Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Der Soundtrack der Sonntage
Deutschland, ein Wintermärchen. Passend zu den ersten kalten Tagen beginnt der weiße Marathon im Fernsehen. Innsbruck, Tomakomai, Lake Louise. Und Ruka natürlich, was kein hippes Salatgericht ist, sondern ein Ort in Finnland, wo die Sonne jetzt schon nachmittags kurz nach zwei untergeht. Schnelle Ski und Telemark, gestürzte Rodler und Langläufer, die die Anstiege hinaufstürmen als hätten sie keine Bretter an den Füßen, sondern Kipchoges Wunderschuh.
Die Bilder fließen ineinander, man muss immer mal oben in die Bildschirmecke blinzeln, um sich zu erinnern, von wo denn gerade gesendet wird. Meist ist es Weltcup, manchmal Qualifikation. Und irgendwann Weltmeisterschaft. Mal ist es Europa, mal Übersee, gekonnt in Szene gesetzt. Doch gibt es kaum noch Unterscheidbares. Eine Schanze ist heutzutage eine Schanze. Genormter Anlauf, genormte Banden rechts und links. Die Langlaufstadien: austauschbar. Mit Springern und Läufern und Kufenpiloten als verspiegelten Uniformierten des Winters.
Kriegen Sie noch alle Sieger des Wochenendes zusammen? Es fällt schwer. Manchmal geht die Klasse in der Masse verloren. Bis zu zehn Stunden Sendezeit bieten Raum für jeden und alles. Trotzdem schaut man zu. Oder besser: nimmt wahr. Der Wintersport im Fernsehen ist der wärmende Soundtrack der Sonntagnachmittage, das freundliche Gegenstück zum virtuellen Kaminfeuer. Denn er holt uns ins Haus, was wir alljährlich aufs Neue so schmerzlich vermissen: den Schnee unserer Kindheit.