Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Bloß keinen Streit vom Zaun brechen
Mediation ist schneller und günstiger als ein Prozess vor Gericht. Es kennt weder Sieger noch Verlierer, ist in Deutschland aber kaum bekannt
Nachbarn, die sich über Grillrauch streiten; Chef und Angestellter, die nicht mehr miteinander klarkommen, Mitglieder einer Erbengemeinschaft, die sich nur noch angiften: Neben dem Schlichtungsverfahren bietet die Mediation eine Möglichkeit, Konflikte außerhalb von Gerichtssälen beizulegen. Meist geht das schneller und kostet weniger Geld. Trotzdem wird das Verfahren in Deutschland selten angewendet. Dafür gebe es zwei Gründe, sagt Susann Barge-Marxen, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltverein: „Die Mediation ist zu wenig bekannt. Und sie ist ein Prozess, bei dem ich aktiv werden muss, was anstrengend sein kann. Manche Menschen lassen lieber Dritte für sich entscheiden.“
In welchen Konflikten kann die Mediation zum Einsatz kommen?
Es gibt viele Bereiche, in denen auch eine Mediation zur Lösung führen kann: Nachbarschaftsstreitigkeiten, Konflikte am Arbeitsplatz, Konflikte zwischen Bauherr und -unternehmer, zwischen Gesellschaftern, Erben, Familienmitgliedern, aber auch zwischen mehreren Interessengruppen bei öffentlichen Bauvorhaben.
Wie gehe ich vor, wenn ich einen Konflikt per Mediation lösen will?
„Idealerweise sollten sich die Konfliktparteien im Vorfeld des Verfahrens auf eine Mediation und auch auf einen Mediator einigen“,
empfiehlt Barge-Marxen. Mediatoren finden sich auf den Internetseiten des Instituts für Conflict Management (Eucon), des Bundesverbandes Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt, der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation, des Bundesverbandes Mediation oder des Deutschen Anwaltvereins. Bei Mediatoren handelt es sich um Menschen mit einer entsprechenden Zusatzausbildung. Diese können, müssen aber keine Anwälte sein. „Wichtig ist, sich über die Fachkenntnisse des Mediators im Konfliktfeld und dessen Erfahrung zu informieren“, rät BargeMarxen. Das Verfahren ist immer freiwillig, es kann nicht angeordnet werden.
Wie läuft das Verfahren dann ab?
„Das Ablaufschema ist flexibel, es ist nicht gesetzlich geregelt, läuft aber meist in fünf Stufen ab“, sagt Barge-Marxen. Zunächst geht es um die Vertragsund Auftragsklärung – was also Ziel des Verfahrens ist. Danach werden Themen gesammelt, die erörtert werden sollen. Dann folgt das Herzstück, die Interessenfindung. „Hier geht es darum, dass die Beteiligten für sich klären müssen, worum es ihnen eigentlich geht. Da müssen sie schon mal tiefer in sich hineinschauen“, sagt die Anwältin. In einem vierten Schritt werden Lösungsmöglichkeiten entwickelt, bevor es darum geht, die
Lösung auszuwählen und zu vereinbaren. Barge-Marxen: „Für die Abschlussvereinbarung besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit, es sei denn, der Gesetzgeber gibt bestimmte Formvorschriften vor. Ich finde es trotzdem sinnvoll, die Auswahl der Lösung zu verschriftlichen.“Mitunter ergebe es auch Sinn, eine Auswertung zu vereinbaren, etwa einen Zeitpunkt, an dem beide Seiten prüfen, ob die Lösung erfolgreich umgesetzt worden ist.
Die Aufgabe des Mediators im Verfahren ist es, den Verständigungsprozess zu fördern. Er ist dabei neutral und nimmt die Sichtweise der Konfliktparteien gleichwertig und gleichmäßig wahr. Mediator, aber auch Konfliktparteien sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Was kostet eine Mediation und wie hoch sind die Erfolgsaussichten?
Die Dauer des Verfahrens hängt von der Komplexität des Problems ab. Eine Kurzzeitmediation kann in nur wenigen Stunden zum Erfolg führen, eine Langzeitmediation braucht mitunter mehrere Sitzungen von anderthalb bis zwei Stunden. Im Mittel können Konfliktparteien mit drei bis sechs Terminen rechnen. „Eine Gebührenordnung gibt es nicht, jeder Mediator legt seinen Stundensatz selbst fest“, sagt Barge-Marxen. Oft liege dieser bei 250 Euro plus Mehrwertsteuer. Meist wird die Gesamtrechnung geteilt, aber auch eine andere Kostenverteilung kann vereinbart werden. Laut einem Kommentar des ehemaligen Richters des Bundesgerichtshofes, Reinhard Greger, werde zwar meist eine Abschlussvereinbarung erzielt, die Wahrscheinlichkeit eines wirklichen Konfliktendes liege aber bei 50 Prozent.
Was sind Vor und Nachteile der Mediation?
Anders als bei einem Gerichtsprozess oder einer Schlichtung gibt es weder ein Urteil noch einen Schlichterspruch. Die Lösung muss ausschließlich im Konsens erarbeitet werden. „Es gibt entsprechend keine Gewinner oder Verlierer“, sagt BargeMarxen. Gleichzeitig könne der Prozess Menschen überfordern, vor allem, wenn es um seit Jahren schwelende Familienstreitigkeiten geht. Sich in schwierige Themen hineinzubegeben, sei „eine große Aufgabe“, so BargeMarxen. Darüber hinaus könne es weitere Gründe geben, Anwälte einzuschalten und einen Prozess anzustreben. Das treffe zum Beispiel auf schwere Baumängel und die entsprechende Beweissicherung zu.
Was passiert, wenn die Mediation scheitert?
Wenn sich die Konfliktparteien am Ende doch nicht einigen können, hält der jeweilige Mediator dies als Ergebnis fest. „Dann geht es zurück zur Grundlinie“, sagt Barge-Marxen. Und unter Umständen treffen sich die Parteien dann doch noch vor Gericht.