Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Notfallhil­fe auf Knopfdruck

Stiftung Warentest hat neun Hausnotruf­dienste geprüft. Das Ergebnis: Keiner ist ohne Einschränk­ung zu empfehlen

- VON WOLFGANG MULKE

Der Anruf erreicht den Sohn im Büro. Seine Mutter könne sich heute nicht allein verpflegen – sie komme nicht mehr aus dem Sessel hoch, sagt die Anruferin vom Hausnotruf. „Ich fahre gleich hin“, antwortet der Sohn. Er nutzt die Mittagspau­se, um seiner pflegebedü­rftigen Mutter zu helfen.

Die schnelle Informatio­n erleichter­t der Rentnerin in diesem Fall die Bewältigun­g des Alltags. Der dahinterst­ehende Hausnotruf­dienst aber kann manchmal auch Leben retten, etwa durch den Ruf eines Notarztes, wenn einer der Kunden im Badezimmer gestürzt ist.

Die eigene Wohnung und die vertraute Umgebung gehören für viele im Alter zu den wichtigste­n Dingen im Leben. Im Gegensatz zu Seniorenhe­imen stehen die eigenen vier Wände für Unabhängig­keit und Freiheit, so gut und so lange es eben geht. 80 Prozent der Deutschen ängstigen sich davor, einmal ins Heim ziehen zu müssen. Das zeigt eine repräsenta­tive Umfrage der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t PwC. Doch gerade alleinsteh­ende Senioren tragen beim Leben in der eigenen Wohnung ein Risiko, falls sie doch plötzlich Hilfe benötigen. Stiftung Warentest

Ein Notrufdien­st ist in diesem Fall eine gute Absicherun­g. Auf Knopfdruck wird der Kunde mit einer Notrufzent­rale verbunden. Die Mitarbeite­r dort können beispielsw­eise Angehörige oder Nachbarn informiere­n oder auch einen Rettungswa­gen herbeirufe­n.

„Hausnotruf­dienste eignen sich für Menschen, die ihre Selbststän­digkeit erhalten wollen, jedoch durch Behinderun­g oder altersbedi­ngte Beeinträch­tigungen gefährdet sind und in Notlagen das Telefon nicht rechtzeiti­g erreichen würden“, erläutert die Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz.

Den Melder tragen die Kunden am Körper, zum Beispiel als Armband. Voraussetz­ung ist lediglich ein Telefonans­chluss in der Wohnung. Über diese Leitung läuft der Notrufdien­st. Nach Angaben der Stiftung Warentest sind bundesweit mittlerwei­le 900 000 Menschen an ein Hilfe für den Notfall: Ein Druck auf den roten Knopf am Handgelenk – und die Verbindung zur Zentrale wird aufgebaut. In  deutschen Städten soll es entspreche­nde Angebote geben. Foto: Initiative Hausnotruf

solches System angeschlos­sen. Laut Verbrauche­rzentrale wird der Service bundesweit in rund 350 Städten angeboten.

Die Kosten richten sich nach dem Leistungss­pektrum. Denn über den reinen Notruf hinaus bieten die Dienste zusätzlich­e Services an – vom Erinnerung­sruf für die Medikament­eneinnahme bis hin zur Schlüssela­ufbewahrun­g. Der Basisdiens­t kostet in der Regel zwischen 23 und 29 Euro im Monat.

Bei Pflegebedü­rftigen steuert die Pflegekass­e seit Juni 2018 statt der bisherigen gut 18 Euro nun 23 Euro bei. Zu den monatliche­n Gebühren kommen noch einmalige Anschlussk­osten, die

zwischen 20 Euro und 60 Euro liegen.

Doch über den Angeboten liegt auch ein Schatten. Die Stiftung Warentest hat die Dienste zum zweiten Mal nach 2011 getestet. Die in der August-Ausgabe der Zeitschrif­t „test“veröffentl­ichten Ergebnisse sind ernüchtern­d. Neun Anbieter – davon fünf gemeinnütz­ige Verbände – haben die Tester auf die Probe gestellt. Kein Anbieter erhielt die Note „gut“oder „sehr gut“. Am besten schnitt mit einem „befriedige­nd“der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ab. Das private Unternehme­n Zembro wird als Schlusslic­ht sogar als „mangelhaft“eingestuft.

Zwar erfüllten alle Dienste die wichtigste Aufgabe – das Bearbeiten von Notrufen – „gut“oder „befriedige­nd“. „Kein Dienst aber ist uneingesch­ränkt zu empfehlen“, so das Fazit der Stiftung. Am besten bearbeitet wurden die fingierten Notrufe vom ASB, aber auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Malteser Hilfsdiens­t sowie die Johanniter schnitten in dieser Kategorie „gut“ab. Schnelligk­eit ist beim Notruf gefragt. Meist hätten die Callcenter den Ruf innerhalb weniger Sekunden angenommen, heißt es im Testberich­t. Beim privaten Anbieter Zembro allerdings habe sich die Zentrale einmal gar nicht gemeldet, ein anderes Mal erst nach zwei Minuten.

Wie schon beim Test 2011 bemängeln die Prüfer auch diesmal ein zu geringes Einfühlung­svermögen der Notrufmita­rbeiter. „Viele Anbieter gehen zu wenig auf die Bedürfniss­e der meist älteren Kunden ein“, kritisiert die Stiftung. Sie sprechen beispielsw­eise nicht laut genug oder verschwand­en auch schon mal aus der Leitung.

Ursache für die starken Abwertunge­n waren aber vor allem die Geschäftsb­edingungen der Anbieter. Denn in sechs von neun Verträgen fanden die Tester deutliche Mängel und rechtswidr­ige

Klauseln, etwa zum Haftungsau­sschluss.

Die Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz rät Interessen­ten zu zwei Dingen: einer genauen Prüfung der Verträge, da in den Klauseln sogar versteckte Kosten enthalten sein könnten, und dem Vergleich verschiede­ner Angebote.

„Viele Anbieter gehen zu wenig auf die Bedürfniss­e der meist älteren Kunden ein.“

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