Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Sonne ohne Wonne
Die Hitze hat eindeutig mehr Nachteile
Spätestens seit mich gestern an der Supermarktkasse ein junger Mann bedient hat, der auf seinem Arm den riesigen Schriftzug „F... the system“trug, weiß ich: Sommerhitze hat, zumindest wenn sie mit solcher Ausdauer daherkommt, entschieden mehr
Nach als Vorteile.
Bringt sie doch unter anderem optische Zumutungen wie freigelegte zweifelhafte Tattoos, stachelige Waden und – bedauerlicherweise sehr beliebt – Kurzarmhemden hervor.
Gemessen an den echten Problemen, die uns ein regenarmer EndlosSommer beschert, ist das natürlich Pillepalle. Denn was ist schon die eine oder andere Beleidigung fürs Auge gegen die kolossale Trockenheit in Wäldern und Parks, gegen das Leiden der Straßenbäume und der Tiere in Wald und Flur? Gegen die Tatsache, dass in Pflegeheimen, Kranken häusern und Kindergärten jetzt verschärft darauf geachtet werden muss, dass alle den ganzen Tag genügend Wasser trinken? Gegen die unbarmherzige Sonne, der zum Beispiel Bauarbeiter und Handwerker auf Sommerbaustellen ausgesetzt sind? Von der Qual, die mancher Bewohner mangelhaft gedämmter Dachgeschosswohnungen erleidet, ganz zu schweigen. Wir Journalisten sind mit Wellen ja immer recht schnell bei der Hand: Kältewellen lösen Grippewellen aus, Hitzewellen diese wiederum irgendwann ab. Angesichts einer so inflationären Verwendung dieses Begriffes ist es schon schwierig, eine Definition für das zu finden, was wir in diesen Tagen aushalten müssen. Aber wie immer wir auch es nennen: Irgendwann ist damit Schluss. Und dann: I am singing in the rain.