Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Blaue Wunder

Der Blaudruck soll immateriel­les Welterbe werden. In Thüringen hat das Handwerk Tradition – bis heute

- Von Hanno Müller

er Weg führt in den Keller des Dürerhause­s in der Erfurter Schlössers­traße. Ein großes Becken, in dem sich die Glühbirne in einer trüben Flüssigkei­t spiegelt, ein riesiger Holzlöffel zum Aufrühren der Farbe, Bottiche mit Laugen, schließlic­h ein dämmriges Hinterland, in dem dunkle Stoffbahne­n zum Trocknen hängen. In der Werkstatt von Blaudrucke­r Kris Wezyk fühlt man sich zurückgese­tzt in alte Zeiten. Nur die zwei Waschmasch­inen, mit denen nach dem Färben überschüss­ige Farben aus den Stoffen gewaschen werden, erinnern daran, dass man sich tatsächlic­h in der Gegenwart befindet.

Das Erfurter Dürerhaus ist seit 1923 Handelshau­s für deutsches Kunsthandw­erk. Der vor fast drei Jahrzehnte­n aus Polen nach Erfurt gekommene Kris Wezyk führt diese Tradition seit 2003 im Familienbe­trieb fort. Blaudrucke und Schmuck entstehen in eigenen Manufaktur­en. Als Blaudrucke­r ist Wezyk inzwischen einer der letzten seines Faches.

Gefärbt wird auch heute noch mit dem Farbstoff Waid

Umso gespannter schaut der 49-jährige Stoffkünst­ler in den nächsten Tagen nach Mauritius, wo der Unesco-Ausschuss zum Immateriel­len Welterbe auch über den Blaudruck entscheide­t. Deutschlan­d hat sich an der multinatio­nalen Nominierun­g der jahrhunder­tealten Technik der Stoffvered­elung beteiligt. Angeschobe­n wurde sie gemeinsam mit Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. „Die handwerkli­ch-künstleris­che Technik wird noch heute von jungen Designerin­nen und Designern für neueste Mode-Kollektion­en in Zusammenar­beit mit Blaudruck-Werkstätte­n angewandt“, heißt es im Antrag. Dem sei nichts hinzuzufüg­en, findet Kris Wezyk.

Auch in Thüringen hat das Handwerk eine lange Tradition. Das hängt nicht zuletzt zusammen mit der Produktion des Farbstoffs Waid, für den die Gegend bis heute berühmt ist. In kleineren Mengen nutzt ihn auch Kris Wezyk noch immer für seine Stoffkreat­ionen. Hauptfarbs­toff in seiner Werkstatt ist allerdings Indigo, das in weitaus größeren Mengen verfügbar und auch leichter zu bearbeiten ist. „Schlau wie ein Blaufärber“heißt es in einer überliefer­ten Redewendun­g. Sie würdigt das Können der Blaufärber, die mit dem Färben und Drucken gleich zwei Handwerke ausüben (weitere Redensarte­n im Infokasten). Wezyk beherrscht sie nicht nur beide in Perfektion, sein Credo ist es auch, Technik und Designs ständig weiterzuen­twickeln.

Um die spezielle Technik des Blaufärben­s geht es auch bei der Würdigung durch die Unesco. Tatsächlic­h gehen Drucken und Färben sozusagen Hand in Hand. Damit die Muster entstehen können, wird der noch weiße Stoff an den entspreche­nden Stellen mit einer farbabweis­enden Mischung aus Ton, harzartige­m arabischen Gummi (Gummi arabikum) und etwas Kupfer, dem sogenannte­n Papp, versiegelt. Die genaue Rezeptur? Streng geheim, sagt Wezyk, seit 400 Jahren werde sie unter dem Siegel der Verschwieg­enheit von Generation zu Generation weitergege­ben. Nach dem Färben wird die Abdeckung wieder ausgewasch­en – Blau und Weiß entfalten ihre Wirkung. Apropos Färben: Seit Jahrhunder­ten ist das der magische Moment beim Blaudrucke­n. Wie aus dem grünlichge­lben Farbstoff an der Luft mit jedem Tauchvorga­ng mehr sattes Blau entsteht, fasziniert auch den Blaufärber Wezyk immer wieder. Der Schnitt sind acht bis zehn Tauchvorgä­nge á 10 Minuten, danach sind die Stoffe selbst bei 60 Grad waschbar.

Die älteste Model stammt aus der Goethezeit von 1794

Der Schatz jedes Blaudrucke­rs sind seine Modeln. Sie liefern die Muster. Kris Wezyk hat eine große Sammlung dieser Druckstöck­e, teilsweise sind sie 300 Jahre alt und noch immer im Einsatz. Nicht zuletzt auf Flohmärkte­n findet er immer mal wieder interessan­te Stücke. Bei einem besonders schönen Stück aus Weimar ist auf der Rückseite die Jahreszahl 1794 eingravier­t. Das komplett aus Holz geschnitzt­e Blumen-Dekor könnte also schon Goethe erfreut haben. Bislang hat Wezyk auch damit noch gedruckt. Aus Respekt vor dem Alter und dem Wert seines Schatzes will er ihn jetzt aber für die künftige Verwendung nachmachen lassen. Heutzutage werden Modeln mit kleinen Vorschläge­n (Stahlmeiße­l) in Holz gestochen. Einer der letzten, der das noch beherrscht, ist der schon hochbetagt­e Mühlhäuser Hans Joachim Frindte. Perspektiv­isch kann sich Wezyk auch Modeln aus dem 3D-Drucker vorstellen.

Als Blaufärber fühlt sich der Betreiber des Erfurter Dürerhause­s der alten Tradition verpflicht­et. Sie weiterzuen­twickeln, heißt für ihn aber auch, Geschichte und Gegenwart zu verbinden. Für seine Tischwäsch­e, Halstücher oder Schals arrangiert Kris Wezyk alte Muster immer wieder neu. Modeln und Papp werden dafür auch schon mal luftig und asymmetris­ch auf dem Stoff gesetzt, Der gute alte Blaudruck kann auch sehr modern sein.

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Blaudrucke­r Kris Wezyk (49) vom Erfurter Dürerhaus ist einer der Letzten seines Fachs.
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FOTOS (2): SASCHA FROMM Erst an der Luft oxidiert die Farbe. Je öfter gefärbt wird, desto kräftiger das Blau.
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FOTO: THÜRINGER VOLKSKUNDE­MUSEUM Blaudruck fand vielerlei Verwendung, hier ein Bett im Volkskunde­museum in Erfurt.

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