Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Was ist Junckers „Deal“wert?
Nach der mit USPräsident Trump im Handelsstreit sind in Europa auch skeptische Töne zu hören
US-Präsident Donald Trump gab sich euphorisch. Eben hatte er sich im Weißen Haus mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf einen Plan zur Beilegung des Handelskonflikts geeinigt, da nahm er schon die Rettung der Welt in den Blick: Zusammen könnten die USA und Europa „die Erde zu einem besseren, sichereren und wohlhabenderen Platz machen“, schwärmte er. Später, nachdem ihn der stets umarmungsfreudige Juncker auf den Hals geküsst hatte, beschwor Trump gar die „Liebe“zwischen der Europäischen Union und den USA.
In Europa, wo man sich noch gut an die letzten Feindschaftserklärungen Trumps erinnert, fielen die Reaktionen auf die Entschärfung des Handelskonflikts nicht ganz so leidenschaftlich aus. Doch auch hier überwiegt das Lob für die Verständigung, die Trump und Juncker am späten Mittwochabend in Washington überraschend verkündet hatten. Im Bundestag und im EU-Parlament wird aber auch Kritik an der „substanzlosen“Einigung laut.
Ziel ist es, nach einer Übergangsphase alle Importabgaben und sonstigen Handelsschranken für Industriegüter – außer für Autos – zu beseitigen. Während die Verhandlungen laufen, soll es keine neuen Zölle geben. Doch viele Punkte bleiben vage, die EU-Kommission wollte sich am Donnerstag nicht zu Details äußern. Was wurde vereinbart?
Zusammenarbeit: Die EU und die USA wollen eine „Phase enger Freundschaft und starker Handelsbeziehungen“einleiten. Zusammen erzeugten sie über 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, von einer stärkeren Handelsbeziehung könne die ganze Welt profitieren, so die gemeinsame Erklärung.
Zollsenkung: Die USA und die EU wollen sehr schnell über einen umfassenden Zollabbau – vor allem für Industriegüter – verhandeln. Ziel ist laut Erklärung die komplette Abschaffung solcher Zölle und anderer Handelshemmnisse. Trump und Juncker wollen dazu umgehend eine Expertengruppe einsetzen. Angaben zum Zeithorizont machen die Präsidenten nicht. Offenbar ist an ein Freihandelsabkommen gedacht, das eine Miniversion des gescheiterten TTIPAbkommens zwischen den USA und der EU wäre. Autos wären ausdrücklich ausgenommen. Die USA fürchten die starke Konkurrenz europäischer Autobauer. Dafür soll der Handel mit Dienstleistungen, Chemikalien und Arzneimitteln ausgebaut werden. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass die Verhandlung eines solchen Abkommens Jahre dauern könnte. In der EU ist die Initiative auch nicht abgestimmt, Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire bremste bereits und sagte, sein Land wolle nicht in umfassende Verhandlungen einsteigen.
Strafzölle: Solange verhandelt wird, verzichten die USA auf angedrohte Zölle: So fasste Juncker
Anfang des nächsten Jahres erneut treffen. Er sei der Ansicht, dass die nächste Begegnung nach die für ihn wichtige Zusage zusammen. Die gemeinsame Erklärung enthält diese Abmachung nicht explizit, wohl aber, dass sich Washington und Brüssel an den „Geist der Vereinbarung“halten wollen – also weniger, nicht mehr Zölle planen. Die bereits verhängten US-Zölle auf Stahl und Aluminium bleiben, ebenso wie die europäischen Gegenzölle etwa auf Motorräder oder Whiskey; sie sollen in den Verhandlungen „mitbehandelt“werden. Da droht noch Ärger, weil sich die EU-Regierungschefs im Mai darauf verständigt hatten, dass Washington vor Gesprächen die Strafzölle zurücknehmen müsse.
Soja: Der Handel mit Sojabohnen soll erhöht werden. Diese Zusage Junckers ist für Trump besonders wichtig. Sie bedeutet in der Theorie, dass die EU mehr Soja aus den USA importiert. Die Preise für Sojabohnen waren zuletzt gesunken, weil China seine Importe aus den USA mit Strafzöllen reduziert hat. Den Ärger der amerikanischen Bauern bekommt Trump zu spüren. Allerdings ist unklar, wie Juncker die Zusage einlösen will: Die EU erhebt keine Zölle auf Soja, die europäischen Landwirte decken ihren Bedarf schon jetzt zu einem Drittel in den USA. EU-Diplomaten erläutern, Juncker habe das Versprechen wohl nur gegeben, weil er erwarte, dass die Importe ohnehin zunehmen. Weitergehende Vereinbarungen zu Agrarprodukten konnte Juncker wegen französischer machen. Vorbehalte nicht
Flüssiggas: Die EU will mehr verflüssigtes Erdgas aus den USA importieren, um eine größere Vielfalt der Energieversorgung zu sichern. Juncker sagte zu, dass die EU in neue Terminals investieren werde – was jedoch zum Teil schon passiert. Bislang klagt die Branche über mangelnde Nachfrage in Europa und fehlende Infrastruktur in amerikanischen Atlantikhäfen, schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht.
Reaktionen: Kanzlerin Angela Merkel hat die Verabredungen begrüßt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU), der erst einen Durchbruch bejubelt hatte, mahnte: „Die Kuh ist noch nicht endgültig vom Eis.“Auch SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, das Ziel hätten die Europäer noch nicht erreicht. Der Verband der Autoindustrie erklärte, es bestehe „eine reale Chance, zusätzliche Zölle oder gar einen Handelskrieg zu verhindern“. BDI-Chef Dieter Kempf forderte, „den Worten müssen nun auch Taten folgen“.