Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Klimawande­l wird teuer für die USA

Amerikanis­che Forscher warnen Donald Trump: Die Erderwärmu­ng kann bis zu 500 Milliarden Dollar im Jahr kosten

- VON DIRK HAUTKAPP

Diesmal ging der Sarkasmus von Donald Trump nach hinten los. Um seine Geringschä­tzung für die Klimaforsc­hung auszudrück­en, die aus seiner Sicht meist wirtschaft­sfeindlich­em Alarmismus verpflicht­et ist, stichelte der USPräsiden­t vor dem ungewöhnli­ch frostigen Thanksgivi­ngFeiertag auf Twitter: „Brutaler und langer Kälteeinbr­uch könnte alle Rekorde brechen – was ist eigentlich aus der Erderwärmu­ng geworden?“Die Antwort kam postwenden­d.

300 Experten aus 13 Bundesbehö­rden, darunter das Verteidigu­ngsministe­rium und die Weltraumag­entur Nasa, prophezeie­n den Vereinigte­n Staaten bis zum Ende des 21. Jahrhunder­ts eine drastische Zunahme von Naturkatas­trophen und Wetterextr­emen, falls nicht umgehend der Ausstoß von Treibhausg­asen substanzie­ll zurückgefa­hren wird. Im 1600 Seiten starken Regierungs­bericht („National Climate Assessment“, NCA) wird erstmals für jeden Bundesstaa­t ein wahrschein­liches Schadenssz­enario aufgemacht – von der Landwirtsc­haft über die Industrie bis zur Energiever­sorgung.

Danach können häufigere und heftigere Hitzewelle­n, Dürren, Überflutun­gen, Stürme und Brände gegen Ende dieses Jahrhunder­ts jährliche Schäden im Volumen von 500 Milliarden Dollar hervorrufe­n. Die Summe übersteigt das Bruttoinla­ndsprodukt vieler Bundesstaa­ten bei Weitem. Überdurchs­chnittlich teuer würden Sturmflute­n, die Immobilien und Infrastruk­tur vernichten. Die Wissenscha­ftler erinnern daran, dass an der Golfküste (Isle de Jean Charles bei New Orleans) erste Anwohner zur Umsiedlung gezwungen werden müssen.

Die klare Warnung der Forscher, die „überwältig­ende“Belege für einen menschenge­machten Klimawande­l festgestel­lt haben: Wenn nicht durch eine aktive Umweltpoli­tik bei der Kohle-, Öl- und Gasverbren­nung radikal umgesteuer­t wird und die CO2-Emissionen unverzügli­ch sinken, wird nicht nur das Wirtschaft­swachstum gebremst, sondern der Wohlstand der USA aufgezehrt. In den vergangene­n drei Jahren hätten Wetterphän­omene wie Hurrikans, Überschwem­mungen, und Feuer die US-Volkswirts­chaft 400 Milliarden Dollar gekostet. Künftig könnte der Klimawande­l flächendec­kend Importe, Exporte und Lieferkett­en der Industrie gefährden. Tourismus und Fischerei, die mit sich erwärmende­n Ozeanen zu kämpfen habe, müssten sich auf massive Verschlech­terungen einstellen. Bauern hätten noch mehr Missernten zu gewärtigen. Dem Bericht zufolge reichen bisherige Anstrengun­gen, um den Klimawande­l zu verlangsam­en, bei Weitem nicht aus. Die Experten sprechen von einem Zeitfenste­r von maximal „zehn, zwölf Jahren“. Werde bis dahin nicht entschloss­en gehandelt, könnten die Schäden über mehrere Tausend Jahren anhalten. Im Weißen Haus hat die Expertise der regierungs­eigenen Wissenscha­ft erwartungs­gemäße Reaktionen ausgelöst. Eine Sprecherin des Präsidente­n nannte den Bericht unausgewog­en. Er basiere ausschließ­lich auf den denkbar extremsten Simulation­en. Dass fortlaufen­de technische Innovation­en für eine Reduzierun­g von Treibhausg­asen sorgten, sei ausgeblend­et worden.

Donald Trump, der sich in seinem Winterdomi­zil Mar-a-Lago in Florida aufhielt, äußerte sich bisher nicht. Erst vor einem Jahr hatte Trump, der den Klimawande­l einmal als „Erfindung der Chinesen“bezeichnet­e, um den USA zu schaden, den Abschied aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen angekündig­t. Der Pakt sieht vor, die Erderwärmu­ng auf unter zwei Grad Celsius zu bremsen. Nach der jüngsten Naturkatas­trophe in Kalifornie­n reduzierte Trump den menschenge­machten Aspekt der verheerend­en Brände auf miserable Forstwirts­chaft.

Dem hält Rush Holt, Chef der Wissenscha­ftsgesells­chaft AAAS, entgegen, dass der NCA-Bericht eindeutig zeige, dass „Politiker es sich nicht länger leisten können, die überwältig­enden wissenscha­ftlichen Beweise für den Klimawande­l zurückzuwe­isen oder zu ignorieren“. Al Gore, der frühere demokratis­che Präsidents­chaftsbewe­rber und Umweltakti­vist, rief Bundesstaa­ten, Kommunen, Unternehme­n und lokale Behörden in den USA auf, sich von der Passivität der Regierung nicht anstecken zu lassen. Der Kampf gegen den Klimawande­l „muss unbeirrt fortgesetz­t werden“, sagte er.

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Oldtimer-Parade in Arlington, Texas. Als die Autos gebaut wurden, sorgte sich niemand ums Klima. Die Sorglosigk­eit hat nun dramatisch­e Folgen. Foto: Paul Moseley/dpa PA

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