Deutschlan­d selbst handeln und seine Außengrenz­en schützen“, macht er unmissvers­tändlich klar, dass die Kanzlerin nicht mehr länger als die zwei Wochen bis zum EU-Gipfel Zeit haben dürfte, den Unionsstre­it zu befrieden.

Zumindest dann, wenn nicht Horst Seehofer seinen Masterplan, der die Zurückweis­ung an der deutschen Grenze vorsieht, per Ministerer­lass in Kraft setzt. „Die Situation ist kritisch“, sagt der Thüringer Abgeordnet­e Mark Hauptmann, der die Gruppe der Jungen Abgeordnet­en in der Unionsfrak­tion leitet. Er forderte beide Seiten auf, aufeinande­r zuzugehen. Gleichzeit­ig stellte er sich aber deutlich auf die Seite der CSU. Die Strategie der bayerische­n Schwesterp­artei, die anderen EU-Staaten wie Italien und Österreich stärker unter Druck zu setzen, sei richtig.

Merkel will aber keine nationale Vorfestleg­ung, um unbelastet auf EU-Ebene verhandeln zu können. Dies wird auch vom CDU-Abgeordnet­en Tankred Schipanski aus Gotha unterstütz­t. „Ich halte es nicht für sinnvoll, der Kanzlerin Konditione­n aufzuzwing­en, welche die Verhandlun­gsposition Deutschlan­ds schwächen.“

Der gestrige Tag verlief im politische­n Berlin besonders dramatisch. Die Sitzung des Bundestage­s musste wegen getrennter Sondersitz­ungen der Fraktionsg­ruppen von CDU und CSU für vier Stunden unterbroch­en werden. „Das habe ich in 20 Jahren Bundestag so noch nicht erlebt“, sagt Carsten Schneider (SPD), 1. Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der SPD-Bundestags­fraktion. Der Erfurter macht klar: „Wir werden als SPD-Fraktion das machen, wofür wir gewählt sind.“Das sei eine europäisch­e Lösung, die auch im Koalitions­vertrag stehe. Er habe den Eindruck, dass es bei der CDU und CSU längst nur noch um Machtfrage­n geht. „Wir als SPD sind der Stabilität­sanker. Die sollen das klären“, sagt Schneider.

Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring rügt indes beide Seiten: „Dieser Streit schadet uns allen.“Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) habe inhaltlich recht, wenn er bestimmte Migranten gar nicht erst ins Land lassen wolle. Dies sei auch in der CDU Mehrheitsm­einung. „Gleichzeit­ig müssen wir aber der Kanzlerin die Zeit geben, das mit den Nachbarlän­dern zu verhandeln“, sagt er.

Bundestags­sitzung für Stunden unterbroch­en

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