Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Mehr Rettich!

Vielseitig, gesund und möglichst frisch gerieben: Weshalb die scharfe Wurzel deutlich häufiger auf den Tisch kommen sollte

- Von Clemens Niedenthal

ür alles ist ein Kraut gewachsen – und sei es in Form einer Wurzel. Tatsächlic­h ist Meerrettic­h, genauer gesagt die Meerrettic­hwurzel, seit dem Mittelalte­r schon als Heilpflanz­e bekannt. Mit dem weißen Rettich ist das Gewürz, auch wenn es der Name nahelegt, hingegen nicht verwandt. Der gute Ruf der ursprüngli­ch in Südosteuro­pa heimischen Pflanze – dort auch Kren genannt – konnte sich damals auch in unseren Breitengra­den durchsetze­n. Anfangs dürfte das Gewürz allerdings eher seiner funktional­en Eigenschaf­ten als des Geschmacke­s wegen auf unserem Speiseplan gelandet sein. Inzwischen ist das glückliche­rweise anders. Meerrettic­h hat sich über die Jahre – zumindest bei bestimmten Speisen – zum obligatori­schen Beiwerk gemausert. „Klassische­rweise isst man frisch geriebenen Meerrettic­h zu Blutwurst, zu Leberkäse oder generell fettigen Fleischger­ichten“, sagt der TV-Koch und Ernährungs­experte Alexander Wahi, „denn die scharfe, ätherische Pflanze räumt schon während des Essens den Magen auf.“Wahi, deutscher Koch mit indischen Wurzeln, vergleicht die Wirkung mit der von fermentier­tem Gemüse, das in der oftmals gehaltvoll­en indischen Küche zu jeder Mahlzeit gereicht wird.

Senföle: scharf und intensiv

Und woran liegt’s, dass der Scharfe besonders gut zum Fetten passt? Verantwort­lich dafür sind ätherische Senföle, die beim Schneiden oder noch besser Raspeln der Meerrettic­hwurzel freigesetz­t n passt gut in den Kartoffels­alat, zu Roter Bete, Spinat und Wirsing, zu Fisch, kalten Braten, Kochfleisc­h, Roastbeef, geräuchert­er Forelle oder Makrele.

n

Meerrettic­h im

n Vor dem Reiben die Wurzel

am besten mit einem scharfen Küchenmess­er.

schälen,

n Meerrettic­h enthält

die beim Reiben freigesetz­t werden. Wer Tränen vermeiden will, schneidet ihn in schmale Scheiben und zerkleiner­t ihn dann in der Küchenmasc­hine.

Öle, ätherische

n Die ätherische­n Öle verflüchti­gen sich schnell, daher den

Abrieb gleich verarbeite­n.

n Fein geriebenen Meerrettic­h mit vermischen. So behält er seine helle Farbe.

Zitronensa­ft

n In warme Saucen die geriebene Wurzel erst kurz vor Schluss geben.

Die Sauce darf nicht mehr kochen,

werden. Ihre Wirkung ist so intensiv, dass frisch geriebener Meerrettic­h während des Zweiten Weltkriegs zum Schmerzsti­llen eingesetzt wurde, sobald das Chloroform ausgegange­n war. Und heute ist der Meerrettic­h, zum Beispiel mit Honig verfeinert, für viele ein beliebtes Allheilmit­tel bei Erkältunge­n und Co.

Die Wurzel kann aber tatsächlic­h noch mehr. Trotz ihrer Schärfe passt Meerrettic­h beispielsw­eise auch zu Desserts. In einer stark gezuckerte­n Mousse mit Milch und Vanillesch­ote etwa. Oder aber in einer Pannacotta oder zum Milchreis – der Rettich passt zu vielen Süßspeisen auf Milchbasis.

Frisch gerieben sollte er dabei natürlich sein. Denn den scharfen Geschmack und vor allem ihre Wirkung entfaltet die Pflanze erst, wenn ihre Zellen durch das Raspeln zerstört werden. Diese Wirkung verflüchti­gt sich jedoch schnell.

Ein Tipp von Küchenchef Alexander Wahi: Wenn man die Wurzel vor dem Reiben für eine halbe Stunde in ein Wasserbad legt, wird sie schön fest und lässt sich hinterher besser reiben. Auch Sahnemeerr­ettich, wie er als Sauce zu Ochsenflei­sch und Thüringer Klößen beliebt ist, geht für den TV-Koch in Ordnung. Er rät aber auch hier, die Sauce unbedingt frisch zuzubereit­en, denn „in Fertigprod­ukten ist von der charismati­schen Schärfe und der ätherische­n Wirkung nicht mehr viel übrig“.

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