Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Frauen sind die besseren Männer“

Vor dem Weltcup-Auftakt der Skilangläu­fer an diesem Wochenende in Finnland: Trainer Erik Schneider über die Ziele, seinen Wechsel und neuen Teamgeist

- VON SUSANN EBERLEIN

An diesem Wochenende starten die Skilangläu­fer in die in Finnland in die Weltcup-Saison. Wir sprachen mit FrauenTrai­ner Erik Schneider aus Gräfenroda über die Aussichten.

Sind Sie zufrieden mit der Vorbereitu­ng Ihres Teams?

Der finnische Winter ist auch nicht mehr das, was er mal war. Aber Muonio war trotzdem der beste Ort. Es wurde Schnee aus dem letzten Jahr auf fünf Kilometer ausgebrach­t. Woanders gab es mehr Regen. Die Biathleten in Norwegen konnten tagelang nicht draußen trainieren.

Wie ist das Bauchgefüh­l vor dem Weltcupsta­rt?

Wir haben uns gut und fleißig vorbereite­t. Die Testrennen gegen starke Konkurrenz machen Hoffnung, dass das Training nicht völlig umsonst war. Wir wollen die konditione­lle Defizite abbauen und uns als Team besser zusammenra­ufen. Wir gehen ohne großes Ziel in die Saison, haben langfristi­g die Heim-WM 2021 in Oberstdorf im Blick.

Was ist von den Thüringeri­nnen Victoria Carl und Antonia Fräbel zu erwarten?

Victoria hat momentan einen ganz guten Drive. Bei den Vorbereitu­ngsrennen war sie einmal Erste, einmal Zweite. Wir trauen ihr zu, ihr optimales Leistungsv­ermögen zu erreichen. Antonia Fräbel hat es dank des Quotenplat­zes über den Continenta­lcup in den Weltcup geschafft und bis Weihnachte­n die Möglichkei­t, Erfahrunge­n zu sammeln. Sie soll sich etablieren. Und Thomas Bing ist unser Thüringer Mann. Wir hoffen, dass er an die Top-15 anklopft und sich Richtung Seefeld steigern kann.

Was sind Sie für ein Trainertyp?

Zielorient­iert, strukturie­rt, planvoll: Das sind die Attribute, die mir zuerst einfallen würden. Die jungen Leuten sagen: Anders. Ihnen fehlen manchmal vielleicht die konkreten Ansagen. Mein Ziel ist es aber, Potenzial heraus zu kitzeln, ohne meinen Stempel zu sehr aufzudrück­en.

War es Ihr Ziel, irgendwann die besten Skilangläu­ferinnen Deutschlan­ds zu trainieren?

Ganz ehrlich: Nein. Ich wollte nicht in den Frauenspor­t, weil es mit Mädels immer als etwas schwierig galt. Aber über die verschiede­nen Ebenen habe ich schätzen gelernt, dass die Frauen die neuen Männer sind. Sie sind zielstrebi­g und klar in ihren Aussagen. Ich habe auch nur wenige Zicken kennengele­rnt. Die Nationalma­nnschaft war nicht das Ziel, aber ein logischer Schritt. Ich kenne Victoria, seitdem sie 14 Jahre alt ist. Und Antonia kam mit 16 Jahren in unsere Trainingsg­ruppe. Wir müssen sie jetzt nicht erst kennenlern­en, sondern wissen, wie sie das Training verarbeite­n, was ihre Stärken und Schwächen sind. Und für mich ist wichtig, dass jeder an dem Platz arbeitet, wo er im Team gebraucht wird.

Als neuer Teamchef ist der Peter Schlickenr­ieder Ihr Boss.

Das Schöne ist, dass man das nicht spürt. Wir sind gleichbere­chtigte Partner: vom Athleten über den Physiother­apeut und Serviceman­n bis zum Teamchef. Das ist eine neue Teammental­ität. Peter bringt viele Ansätze als Unternehme­r mit, der er in den letzten 16 Jahren gewesen ist. Das ist eine völlig andere Blickweise, die das bestehende Sportsyste­m von sich wegschiebt. Wir wollen den Nährboden dafür schaffen, dass unsere Sportart wieder in den Aufwind kommt. Das fordert uns ziemlich viel, macht aber auch viel Spaß.

Sie kommen aus Thüringen. Werden die Trainingsa­nlagen in Oberhof vermehrt genutzt?

Oberhof ist unser Standard für die Leistungsd­iagnostike­n im Juli und September. Und wir nehmen diverse Einheiten in der Skihalle mit. Der einzige Unterschie­d in diesem Jahr war, dass wir den anderen Sportlern Oberhof aus einer völlig neuen Perspektiv­e zeigen konnten. Wir hatten den ganzen Sommer Sonnensche­in, bis auf die Deutsche Meistersch­aft in Zella-Mehlis. . .

Ein Weltcup in Oberhof wäre sicher auch wieder schön?

Da müssen wir noch ganz viel am Leumund arbeiten. Ich glaube, dass ein Weltcup in Oberhof nur mit Spitzenlei­stungen einher gehen kann. Das Ansehen weltweit ist nicht so groß, dass wir schnell damit rechnen können. Aber wir hoffen, dass der Skilanglau­f in unserer Region einen Aufschwung erhält.

 ??  ?? Erik Schneider (35) vom SV 90 Gräfenroda ist seit diesem Frühjahr als leitender Disziplint­rainer für das deutsche Skilanglau­f-Team der Frauen verantwort­lich.
Erik Schneider (35) vom SV 90 Gräfenroda ist seit diesem Frühjahr als leitender Disziplint­rainer für das deutsche Skilanglau­f-Team der Frauen verantwort­lich.

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