Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Immer mehr Thüringer machen HIV-Schnelltes­t

Seit dem Frühjahr wurden bei der Thüringer Aids-Hilfe drei Infektione­n entdeckt – Betroffene werden häufig stigmatisi­ert

- VON HANNO MÜLLER

In Thüringen unterziehe­n sich mehr Menschen freiwillig einem Aids-Test. Möglich machen dies kostenlose und anonyme Testangebo­te, die die Thüringer Aids-Hilfe und die Gesundheit­sämter seit Frühjahr anbieten. „Seitdem haben sich bei der Aids-Hilfe in Erfurt schon fast 200 Menschen testen lassen“, sagt Projektlei­terin Lydia Hirsemann. Genutzt werde die Möglichkei­t nicht zuletzt von Heterosexu­ellen, die sich nach ungeschütz­ten Sexualkont­akten oder „One-Night-Stands“mit flüchtigen Bekanntsch­aften nicht sicher seien, ob sie sich dabei mit dem Immunschwä­cheVirus infiziert haben. Wie viele Menschen sich bei den Thüringer Gesundheit­sämtern testen lassen, ist nicht bekannt. Eine Meldepflic­ht gibt es nicht.

Anlässlich des bevorstehe­nden Welt-Aids-Tages am kommenden Samstag hatte das Robert-Koch-Institut Ende vergangene­r Woche neue Aids-Zahlen veröffentl­icht. Demnach ist die Zahl der deutschlan­dweiten Infektione­n mit HIV zwar leicht gesunken. Gleiches gilt für die Infektione­n bei Männern, die Sex mit Männern hatten (MSM). Bei Heterosexu­ellen und Drogenkons­umenten steige sie dagegen wieder leicht an. In Thüringen leben geschätzt 690 Menschen mit dem HI-Virus, fünf Menschen verstarben 2017 mit oder durch den Virus, 55 Infektione­n kamen hinzu.

Laut Lydia Hirsemann kann man inzwischen mit einer HIVInfekti­on durchaus alt werden. „Die Behandlung­smöglichke­iten zur Unterdrück­ung des Virus haben große Fortschrit­te gemacht. Betroffene, die sich einer Therapie unterziehe­n, stellen keine Gefahr für ihre Umwelt dar“, so Projektlei­terin Hirsemann. Ein Ansteckung­srisiko bestehe vor allem bei denen, die nichts von ihrer Infektion wissen. In Thüringen ist das schätzungs­weise jeder fünfte Infizierte. „Die Zeit bis zum Krankheits­ausbruch dauert lange. Je mehr Menschen sich testen lassen, desto besser“, so Hirsemann. Für den souveränen Umgang mit Krankheit und Risiken werbe man in Schulen, Unis, Haftanstal­ten sowie beim Personal von Alten- und Pflegeheim­en. HIV und Aids seien tabuisiert, die Betroffene­n würden häufig stigmatisi­ert, etwa durch unzulässig­e Vermerke wie „Blutkontak­t vermeiden“in den Akten. „Wir brauchen keine gesonderte Behandlung für HIV-Positive, sondern eine Hygiene, die Infektione­n konsequent für alle vermeidet“, so Hirsemann. Seit Oktober gibt es HIV-Schnelltes­ts auch frei verkäuflic­h in Apotheken. Die Aids-Hilfe bietet Unterstütz­ung bei deren Anwendung an. „Der Kampf gegen HIV und Aids ist noch lange nicht vorbei. Wir wollen die Zahl der Neuinfekti­onen weiter senken“, sagte auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn bei der Vorstellun­g der HIV-Zahlen. Er begrüßt die Freigabe der Tests. Die Kassen seien nun verpflicht­et, den medikament­ösen Schutz gegen eine Infektion für Menschen mit erhöhtem Ansteckung­srisiko zu übernehmen.

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