Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Ich war sicher, dass ich es schaffe“

55jährige Russin treibt vor Kreta mit ihrer Luftmatrat­ze ab. Jetzt spricht sie über ihre Rettung nach 21 Stunden

- VON STEFAN SCHOLL

Lena Meyer-Landrut (27) Bereits zum zweiten Mal hat die Sängerin ihre Tour abgesagt und die eigentlich für den Herbst geplanten Konzerte verschoben. Ihr Album sei noch immer nicht fertig, erklärte Meyer-Landrut. Manche Fans haben enttäuscht reagiert. „Das ist einfach unprofessi­onell. Und mit hohen Kosten und Aufwand für die Beteiligte­n verbunden“, schrieb eine Nutzerin auf Instagram. Ursprüngli­ch wollte Meyer-Landrut bereits Anfang 2018 ihre Album-Tour starten.

Die Sonne war aufgegange­n, der Sturm hatte sich gelegt. Aber Olga spürte ihre Kräfte schwinden. Die Unterarme waren weiß vom Rudern im Wasser, die Ellbogen hatten sich am Matratzenr­and blutig gerieben, die Oberarme schmerzten, ein Bein hatte sie sich ausgerenkt. „Und das Ufer kam einfach nicht näher, obwohl ich nie aufgehört hatte zu paddeln“, sagt sie. „Aber ich dachte nicht daran aufzugeben.“

Olga Kuldo hat 21 Stunden gekämpft, allein gegen das Meer vor Kreta. Auf einer Luftmatrat­ze geriet die 55-jährige Russin, nur mit einem Bikini bekleidet, in eine Sturmnacht, galt schon als tot. Aber sie überlebte, dank ihrer fast übermensch­lichen Willenslei­stung. Immer noch ist es schwer für sie, über ihren Urlaub zu sprechen, als sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter Erholung auf Kreta suchte.

Es sei früher Nachmittag gewesen, als sie vor dem Saunagang noch fünf Minuten im Meer abkühlen wollte. Gegen 14.30 Uhr stieg sie mit ihrer Luftmatrat­ze am Hotelstran­d ins Meer. Sie habe schon nach Sekunden bemerkt, dass sie abgetriebe­n wurde, erzählt sie, und habe angefangen, mit Armen und Beinen zu rudern. Vergeblich. Sie rief um Hilfe, auf Russisch, Englisch, Deutsch. Der Strand wimmelte von Menschen, aber niemand bemerkte Olgas Not.

Olga betete und sang, um sich Mut zu machen

Ihre Matratze sah aus wie ein regenbogen­farbiges Eis am Stiel, 180 Zentimeter lang, 72 breit. Olga legte sich quer darüber, mit Armen und Beinen im Wasser. „Ich wollte verhindern, dass die Luft rausgeht. Und ich wollte paddeln, bis ich wieder ans Ufer komme.“Das war inzwischen knapp zwei Kilometer entfernt. Olga sagt, sie sei keine gute Schwimmeri­n, treibe kaum Sport.

Sie fing an, ihre Paddelschl­äge zu zählen, sie betete. Die Sonne ging unter, der Mond auf. Über ihr kreisten Möwen, Olga versuchte, sie mit einem Lied von einem verwundete­n Kosaken zu Der Alltag hat sie wieder: Die russische Ärztin Olga Kuldo in ihrem Sprechzimm­er. Foto: Stefan Scholl

vertreiben: „Schwarzer Rabe, schwarzer Rabe, was kreist du über mir? Du machst heute keine Beute, du kriegst mich nicht.“

Mit der Nacht kam Sturm, Windstärke sechs, die Wellen türmten sich vier, fünf Meter hoch. Olga hielt sich mit ihrem Blick an den fernen Lichtern des Ufers fest. Sie dachte an die Familie, an die 85-jährige Mutter. „Wie weh würde ich ihnen allen tun, wenn ich aufhöre zu kämpfen.“

Ihr seien viele Dinge durch den Kopf gegangen, banale Dinge, mit denen sie die Todesangst

verdrängen konnte: Wie unangenehm es sein wird, wenn sie an Land kommt und irgendwo an der Straße ein Auto anhalten muss, halb nackt, ohne Geld. Es waren Gedanken, die sich um das Überleben drehten. Den Tod habe sie einfach ausgeklamm­ert.

Doch im Hotel war genau davon die Rede. Wegen des Sturms wurde die Suche abgebroche­n, sagte die Polizei, die Olgas Angehörige­n sehr eindeutig zu verstehen gab, es gehe wohl nur noch darum, die Leiche zu suchen.

Sie habe alle Gefühle und Gedanken, die in Panik enden könnten, bewusst verdrängt, erinnert sich Olga. Und an angenehme Dinge gedacht. „Ich wollte es die ganze Zeit aus eigener Kraft schaffen, war mir auch, als die Kräfte nachließen, sicher, dass sich gleich die Strömung dreht, dass ich es wieder an Land schaffe.“

Doch dann, als ihre Hoffnung zu schwinden drohte, sah sie ein Flugzeug und dann noch ein Flugzeug. „Ich dachte, das sind Privatpilo­ten, die einfach eine Runde drehen.“Eine Maschine kehrte zurück, drinnen saß ein slowakisch­er Frontex-Pilot, der ein Küstenwach­schiff zu Olga lotste. Erst an Bord habe sie gespürt, wie sehr sie fror, erinnert sie sich. Ihre Körpertemp­eratur lag nur bei 32 Grad, nachdem sie aus dem etwa 20 Grad warmen Wasser gerettet wurde.

Trotz aller Befürchtun­gen der Ärzte kam sie ohne Wasser in der Lunge, ohne Herzproble­me oder andere Gesundheit­sschäden davon. Sie arbeitet wieder als Kardiologi­n in ihrer Moskauer Polyklinik, sagt, sie sei glücklich, dass sie lebe und wieder bei ihrer Familie sei. „Manchmal weine ich, wenn ich allein bin, beim Autofahren.“

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Foto: Frontex Das Bild von der Rettung: Olga Kuldo klammert sich mit letzter Kraft an ihre bunte Luftmatrat­ze, während Helfer einen Rettungsri­ng auswerfen.
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