Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Notfallhilfe auf Knopfdruck
Stiftung Warentest hat neun Hausnotrufdienste geprüft. Das Ergebnis: Keiner ist ohne Einschränkung zu empfehlen
Der Anruf erreicht den Sohn im Büro. Seine Mutter könne sich heute nicht allein verpflegen – sie komme nicht mehr aus dem Sessel hoch, sagt die Anruferin vom Hausnotruf. „Ich fahre gleich hin“, antwortet der Sohn. Er nutzt die Mittagspause, um seiner pflegebedürftigen Mutter zu helfen.
Die schnelle Information erleichtert der Rentnerin in diesem Fall die Bewältigung des Alltags. Der dahinterstehende Hausnotrufdienst aber kann manchmal auch Leben retten, etwa durch den Ruf eines Notarztes, wenn einer der Kunden im Badezimmer gestürzt ist.
Die eigene Wohnung und die vertraute Umgebung gehören für viele im Alter zu den wichtigsten Dingen im Leben. Im Gegensatz zu Seniorenheimen stehen die eigenen vier Wände für Unabhängigkeit und Freiheit, so gut und so lange es eben geht. 80 Prozent der Deutschen ängstigen sich davor, einmal ins Heim ziehen zu müssen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Doch gerade alleinstehende Senioren tragen beim Leben in der eigenen Wohnung ein Risiko, falls sie doch plötzlich Hilfe benötigen. Stiftung Warentest
Ein Notrufdienst ist in diesem Fall eine gute Absicherung. Auf Knopfdruck wird der Kunde mit einer Notrufzentrale verbunden. Die Mitarbeiter dort können beispielsweise Angehörige oder Nachbarn informieren oder auch einen Rettungswagen herbeirufen.
„Hausnotrufdienste eignen sich für Menschen, die ihre Selbstständigkeit erhalten wollen, jedoch durch Behinderung oder altersbedingte Beeinträchtigungen gefährdet sind und in Notlagen das Telefon nicht rechtzeitig erreichen würden“, erläutert die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Den Melder tragen die Kunden am Körper, zum Beispiel als Armband. Voraussetzung ist lediglich ein Telefonanschluss in der Wohnung. Über diese Leitung läuft der Notrufdienst. Nach Angaben der Stiftung Warentest sind bundesweit mittlerweile 900 000 Menschen an ein Hilfe für den Notfall: Ein Druck auf den roten Knopf am Handgelenk – und die Verbindung zur Zentrale wird aufgebaut. In deutschen Städten soll es entsprechende Angebote geben. Foto: Initiative Hausnotruf
solches System angeschlossen. Laut Verbraucherzentrale wird der Service bundesweit in rund 350 Städten angeboten.
Die Kosten richten sich nach dem Leistungsspektrum. Denn über den reinen Notruf hinaus bieten die Dienste zusätzliche Services an – vom Erinnerungsruf für die Medikamenteneinnahme bis hin zur Schlüsselaufbewahrung. Der Basisdienst kostet in der Regel zwischen 23 und 29 Euro im Monat.
Bei Pflegebedürftigen steuert die Pflegekasse seit Juni 2018 statt der bisherigen gut 18 Euro nun 23 Euro bei. Zu den monatlichen Gebühren kommen noch einmalige Anschlusskosten, die
zwischen 20 Euro und 60 Euro liegen.
Doch über den Angeboten liegt auch ein Schatten. Die Stiftung Warentest hat die Dienste zum zweiten Mal nach 2011 getestet. Die in der August-Ausgabe der Zeitschrift „test“veröffentlichten Ergebnisse sind ernüchternd. Neun Anbieter – davon fünf gemeinnützige Verbände – haben die Tester auf die Probe gestellt. Kein Anbieter erhielt die Note „gut“oder „sehr gut“. Am besten schnitt mit einem „befriedigend“der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ab. Das private Unternehmen Zembro wird als Schlusslicht sogar als „mangelhaft“eingestuft.
Zwar erfüllten alle Dienste die wichtigste Aufgabe – das Bearbeiten von Notrufen – „gut“oder „befriedigend“. „Kein Dienst aber ist uneingeschränkt zu empfehlen“, so das Fazit der Stiftung. Am besten bearbeitet wurden die fingierten Notrufe vom ASB, aber auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Malteser Hilfsdienst sowie die Johanniter schnitten in dieser Kategorie „gut“ab. Schnelligkeit ist beim Notruf gefragt. Meist hätten die Callcenter den Ruf innerhalb weniger Sekunden angenommen, heißt es im Testbericht. Beim privaten Anbieter Zembro allerdings habe sich die Zentrale einmal gar nicht gemeldet, ein anderes Mal erst nach zwei Minuten.
Wie schon beim Test 2011 bemängeln die Prüfer auch diesmal ein zu geringes Einfühlungsvermögen der Notrufmitarbeiter. „Viele Anbieter gehen zu wenig auf die Bedürfnisse der meist älteren Kunden ein“, kritisiert die Stiftung. Sie sprechen beispielsweise nicht laut genug oder verschwanden auch schon mal aus der Leitung.
Ursache für die starken Abwertungen waren aber vor allem die Geschäftsbedingungen der Anbieter. Denn in sechs von neun Verträgen fanden die Tester deutliche Mängel und rechtswidrige
Klauseln, etwa zum Haftungsausschluss.
Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz rät Interessenten zu zwei Dingen: einer genauen Prüfung der Verträge, da in den Klauseln sogar versteckte Kosten enthalten sein könnten, und dem Vergleich verschiedener Angebote.
„Viele Anbieter gehen zu wenig auf die Bedürfnisse der meist älteren Kunden ein.“
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