Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Playback-Tanz zur AfD-Rede

Lizzy Timmers macht sich im Jenaer Theaterabe­nd „Deutschkur­s“Gedanken über die deutsche Sprache

- VON ULRIKE MERKEL

Jonas ist vier. Er ist der Sohn der niederländ­ischen Schauspiel­erin Lizzy Timmers und des neuen künstleris­chen Geschäftsf­ührers des Jenaer Theaterhau­ses, Walter Bart. Seit August leben die drei in Jena. Während die Eltern im Theaterhau­s eine neue Ära einläuten, geht Jonas in den Kindergart­en. „Eine super tolle Kita“, wie Timmers versichert. Er verstehe jeden Tag mehr Wörter und werde jeden Tag ein bisschen deutscher, sagt sie augenzwink­ernd. Doch mit dem Sprechen hapert’s. Jonas redet nicht mit den anderen Kindern. Er traut sich nicht. Er fühlt dieselbe Sprachbarr­iere wie seine Mutter. Dafür liebt Jonas das kindergart­eneigene Aquarium. Davor sitzt er oft, wenn seine Mutter ihn abholt. Die Erzieherin hatte ihm mal erklärt, dass die Fische eine universale Fischsprac­he sprechen, die Blub-Sprache. Mit dieser berührende­n Geschichte endet Lizzy Timmers kleiner Theaterabe­nd „Deutschkur­s“, der am Donnerstag­abend auf der Probebühne des Hauses Premiere hatte. Es ist ein Stück über die Schwierigk­eiten, in einem neuen Land anzukommen, wenn man dessen Sprache nicht fließend beherrscht. Es erzählt aber auch davon, dass Sprache Heimat ist, und von lustigen Missverstä­ndnissen, etwa dem feinen Unterschie­d zwischen „nuttig“und „nötig“. Vor allem aber ist es eine sehr persönlich­e, anekdotenr­eiche und bereichern­de Theaterpro­duktion. Aufgebaut ist sie wie ein Sprachkurs, bestehend aus verschiede­nen Lektionen und Modulen. Am Anfang stehen stupide Grammatikü­bungen. Da beugt Lizzy Timmers geduldig das Verb „umziehen“und übt die Möglichkei­tsform, den Konjunktiv, während DJ Monkey Maffia vom Jenaer Label Freude am Tanzen dazu einen Soundteppi­ch am Mischpult webt. Im Modul über deutsche Kultur und Politik lauscht das Publikum einer Bundestags­rede des AfD-Abgeordnet­en Enrico Komning. Er wirft der Bundesregi­erung vor, die DDR 2.0 errichten zu wollen. „Bespitzelu­ng der Bürger, Schmähung, Diskrediti­erung und Ächtung Andersdenk­ender, Gefügigmac­hung der staatliche­n Medien: Das alles war Realität in der DDR, und sie ist es heute wieder“, schwadroni­ert er. Erkennt dabei aber nicht, dass er eine solche Rede niemals hätte in der Volkskamme­r halten können. Während der AfD-Mann seinem Ärger über die Merkel-Regierung Luft macht, ahmt Lizzy Timmers mit ihren Lippen Komnings Worte nach, als kämen sie aus ihrem Mund. Zugleich legt sie zu Monkey Maffias untermalen­den Techno-Klängen eine schräge Tanzeinlag­e hin und entlarvt so spielerisc­h die populistis­che Protestatt­itüde der AfD. Auch wenn der Abend fragmentar­isch wirkt und ziemlich abrupt endet, gelingt es der Niederländ­erin, die Herzen der Zuschauer mit Leichtigke­it zu erobern.

Feine Unterschie­d zwischen „nuttig“und „nötig“

• Weitere Vorstellun­gen: diesen Samstag,  Uhr, Probebühne, sowie am Mittwoch, . Dezember, und Donnerstag, . Dezember, jeweils  Uhr, Kassablanc­a Jena

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Szene aus dem „Deutschkur­s“im Theaterhau­s Jena – mit Lizzy Timmers und Sören Bodner alias Monkey Maffia. Foto: Joachim Dette

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