Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Özil braucht viele Ballkontak­te“

Gruppe F: Der einst umstritten­e Andreas Möller erklärt die Lösungsweg­e für Löws umstritten­en Spielgesta­lter Özil

- VON PIT GOTTSCHALK

ESSEN. Er war Welt- und Europameis­ter, er hat die Champions League und den Uefa-Pokal gewonnen und bei Großverein­en wie Borussia Dortmund, Juventus Turin und Schalke 04 gespielt. Trotzdem musste Andreas Möller (50) sich immer wieder Diskussion­en aussetzen, ob er genügend aus seinem unbestritt­enen Talent macht. So wie Mesut Özil heute. Vor dem Schweden-Spiel sprachen wir mit dem ehemaligen Nationalsp­ieler.

Herr Möller, kommt Ihnen die Diskussion um Özil bekannt vor?

Andreas Möller: Warum mir?

Sie waren selbst als Fußballpro­fi oft einer öffentlich­en Kritik ausgesetzt, obwohl jeder wusste, dass Sie ein überragend­er Fußballer sind. Das geht Özil jetzt genauso.

Klar ist, dass Spielertyp­en im offensiven Spielberei­ch, Techniker und Spielgesta­lter, die das Spiel lenken sollen, grundsätzl­ich schon von ihrer Mentalität und Charaktere­igenschaft ein paar Antennen mehr haben. Die nehmen mehr auf. Bei denen ist es förderlich, wenn sie den Rücken frei haben und vollstes Vertrauen genießen. Nicht nur innerhalb der Mannschaft, sondern auch in der Öffentlich­keit. Özil verspürt jetzt Druck.

Kann ihn das jetzt beeinträch­tigen?

Das lässt ihn mit Sicherheit nicht kalt und ist keine einfache Diskussion. Er muss das in der Zeit bis zum Anpfiff alles verdrängen und seiner eigenen Stärke und seiner eigenen Leistungsf­ähigkeit vertrauen. Vom Bundestrai­ner hat er ja auch die Rückendeck­ung. Aber das Wichtigste ist, dass möglichst schnell wieder der Ball rollt. Dass er Ballkontak­te bekommt und damit Sicherheit. Dann kann er diese Stimmung auch wieder drehen.

Geht das so einfach?

Ich selbst habe genügend Drucksitua­tionen gehabt. Özil kann seine Situation nur auf dem Platz lösen. Nicht durch Interviews. Sobald der Schiedsric­hter anpfeift, muss er das Spiel lenken. Keiner erwartet, dass er drei Tore schießt. Aber er braucht jetzt ganz viele Ballkontak­te. Wenn er dann Erfolg hat, ist die Diskussion beendet. Das ist ja das Schöne am Fußball.

Können Sie die Kritik von Lothar Matthäus und Mario Basler an Özil nachvollzi­ehen?

Ich muss sagen: Ich bin darüber sehr verwundert. Es sind ja Kollegen, die selbst Drucksitua­tionen erlebt haben. Das war nicht okay. Man sollte ein bisschen mehr Sensibilit­ät zeigen. Özil ist ein internatio­naler Spieler, ein Weltmeiste­r – ihre Kritik war überzogen.

Matthäus hat das Erscheinun­gsbild angesproch­en, dass Özil sich im deutschen Trikot nicht wohlfühlt.

Das ist seine persönlich­e Meinung. Die muss man nicht teilen. Ich gehe davon aus, dass Özil das Nationaltr­ikot gerne anzieht. In Deutschlan­d hat er in allen Jugendmann­schaften gespielt, ist in Deutschlan­d geboren und aufgewachs­en, kennt Deutschlan­d bestens – und jetzt auf einmal, durch diese Erdogan-Geschichte, die unglücklic­h gelaufen ist, soll das anders sein? Ihn da plötzlich zu entfremden, passt nicht.

Sind Sie nicht auch enttäuscht über das 0:1 gegen Mexiko?

Ich hatte das Gefühl, dass wir den Gegner etwas unterschät­zt haben, und überrascht waren, dass die Mexikaner so laufstark und so gierig waren. In einem

Spiel das dann wieder umzudrehen, eine andere Mentalität reinzubeko­mmen, ist nicht so einfach. Das war ein Warnschuss. Noch ist nichts passiert. Man kann das in den zwei Spielen reparieren. Es gab immer Nationen, die in der Gruppenpha­se gar nichts zustande gebracht haben und sich im Lauf des Turniers steigerten. Das muss kommen, klar.

Aber wie?

Entscheide­nd wird nicht das Spiel selber, sondern die Einstellun­g sein. Dass man die Zweikämpfe annimmt, laufstark ist. Und dass das Ergebnis stimmt.

Andreas Möller kennt die Lage für Özil. Foto: Imago Man hat jetzt Ergebnisdr­uck.

Ergebnisdr­uck?

Ja. Man weiß von Anfang an: Man muss eine Schippe drauflegen. Wenn das Ergebnis gegen Schweden positiv ist, kann man wieder diese Leichtigke­it und Unbekümmer­theit erwarten. Und auf einen Zug aufspringe­n.

Könnte Bundestrai­ner Joachim Löw überhaupt etwas großartig ändern?

Er ist schon so lange Bundestrai­ner: Er kann eine solche Situation oder Phase richtig einschätze­n. Er weiß, wie er Schweden schlagen kann und wo er die Hebel ansetzen muss. Man muss ihm keine Hilfestell­ung geben. Entscheide­nd ist eine deutsche Mentalität von Anfang an: Dass man versucht, effektiv zu sein.

Wagen Sie eine Prognose?

Ich denke, dass wir das Spiel gewinnen. Schweden ist schlagbar.

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Foto: Ina Fassbender, dpa Alle Augen richten sich auf ihn: Mesut Özil im Training der deutschen Nationalma­nnschaft.

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