Thüringische Landeszeitung (Gotha)
AfD-Nachwuchs vor der Spaltung?
An diesem Montag berät der Parteivorstand über die Zukunft der „Jungen Alternative“
Sie gilt als Kaderschmiede der Partei und gut vernetzt in der neurechten Szene: die Junge Alternative (JA), die Jugendorganisation der AfD. Doch nach erbitterten Richtungskämpfen und unter Druck durch den Verfassungsschutz steht die AfD-Jugend möglicherweise vor der Spaltung – wenn sie nicht vorher durch die Mutterpartei AfD aufgelöst wird. Eine besonders dramatische Lagebeschreibung kam dabei in der vergangenen Woche aus der AfD-Jugend selbst: Der Landesverband Baden-Württemberg sei durchzogen von „sektenartigen Strukturen“und engen Verbindungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung, hieß es in einer Erklärung, in der mehr als 30 Mitglieder des Landesverbands ihren Austritt erklärten. Eswarennichtnurdiehinteren Reihen, die da aus Protest ihren Hut nahmen: Fünf der Unterzeichner waren im Landesvorstand der AfD-Jugend gewesen, einer von ihnen, Moritz Brodbeck, sogar in der Spitze des Bundesverbands. Doch selbst aus dieser Position heraus, so der Tenor, sahen sie keine Möglichkeit mehr, die Richtung der Organisation zu ändern – zu verderbt sei die Junge Alternative. Man werde sich deshalb dem Aufbau einer neuen, der AfD verbundenen Jugendorganisation widmen.
Wenige Tage später kündigte Alexander Leschik, Mitglied des Bundesvorstands der Jugendorganisation, gegenüber dem Magazin „Vice“an, dass er und zwei weitere Mitglieder des Gremiums zurücktreten wollen – und ihren Landesverband NRW wollen sie dem Bericht zufolge auch zum Austritt aus der Bundesvereinigung bewegen. Nicolai Boudaghi, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, wenn die AfD-Jugend der AfD schade, „dann muss sie weg“. Der Landesverband dementierte umgehend auf Facebook, es gebe „keine endgültige Entscheidung der JA NRW“.
„Wir müssen uns zunächst ein klares Bild der Lage verschaffen.“Georg Pazderski, Mitglied im Bundesvorstand der AfD
Vertreter aus den östlichen Landesverbänden wiesen den Vorschlag einer Neugründung zurück. Offiziell hält sich der Bundesvorstand nach außen hin bedeckt.
Der Zeitpunkt der Zerfallserscheinungen ist kein Zufall: Der Eklat in Baden-Württemberg kam, kurz nachdem der dortige Landesverfassungsschutz erklärt hatte, die AfD-Jugend wegen Anhaltspunkten für „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“beobachten zu wollen. Es war – nach Bremen und Niedersachsen – bereits der dritte Landesverband der Nachwuchsorganisation, der ins Visier des Geheimdienstes geriet. Zumindest der niedersächsische Verband, dessen Landeschef besonders enge Verbindungen zur Identitären Bewegung hatte, wurde daraufhin aufgelöst. Doch ob das der Mutterpartei reicht, ist offen. Denn auch die AfD steht möglicherweise vor einer Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst.
In den vergangenen Monaten haben die Verfassungsschützer der Länder zusammengetragen, was sie an Informationen zur neuesten Partei im Bundestag haben. Bis zum Jahreswechsel soll auf dieser Grundlage entschieden werden, ob die Partei, in der immer wieder Mitglieder und Funktionsträger mit geschichtsrevisionistischen und rassistischen Aussagen aufgefallen sind, beobachtet werden soll.
Eine Jugendorganisationen, deren Gliederungen nach und nach vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist da nicht hilfreich. Der AfD-Bundesvorstand will deshalb bei einer Telefonkonferenz am Montag über die Zukunft der Jugendorganisation in der Partei sprechen. Georg Pazderski, Chef der Berliner AfD und Mitglied im Bundesvorstand der Partei, warnte am Sonntag vor vorschnellen Urteilen über die gesamte Jugendorganisation. „Wir müssen uns zunächst ein klares Bild der Lage verschaffen“, sagte Pazderski über die Überlegungen der Parteispitze. Man habe deshalb um zusätzliche Informationen aus einzelnen Landesverbänden gebeten.
„Die werden eine maßgebliche Grundlage für unsere Entscheidung und unser weiteres Vorgehen sein“, sagte Pazderski unserer Redaktion. Für eine tatsächliche Ablösung der AfD-Jugend von der AfD müsse auf einem Parteitag eine Entscheidung mit Zwei-Drittel-Mehrheit fallen, erklärte er. „Es gibt allerdings noch andere Maßnahmen, die der Bundesvorstand ergreifen könnte, zum Beispiel in der Frage der finanziellen Unterstützung.“
Dass eine Auflösung der AfDJugend auch mit einer Kurskorrektur der zunehmend radikaleren Mutterpartei einhergeht, daran zweifeln Beobachter. Hajo Funke, Experte für Rechtsextremismus an der Freien Universität Berlin, sieht in einer möglichen Auflösung der Nachwuchsorganisation eine „Panikreaktion“– aus Angst vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
Bislang habe es einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Flügeln der AfD gegeben, sagte Funke unserer Redaktion. „Man hat die Radikalen solange laufen lassen, wie es geht, sich aber gleichzeitig bürgerlich gegeben.“Dieses Konzept gehe durch den zunehmenden Druck von außen nun nicht mehr auf. Der Politikwissenschaftler hält eine taktische Distanzierung der AfD vom Nachwuchs für möglich. „Aber das sind reine Showmaßnahmen, alles für die Öffentlichkeit.“
Sollte die AfD-Jugend tatsächlich von der AfD gelöst werden, haben die Mitglieder bereits ein Angebot für eine neue politische Heimat: von den Jungen Nationalisten, der Nachwuchsorganisation der NPD. „Meldet euch!“, hieß es auf deren Twitter-Account.