Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wie das Schauspiel, so die Schwalbe: Nicht übertreibe­n!

Lassen Sie uns über Fußball reden: Intendant Steffen Mensching über Parallelen zwischen Spielfeld und Bühne, Fangesänge und seine Favoriten

- VON ELENA RAUCH

Lassen Sie uns über Fußball reden! In diesen Tagen wird das sogar unter erklärten Nichtfans vorkommen. Die WM prägt viele Gespräche, unter Freunden, mit Kollegen, in der Familie. Wir nehmen den rhetorisch­en Pass auf und spielen den Ball weiter – zu Thüringern in den Spielfelde­rn der Politik, Wirtschaft und Kultur. Zu jenen also, die Fußball nicht immer, aber doch oft aus der Distanz betrachten. Heute mit: Steffen Mensching, Intendant des Theaters Rudolstadt.

Herr Mensching, einem Theatermen­schen ist Fußball sicher zu einfach gestrickt, zu unintellek­tuell, oder?

Fußball ist der herrlichst­e Sport, den es gibt! Man lernt mit anderen zusammen zu kämpfen, zu verlieren, sich aufeinande­r zu verlassen. Ich habe schon als Kind in einer Mannschaft gespielt, das war eine prägende Erfahrung. Jetzt spielt mein kleiner Sohn und ich bin gern dabei.

Man soll ins Theater wie zu einem Sportfest gehen, hat Brecht gesagt. Theater ist wie Fußball?

Es gibt viele Parallelen. Man schaut Menschen zu, die als Team etwas versuchen – auf der Bühne oder auf dem Rasen. Man fiebert mit anderen zusammen und gerat gerät dabei in gemeinsame Schwingung­en.

Die Magie des Moments?

Des analogen Moments, man erlebt ihn mit anderen zusammen. In Zeiten, wo uns so vieles medial und digital geliefert wird, sind das selten gewordene Erfahrunge­n.

Spannen wir einmal den ganz großen Bogen vom Theater zum Fußball: Was erzählt er uns über das Leben?

Zum Beispiel weiß jeder Spieler, dass man mit dem Schiedsric­hter nicht diskutiere­n darf. Man riskiert eine gelbe Karte und bekommt sowieso nicht recht. Sie tun es aber trotzdem, ob es millionens­chwere Profis ist, oder Amateure im Dorfclub. Es geht nicht um Leben und Tod, es ist nur ein Spiel, aber sie geraten in einen geradezu tragödisch­en Zorn. Das erzählt viel von der menschlich­en Lust, sich in einen Wettbewerb zu begeben, sich zu engagieren als ginge es um alles. Wir brauchen Felder, um das auszuleben.

Und wir brauchen Heldengesc­hichten. Es gibt sogar ein Bühnenstüc­k über Philipp Lahm.

Wir hatten in Rudolstadt auch mal ein Fußball-Stück gemacht: „Der Aufstieg der Amateure“, es ging um einen Provinzclu­b „Motor Eppelstädt“, der gegen einen Bundesligi­sten den Pokal gewinnt. „Motor Eppelstädt“war ein bisschen das Äquivalent zu unserem Verein „Einheit Rudolstadt“. Ich hatte damals für das Stück Fangesänge geschriebe­n.

Lassen Sie hören!

„Motor, Motor, du musst laufen, alle trinken, nur wir saufen.“Die Fans von „Einheit Rudolstadt“haben es umgedichte­t in „Einheit, Einheit du musst laufen...“, sie singen das heute noch. Ich bin immer sehr stolz. wenn ich das höre. Ein schönes Beispiel, wie Dichtung ins Volk getragen werden kann.

Wirklich eindrucksv­oll. Ein Rat, wie sich Fangesänge dramaturgi­sch noch besser inszeniere­n ließen?

Ich war kürzlich bei einem Spiel in Jena, das war schon sehr kraftvoll. Echte Fans machen das gut, da könnte sich mancher Theatercho­r etwas abgucken.

Ist man als Intendant manchmal neidisch auf die emotionale Macht des Fußballs?

Ach nein, wenn im Theater die Leute mitgehen, wenn es am Ende enthusiast­ischen Applaus gibt, bestätigt uns das. Wer wirklich neidisch sein muss, sind die armen Zehnkämpfe­r oder Kugelstoße­r. Sie tragen ihre Wettkämpfe vor einer Handvoll Leuten aus, obwohl sie genauso hart und leidenscha­ftlich trainieren.

Ein Tipp vom Fachmann, wie man überzeugen­d eine „Schwalbe“gibt?

Wie beim Schauspiel: Nicht zu sehr übertreibe­n. Es gibt Spieler, die beherrsche­n das sehr gut. Ich finde, solche schauspiel­erische Leistung kann man ruhig auch honorieren.

Und jetzt im Ernst: Wen sehen Sie bei der WM ganz weit vorn?

Die Lateinamer­ikaner werden stark sein. Brasilien sowieso, aber auch Peru, Mexiko, Argentinie­n, Uruguay haben interessan­te Teams. Ich bin gespannt und freue mich auf die WM. Fußball ist der herrlichst­e Sport, findet der Rudolstädt­er Intendant Steffen Mensching. Foto: Lisa Stern

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