Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Grüne wählen Spitzenduo
Das Rechtsrock-Festival von Apolda hat zum Streit zwischen Bodo Ramelow und dem Undercover-Journalisten Thomas Kuban geführt
JENA. Die Thüringer Grünen haben Umweltministerin Anja Siegesmund und Fraktionschef Dirk Adams auf einem Parteitag zu ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im kommenden Jahr bestimmt. Die Delegierten wählten Siegesmund in Jena mit 81,7 Prozent der Stimmen auf Platz eins der Kandidatenliste für die Wahl. Adams wurde mit 82,5 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz gewählt. Beide hatten keine Gegenkandidaten. Der Parteitag war am Freitag mit einer Rede des Bundesvorsitzenden Robert Habeck gestartet. (dpa)
Seit inzwischen etwa zwei Wochen geht es nun schon hin und her: Der UndercoverJournalist Thomas Kuban und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow streiten vor dem Hintergrund des RechtsrockFestivals von Apolda über den richtigen Umgang mit solchen Veranstaltungen – und besonders heftig darum, ob die Polizei dabei deutlich härtere Mittel gegen die Neonazis einsetzen sollte, als sie das bisher getan hat. Kuban auf der einen Seite zeigt in diesem Streit große Sympathien dafür, auch mit Hilfe von Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen die Rechtsextremen vorzugehen; Ramelow hält davon nichts.
Alles in allem ist dieser Schlagabtausch durchaus bezeichnend dafür, wie wenig es unter denen, die sich gegen Neonazis und ihre Ideologie stellen, einen Konsens darüber gibt, wie mit beidem in letzter Konsequenz umzugehen ist. Denn das sowohl Ramelow als auch Kuban sich in der Vergangenheit immer wieder gegen Rechtsextreme gestellt haben, kann niemand bezweifeln. Der LinkePolitiker hat nicht nur an zahlreichen Kundgebungen gegen Neonazis teilgenommen. Er selbst erinnert regelmäßig auch daran, dass er es war, der den Neonazi Manfred Roeder 1996 bei dessen Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung festhielt, bis die Polizei kam. Kuban wiederum hat unter größter persönlicher Gefahr immer wieder verdeckt von Rechtsrock-Konzerten berichtet und der Öffentlichkeit so einen einzigartigen Einblick in die Neonazi-Szene geboten; gezeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit dort inzwischen wieder zu Mord und Totschlag aufgerufen, der Hitlergruß gezeigt wird.
Seinen Anfang hat der Streit zwischen beiden am 5. Oktober genommen; also an jenem Tag, an dem das jüngste RechtsrockFestival in Apolda begann. Kuban hatte in einem an diesem Tag erschienen Interview mit der Zeitung „Neues Deutschland“die rot-rot-grüne Landesregierung für ihren Umgang mit den Rechtsrock-Konzerten im Freistaat scharf angegriffen. „Die Polizei verfolgt dort die Straftaten in der Neonazi-Musik-Szene nur im Ausnahmefall“, hatte Kuban in dem Interview beispielsweise gesagt. Und kritisiert, dass Neonazi-Konzert von Themar im vergangenen Jahr, zu dem etwa 6000 Rechtsextreme gekommen waren, nicht durch die Beamten aufgelöst worden war, nachdem dort mutmaßlich Hunderte Besucher den Hitler-Gruß gezeigt hatten. Wäre diese Auflösung „notfalls unter Einsatz von Wasserwerfern und Schlagstöcken“erfolgt, sagte Kuban, „dann hätte das die rechtsextremistische Szene nachhaltig beeindruckt“. Niemand könne sagen, ob dann noch einmal ein solches Konzert in Thüringen angemeldet worden wäre.
Ramelow wollte das nicht auf sich und seiner Landesregierung sitzen lassen. In einem am 8. Oktober ebenfalls im „Neuen Deutschland“erschienenen Gastbeitrag wies Ramelow die Vorhaltungen Kubans zurück. Es ärgere ihn, schrieb Ramelow, „wenn es immer wieder Vorwürfe gibt, dass es den Veranstaltern von Rechtsrockkonzerten in Thüringen besonders leicht gemacht würde“. Und: Vom Einsatz von Schlagstöcken und Wasserwerfern halte er nichts. „Natürlich ekeln mich diese Konzerte an, natürlich widern mich die Inhalte an, die dort vertreten werden, und immer wieder motiviere ich Menschen, dagegen aufzustehen“, schrieb Ramelow in dem Text. „Aber was mir als Linkem ganz zuletzt einfallen würde, ist, aus dem Kampf gegen Rechtsextremismus eine paramilitärische Auseinandersetzung zu machen. Wem bitte soll das nützen?“Worauf Kuban inzwischen wiederum reagiert hat – womit klar ist, dass sich beide in dieser wie auch in anderen Detailfragen zum Umgang mit Rechtsrock ziemlich unversöhnlich gegenüber stehen. In einem Text, der mit „Keine Einsicht“überschrieben und auf einer Webseite für Dokumentarfilme erschienen ist, erklärt Kuban: „Wenn Herr Ramelow PolizeiEinsätze mit Schlagstöcken und Wasserwerfern für eine ,paramilitärische Auseinandersetzung‘ hält, dann nehme ich das einfach mal zur Kenntnis. Und wenn dem Thüringer Ministerpräsidenten der Atem stockt, weil ein Wasserwerfer- und Schlagstock-Einsatz gegen Straftaten begehende Rechtsextremisten als Notlösung erwogen wird, dann erklärt das ganz gut, warum sich Rechtsextremisten in Thüringen derart wohl fühlen, dass sie dort ihre Großevents veranstalten.“