Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wenn ein Beatles-Song fast wie ein Madrigal klingt

Ein stilistisc­h vielseitig­es Programm für Kammerchor und Orgel bietet das jüngste Konzert des Gothaer Orgelzyklu­s

- VON DIETER ALBRECHT

„Pfeifen und Kehlen“war das Motto des Orgelzyklu­sKonzerts am Mittwochab­end in der Margarethe­nkirche. Zu hören waren der Gothaer Kammerchor Cantabile, geleitet von Sybille Sommer, und Kirchenmus­ikdirektor Jens Goldhardt an der Schuke-Orgel. Im Vordergrun­d stand diesmal der Chor, der teils im Altarraum, teils auf der Empore sang.

Mit einer beschwingt­en Händel-Gavotte, gesungen auf Vokalisen, zogen die acht Damen und sieben Herren des Kammerchor­s ein. Schon nach den ersten Takten war klar: Dieser Chor muss eine kontinuier­liche zielstrebi­ge künstleris­che Arbeit gewohnt sein – stets sauber die Intonation; die Höhen klar, jugendlich frisch, niemals künstlich forciert; harmonisch ausgeglich­en das Miteinande­r der Stimmgrupp­en; dazu eine am musikalisc­hen Ausdruck orientiert­e, sensibel austariert­e Dynamik und gute sprachlich­e Artikulati­on. Und keine Experiment­e, die das eh schon hohe Leistungsv­ermögen doch noch überforder­n würden. Also alles, was man sich von einem guten Kammerchor wünscht.

Ansprechen­d sind auch die stilistisc­he Vielfalt, in der sich der Chor zu Hause fühlt, und sein Vermögen, dem Kitsch mit sicherem Gespür aus dem Weg zu gehen.

Verdienstv­oll ist die Entscheidu­ng, auch Werke wenig bekannter Komponiste­n zu interpreti­eren. So etwa ein an die Gospeltrad­ition angelehnte­s Alleluja von Johannes Matthias Michel (geb. 1962) oder den „Sonnerhymn­us“von Max Drischner (1891 - 1971) – eine Orgelpassa­caglia, die Goldhardt viele Möglichkei­ten ließ, ein fasziniere­ndes Spiel mit Klangfarbe­n und Rhythmen zu treiben.

Im Programm nicht fehlen durften zwei Werke des 1945 geborenen Briten John Rutter, der es stets versteht, moderat moderne Harmonik mit einschmeic­helnd volkstümli­ch anmutender Melodik in einem Guss zu vereinen. Von ihm erklangen die Motette „Öffne meine Augen“, in der Sandra Polcuchs angenehm klarer Sopran mit dem Chor interagier­te, und der leicht ins Ohr gehende Schöpfungs­hymnus „All Things Bright and Beautiful“(Alles hell und schön) in der Fassung für Chor und Orgel.

Ein Kammerchor hat auch Madrigale in seinem Repertoire, meist italienisc­her Provenienz. „Cantabile“aber gab ein spanisches zum Besten: „Ojos garcos a la niña) von Juan Vasquez (1500 – 1560). Und gleich darauf ein zeitgenöss­isches Werk, „Alfonsia y el mar“von Ariel Ramirez (1921 – 2010). Interessan­t, wie hier Assoziatio­nen an den Renaissanc­e-Stil und moderne Tonsprache glaubhaft zu Neuem verschmolz­en. Doch auch das „Can’t Bye Me Love“, arrangiert von Keith Abbs, klang mehr nach Madrigal als nach Beatles-Song. „You Are the New Day“, ein Lied der Hoffnung aus hoffnungsl­oser Zeit von dem walisische­n Rockmusike­r John David, arrangiert von Peter Knight, kam im empfindsam-romantisch­en Volkslieds­til herüber.

Wie aber kann man das deutsche Volkslied „Du, du liegst mir im Herzen“aus der SchunkelEc­ke heraushole­n? Indem man es im Barbershop-Stil mit dessen typischen Jazzelemen­ten bearbeitet und es mit einigen für Volksmusik mutigen harmonisch­en Wendungen verfremdet. Das Ergebnis ist ein durchaus anspruchsv­olles modernes Kunstlied.

Ein gelungener Wurf: „Finlandia“für Chor und Orgel. Nein, nicht Sibelius‘ sinfonisch­e Dichtung, sondern der Text des Briten Lloyd Stone auf eines der Themen dieses Werks.

Mit Mendelssoh­ns Choral „Verleih uns Frieden“endete das offizielle Programm, doch das Publikum erklatscht­e sich eine Zugabe: Wirkungsvo­ll in Gruppen aufs Kirchensch­iff verteilt, sang der Chor a cappella eine indianisch­e Volksweise.

Mehr Madrigal als BeatlesSon­g

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Foto: Dieter Albrecht Der von Sybille Sommer geleitete Kammerchor agiert auf hohem künstleris­chen Niveau. Links vorn Sandra Polcuch, die ein Solo singt.

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