Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Grüne wählen Spitzenduo

Das Rechtsrock-Festival von Apolda hat zum Streit zwischen Bodo Ramelow und dem Undercover-Journalist­en Thomas Kuban geführt

- VON SEBASTIAN HAAK

JENA. Die Thüringer Grünen haben Umweltmini­sterin Anja Siegesmund und Fraktionsc­hef Dirk Adams auf einem Parteitag zu ihren Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl im kommenden Jahr bestimmt. Die Delegierte­n wählten Siegesmund in Jena mit 81,7 Prozent der Stimmen auf Platz eins der Kandidaten­liste für die Wahl. Adams wurde mit 82,5 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz gewählt. Beide hatten keine Gegenkandi­daten. Der Parteitag war am Freitag mit einer Rede des Bundesvors­itzenden Robert Habeck gestartet. (dpa)

Seit inzwischen etwa zwei Wochen geht es nun schon hin und her: Der Undercover­Journalist Thomas Kuban und Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow streiten vor dem Hintergrun­d des Rechtsrock­Festivals von Apolda über den richtigen Umgang mit solchen Veranstalt­ungen – und besonders heftig darum, ob die Polizei dabei deutlich härtere Mittel gegen die Neonazis einsetzen sollte, als sie das bisher getan hat. Kuban auf der einen Seite zeigt in diesem Streit große Sympathien dafür, auch mit Hilfe von Wasserwerf­ern und Schlagstöc­ken gegen die Rechtsextr­emen vorzugehen; Ramelow hält davon nichts.

Alles in allem ist dieser Schlagabta­usch durchaus bezeichnen­d dafür, wie wenig es unter denen, die sich gegen Neonazis und ihre Ideologie stellen, einen Konsens darüber gibt, wie mit beidem in letzter Konsequenz umzugehen ist. Denn das sowohl Ramelow als auch Kuban sich in der Vergangenh­eit immer wieder gegen Rechtsextr­eme gestellt haben, kann niemand bezweifeln. Der LinkePolit­iker hat nicht nur an zahlreiche­n Kundgebung­en gegen Neonazis teilgenomm­en. Er selbst erinnert regelmäßig auch daran, dass er es war, der den Neonazi Manfred Roeder 1996 bei dessen Anschlag auf die Wehrmachts­ausstellun­g festhielt, bis die Polizei kam. Kuban wiederum hat unter größter persönlich­er Gefahr immer wieder verdeckt von Rechtsrock-Konzerten berichtet und der Öffentlich­keit so einen einzigarti­gen Einblick in die Neonazi-Szene geboten; gezeigt, mit welcher Selbstvers­tändlichke­it dort inzwischen wieder zu Mord und Totschlag aufgerufen, der Hitlergruß gezeigt wird.

Seinen Anfang hat der Streit zwischen beiden am 5. Oktober genommen; also an jenem Tag, an dem das jüngste Rechtsrock­Festival in Apolda begann. Kuban hatte in einem an diesem Tag erschienen Interview mit der Zeitung „Neues Deutschlan­d“die rot-rot-grüne Landesregi­erung für ihren Umgang mit den Rechtsrock-Konzerten im Freistaat scharf angegriffe­n. „Die Polizei verfolgt dort die Straftaten in der Neonazi-Musik-Szene nur im Ausnahmefa­ll“, hatte Kuban in dem Interview beispielsw­eise gesagt. Und kritisiert, dass Neonazi-Konzert von Themar im vergangene­n Jahr, zu dem etwa 6000 Rechtsextr­eme gekommen waren, nicht durch die Beamten aufgelöst worden war, nachdem dort mutmaßlich Hunderte Besucher den Hitler-Gruß gezeigt hatten. Wäre diese Auflösung „notfalls unter Einsatz von Wasserwerf­ern und Schlagstöc­ken“erfolgt, sagte Kuban, „dann hätte das die rechtsextr­emistische Szene nachhaltig beeindruck­t“. Niemand könne sagen, ob dann noch einmal ein solches Konzert in Thüringen angemeldet worden wäre.

Ramelow wollte das nicht auf sich und seiner Landesregi­erung sitzen lassen. In einem am 8. Oktober ebenfalls im „Neuen Deutschlan­d“erschienen­en Gastbeitra­g wies Ramelow die Vorhaltung­en Kubans zurück. Es ärgere ihn, schrieb Ramelow, „wenn es immer wieder Vorwürfe gibt, dass es den Veranstalt­ern von Rechtsrock­konzerten in Thüringen besonders leicht gemacht würde“. Und: Vom Einsatz von Schlagstöc­ken und Wasserwerf­ern halte er nichts. „Natürlich ekeln mich diese Konzerte an, natürlich widern mich die Inhalte an, die dort vertreten werden, und immer wieder motiviere ich Menschen, dagegen aufzustehe­n“, schrieb Ramelow in dem Text. „Aber was mir als Linkem ganz zuletzt einfallen würde, ist, aus dem Kampf gegen Rechtsextr­emismus eine paramilitä­rische Auseinande­rsetzung zu machen. Wem bitte soll das nützen?“Worauf Kuban inzwischen wiederum reagiert hat – womit klar ist, dass sich beide in dieser wie auch in anderen Detailfrag­en zum Umgang mit Rechtsrock ziemlich unversöhnl­ich gegenüber stehen. In einem Text, der mit „Keine Einsicht“überschrie­ben und auf einer Webseite für Dokumentar­filme erschienen ist, erklärt Kuban: „Wenn Herr Ramelow PolizeiEin­sätze mit Schlagstöc­ken und Wasserwerf­ern für eine ,paramilitä­rische Auseinande­rsetzung‘ hält, dann nehme ich das einfach mal zur Kenntnis. Und wenn dem Thüringer Ministerpr­äsidenten der Atem stockt, weil ein Wasserwerf­er- und Schlagstoc­k-Einsatz gegen Straftaten begehende Rechtsextr­emisten als Notlösung erwogen wird, dann erklärt das ganz gut, warum sich Rechtsextr­emisten in Thüringen derart wohl fühlen, dass sie dort ihre Großevents veranstalt­en.“

 ??  ?? Ein Rechtsrock-Konzert auf dem Marktplatz von Apolda wurde im Oktober vorzeitig beendet. Bei Flaschenwü­rfen aus den Reihen wartender Neonazis wurden mehrere Beamte verletzt. Foto: Kai Mudra
Ein Rechtsrock-Konzert auf dem Marktplatz von Apolda wurde im Oktober vorzeitig beendet. Bei Flaschenwü­rfen aus den Reihen wartender Neonazis wurden mehrere Beamte verletzt. Foto: Kai Mudra

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