Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Der Kampf um Dürrebeihilfen beginnt gerade erst
Thüringer Bauernverband fordert schnelle Zahlungen an betroffene Landwirte. Agrarministerium will das Ende der Ernte für genaue Prüfungen abwarten
Die Sonne brennt unbarmherzig, als sich Thüringens Bauernverbandspräsident Klaus Wagner über die Dürreschäden im Kyffhäuserkreis informiert. Die Region nordöstlich von Sömmerda hat er bewusst gewählt, denn dort ist in den vergangenen Monaten kaum noch Niederschlag gefallen. Die Ackerkrume auf den Feldern zeigt sich Mittag knochentrocken. Sonnenblumen, Mais, Luzerne oder Raps sind nicht voll ausgereift. Kleinwüchsig stehen die Pflanzen auf den Äckern, gnadenlos der Sonne ausgesetzt. Auch das Getreide ist nur mit Verlust von den Feldern geerntet worden.
Teils dramatische Ernteausfälle
Der fehlende Regen erwischte diese Pflanzen während ihrer Wachstumsphase. Uwe Erl, Geschäftsführer der Agrar GmbH in Oldisleben (Kyffhäuserkreis), präsentiert ein Maisfeld. Mickrige Pflanzen, nur 40 bis 50 Zentimeter hoch. Andere haben es gerade einmal bis auf anderthalb Meter geschafft. Dabei wächst Mais locker zwei Meter hoch. Auch wer Maiskolben sucht, tut das vergeblich. Um diese auszubilden, fehlte der Regen.
Mais ist im Agrarbetrieb Oldisleben die Futtergrundlage für die Milchkühe. Uwe Erl rechnet vor. Der Mais auf dem 40 Hektar-Feld würde ausreichen, damit seine Kühe etwa 28 000 Liter Milch produzieren können. Ein Landwirt muss heute so ökonomisch
denken. Mit dem klägliche Rest auf dem Feld lassen sich gerade einmal 11 000 Liter Milch produzieren, so Uwe Erl. Der Agrarbetrieb muss Futter zukaufen oder Kühe zum Schlachter geben.
Der Schaden beim Mais sei endgültig, betont der Geschäftsführer. Selbst wenn es jetzt ausreichend regnen würde, wäre die Ernte nicht mehr zu retten. Da die Trockenheit aber weiter anhalten soll, wird wohl Anfang August mit dem Häckseln der Pflanzen begonnen. Vier bis
sechs Wochen zeitiger als üblich, erklärt der Landwirt.
Doch nicht nur Mais ist betroffen, sondern auch die Luzerne. Sie ist ebenfalls als Tierfutter gedacht. Dichtes Gedränge auf ihren Feldern wäre normal. Bis zu 900 Pflanzen auf dem Quadratmeter können wachsen. Dann sieht die Ernte vielversprechend aus. Auch weil diese Pflanzen gleich dreimal vom Feld geholt werden kann, um energiereiches Futter für Kühe zu liefern. Proben auf dem Luzernenfeld des Agrarbetriebes
zeigen, dass an guten Plätzen bis zu 200 Pflanzen wachsen. Es gibt aber auch Stellen mit nur 80 Pflanzen. Beim ersten Schnitt konnten die Oldislebener Landwirte noch 65 Prozent des erhofften Ertrags ernten. Beim zweien Schnitt war es nur noch knapp ein Drittel. Vielerorts falle der dritte Schnitt ganz aus, erklärt Experte Erl.
Wie dramatisch die Folgen der Dürre sein werden, sei noch nicht absehbar, betont der Präsident des Thüringer Bauernverbandes. Nicht nur, dass den
Landwirten in einigen Regionen des Freistaates bis zur Hälfte ihrer Ernte ausfalle. Die trockenen Böden eigenen sich auch nicht für Zwischenfrüchte und kaum für die anstehende Aussaat, beispielsweise von Raps Ende August, der dann im kommenden Jahr geerntet werden soll. Klaus Wagner fordert Dürreund Liquiditätshilfen für die betroffenen Agrarbetriebe. Einige von ihnen seien bereits 2016 von der Milchkrise schwer gebeutelt worden und nun gehe ihnen wegen der Dürre ein Großteil
des Viehfutters verloren. „Diese Landwirte hatten überhaupt keine Chance gehabt, Rücklagen für Wetterunbilden wie die nun andauernde Dürreperiode zu bilden“, erklärt der Verbandspräsident. Uwe Erl fordert zudem, steuerliche Anreize zu schaffen, damit Agrarbetriebe oder Landwirte einfacher Rücklagen für schwere Zeiten bilden können. Die Dürre- und Liquiditätshilfen für betroffene Landwirte und Agrarbetriebe müssten so schnell wie möglich gezahlt werden, ergänzt Klaus Wagner. Er verweist darauf, dass die Bauern Saatgut für die neue Aussaat in den kommenden Wochen kaufen müssen und dafür dringend das Geld benötigen. Klaus Wagner und Uwe Erl setzen derzeit ihre Hoffnung auf ein Treffen der Abteilungsleiter der Agrarministerien der Länder am Dienstag. Dieser Dürre-Gipfel soll die aktuellen Situation in der Landwirtschaft beleuchten. Thüringen möchte erreichen, dass sich der Bund an Entschädigungszahlungen für die Landwirte beteiligt. Agrarministerin Birgit Keller (Linke) reagierte gestern aber eher zurückhaltend auf Forderungen nach schneller Hilfe. „Wir werden Möglichkeiten der Dürreund Liquiditätsbeihilfen prüfen, wenn die Trockenheit zu den befürchteten großen Ernteausfällen führt“, erklärt sie beim Besuch eines Agrarbetriebes in Neuhaus-Schierschnitz, ganz im Süden Thüringens, im Kreis Sonneberg. „Das können wir jedoch erst nach dem Ernteabschluss seriös abschätzen“, stellt sie klar. Thüringer Finanzhilfen seien möglich, wenn knapp ein Drittel der durchschnittlichen Jahresernte des betroffenen Unternehmens im Vergleich zu den drei vergangenen Jahren zerstört wurde, heißt es aus dem Agrarministerium. Dann betrage die Entschädigung maximal die Hälfte der Einkommensminderung. Ob das ausreichen wird, den von der Dürre besonders betroffenen Agrarbetrieben und Landwirten zu helfen, bleibt gestern offen. Die Situation sei schlimmer als 2003, dem Jahr der letzten große Dürre, mein Uwe Erl. Damals habe es im Frühjahr noch richtig geregnet.