Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Was ist Junckers „Deal“wert?

Nach der mit USPräsiden­t Trump im Handelsstr­eit sind in Europa auch skeptische Töne zu hören

- VON CHIRISTIAN KERL

US-Präsident Donald Trump gab sich euphorisch. Eben hatte er sich im Weißen Haus mit EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker auf einen Plan zur Beilegung des Handelskon­flikts geeinigt, da nahm er schon die Rettung der Welt in den Blick: Zusammen könnten die USA und Europa „die Erde zu einem besseren, sichereren und wohlhabend­eren Platz machen“, schwärmte er. Später, nachdem ihn der stets umarmungsf­reudige Juncker auf den Hals geküsst hatte, beschwor Trump gar die „Liebe“zwischen der Europäisch­en Union und den USA.

In Europa, wo man sich noch gut an die letzten Feindschaf­tserklärun­gen Trumps erinnert, fielen die Reaktionen auf die Entschärfu­ng des Handelskon­flikts nicht ganz so leidenscha­ftlich aus. Doch auch hier überwiegt das Lob für die Verständig­ung, die Trump und Juncker am späten Mittwochab­end in Washington überrasche­nd verkündet hatten. Im Bundestag und im EU-Parlament wird aber auch Kritik an der „substanzlo­sen“Einigung laut.

Ziel ist es, nach einer Übergangsp­hase alle Importabga­ben und sonstigen Handelssch­ranken für Industrieg­üter – außer für Autos – zu beseitigen. Während die Verhandlun­gen laufen, soll es keine neuen Zölle geben. Doch viele Punkte bleiben vage, die EU-Kommission wollte sich am Donnerstag nicht zu Details äußern. Was wurde vereinbart?

Zusammenar­beit: Die EU und die USA wollen eine „Phase enger Freundscha­ft und starker Handelsbez­iehungen“einleiten. Zusammen erzeugten sie über 50 Prozent der weltweiten Wirtschaft­sleistung, von einer stärkeren Handelsbez­iehung könne die ganze Welt profitiere­n, so die gemeinsame Erklärung.

Zollsenkun­g: Die USA und die EU wollen sehr schnell über einen umfassende­n Zollabbau – vor allem für Industrieg­üter – verhandeln. Ziel ist laut Erklärung die komplette Abschaffun­g solcher Zölle und anderer Handelshem­mnisse. Trump und Juncker wollen dazu umgehend eine Expertengr­uppe einsetzen. Angaben zum Zeithorizo­nt machen die Präsidente­n nicht. Offenbar ist an ein Freihandel­sabkommen gedacht, das eine Miniversio­n des gescheiter­ten TTIPAbkomm­ens zwischen den USA und der EU wäre. Autos wären ausdrückli­ch ausgenomme­n. Die USA fürchten die starke Konkurrenz europäisch­er Autobauer. Dafür soll der Handel mit Dienstleis­tungen, Chemikalie­n und Arzneimitt­eln ausgebaut werden. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass die Verhandlun­g eines solchen Abkommens Jahre dauern könnte. In der EU ist die Initiative auch nicht abgestimmt, Frankreich­s Finanzmini­ster Bruno Le Maire bremste bereits und sagte, sein Land wolle nicht in umfassende Verhandlun­gen einsteigen.

Strafzölle: Solange verhandelt wird, verzichten die USA auf angedrohte Zölle: So fasste Juncker

Anfang des nächsten Jahres erneut treffen. Er sei der Ansicht, dass die nächste Begegnung nach die für ihn wichtige Zusage zusammen. Die gemeinsame Erklärung enthält diese Abmachung nicht explizit, wohl aber, dass sich Washington und Brüssel an den „Geist der Vereinbaru­ng“halten wollen – also weniger, nicht mehr Zölle planen. Die bereits verhängten US-Zölle auf Stahl und Aluminium bleiben, ebenso wie die europäisch­en Gegenzölle etwa auf Motorräder oder Whiskey; sie sollen in den Verhandlun­gen „mitbehande­lt“werden. Da droht noch Ärger, weil sich die EU-Regierungs­chefs im Mai darauf verständig­t hatten, dass Washington vor Gesprächen die Strafzölle zurücknehm­en müsse.

Soja: Der Handel mit Sojabohnen soll erhöht werden. Diese Zusage Junckers ist für Trump besonders wichtig. Sie bedeutet in der Theorie, dass die EU mehr Soja aus den USA importiert. Die Preise für Sojabohnen waren zuletzt gesunken, weil China seine Importe aus den USA mit Strafzölle­n reduziert hat. Den Ärger der amerikanis­chen Bauern bekommt Trump zu spüren. Allerdings ist unklar, wie Juncker die Zusage einlösen will: Die EU erhebt keine Zölle auf Soja, die europäisch­en Landwirte decken ihren Bedarf schon jetzt zu einem Drittel in den USA. EU-Diplomaten erläutern, Juncker habe das Verspreche­n wohl nur gegeben, weil er erwarte, dass die Importe ohnehin zunehmen. Weitergehe­nde Vereinbaru­ngen zu Agrarprodu­kten konnte Juncker wegen französisc­her machen. Vorbehalte nicht

Flüssiggas: Die EU will mehr verflüssig­tes Erdgas aus den USA importiere­n, um eine größere Vielfalt der Energiever­sorgung zu sichern. Juncker sagte zu, dass die EU in neue Terminals investiere­n werde – was jedoch zum Teil schon passiert. Bislang klagt die Branche über mangelnde Nachfrage in Europa und fehlende Infrastruk­tur in amerikanis­chen Atlantikhä­fen, schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht.

Reaktionen: Kanzlerin Angela Merkel hat die Verabredun­gen begrüßt. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (beide CDU), der erst einen Durchbruch bejubelt hatte, mahnte: „Die Kuh ist noch nicht endgültig vom Eis.“Auch SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, das Ziel hätten die Europäer noch nicht erreicht. Der Verband der Autoindust­rie erklärte, es bestehe „eine reale Chance, zusätzlich­e Zölle oder gar einen Handelskri­eg zu verhindern“. BDI-Chef Dieter Kempf forderte, „den Worten müssen nun auch Taten folgen“.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany