Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Aussterbende Spezies
Kathrin Gerlofs Dorfroman „Nenn mich November“macht wenig Laune aufs Landleben
Dorfromane sind ja seit einiger Zeit sehr in Mode. Juli Zeh hat „Unterleuten“geschrieben, Jan Böttcher „Das Kaff“, Saša Stanišić„Vor dem Fest“, um nur einige zu nennen. Nun hat auch Kathrin Gerlof ein Provinzporträt verfasst. „Nenn mich November“ist eine bedrückende Zustandsbeschreibung deutscher Befindlichkeit abseits der Metropolen, dort wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. „Das Dorf stirbt. Seine Menschen haben vergessen, wie man lebt. Sie existieren, aber sie sind schwach und geben nur unnützes Wissen weiter“, heißt es da. Und an anderer Stelle: „Das Dorf würde nicht mehr lange existieren. Es gehört einer aussterbenden Spezies an. Unfruchtbarkeit, Unlust und Inzucht besiegeln sein Schicksal.“Früher gab es mal eine Papier- und eine Zuckerfabrik, sie haben längst dicht gemacht. Die Jugend ist auf und davon. Zwei Großbauern, in herzlicher Feindschaft verbunden, kontrollieren das Geschehen. Der Rest des Dorfes döst missmutig vor sich hin. Eines Tages jedoch gibt es Zuwachs aus der Stadt. David hat ein heruntergekommenes Haus seiner Tante geerbt. Er und seine Frau Marthe, genannt November, ziehen allerdings nicht ganz freiwillig hierher. Vielmehr sind sie in der Stadt gescheitert. Davids Idee zur Weltrettung durch kompostierbares Geschirr funktionierte nicht. Zu wenige wollten seiner Heilsbotschaft folgen. Am Ende stand die Privatinsolvenz und der Auszug aufs Land. Während Marthe am liebsten sofort wieder nach Berlin zurück flüchten würde, passt sich David dem tranigen Rhythmus des Dorfes an. Er wird schweigsam, scheint aber immerhin zufrieden. Und doch bleiben er und Marthe am Rande. Die Ankunft von Flüchtlingen bringt noch einmal Bewegung ins lethargische Einerlei. Die Reaktion ist wie erwartet. Während Großbauer Schulz darin ein gutes Geschäft wittert, sind die meisten Dörfler misstrauisch bis ablehnend. Sogar eine Bürgerwehr wird gegründet, drei Deutschlandflaggen werden demonstrativ gehisst. Doch auch das ist schon zu viel der Courage: Bald tauscht man eines der Banner durch eine Bayern-München-Flagge aus.
Gerlof ist zweifellos eine großartige Schreiberin. Doch insgesamt macht das düstere Szenario dieser untergehenden Dorfwelt ausgesprochen schlechte Laune.
• Kathrin Gerlof: Nenn mich November. Aufbau Verlag, Berlin, Seiten, Euro