Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Abwehr als Hühnerhauf­en

Beim 4:5-Spektakel gegen Unterhachi­ng erweist sich die Jenaer Defensive als nicht drittligat­auglich

- VON MICHAEL ULBRICH

Torsten Scherer hat es sich bequem gemacht. Der treueste aller treuen Fans des FC Carl Zeiss Jena darf gegen Unterhachi­ng direkt neben der Trainerban­k auf einem Sponsorens­ofa Platz nehmen. Ein neues Kniegelenk hat Scherer gerade erhalten. Ausfallzei­t: null Wochen. Scherer ist immer da. Selbst die Gehhilfen hat er mit dem FCC-Emblem beklebt. Was er am Samstagnac­hmittag dann aber hautnah erleben muss, dieses spektakulä­re 4:5, lässt den Zeulenroda­er nur mit dem Kopf schütteln: „Sinnlos!“

Mark Zimmermann, der Jenaer Trainer, rang ebenso nach den passenden Worten. „Unterhachi­ng ist nicht unsere Kragenweit­e“, sagt er. Und: „Unsere Defensivle­istung war nicht drittligat­auglich“. Da nützte es wenig, dass Hachings Trainer Claus Schromm hernach den mutigen Auftritt der Gastgeber lobte, ihnen attestiert­e „ein geiler Haufen“zu sein. Wobei Haufen nicht despektier­lich gemeint sei, eher die sprichwört­liche mannschaft­liche Geschlosse­nheit näher beschreibe.

Noch Glück hätten seine Jenaer gehabt, dass die Hachinger nicht noch höher gewonnen haben, bemerkt dagegen Zimmermann. „Die schießen ja noch viermal ans Aluminium“, sagt er. Dazu hätte sich Guillaume Cros nicht beschweren dürfen, nach seinem Tritt gegen die Brust von Luca Marseiler nicht mit Rot vom Feld geflogen zu sein. Einen Elfmeter hätte es obendrein gegeben (30.). Zu langsam – im Kopf und auf den Beinen – waren die Zeiss-Kicker an diesem Nachmittag. So, das stellt Zimmermann klipp und klar, werde man am Saisonende absteigen. Die Gegentore sind allesamt auf eigenem Mist gewachsen: Bei einem Freistoß von Sascha Bigalke konnte Marc Endres fast unbewacht sechs Meter vor dem Tor einschieße­n (16.). Danach drehte Jena die Partie: Erst Dominik Bock wuchtig aus spitzem Winkel (36.), dann Phillip Tietz mit Kopfballbo­genlampe (42.). So weit, so gut. Wenn da nicht zwölf Sekunden nach dem Treffer die Hachinger zurückschl­agen durften. Über die rechte Seite lief der Angriff, den Stephan Hain mit seinem ersten Tor ins Eck abschloss (43.). Dilettanti­sch!

Doch der FCC war im Spiel. „Wir haben auch in der Pause angesproch­en, dass wir enger an den Leuten stehen müssen. Wenn man Unterhachi­ng Raum gibt, dann nutzen die den auch“, sagt Kapitän René Eckardt. Und zunächst sah es alles ganz gut aus: Julian Günther-Schmidt spielte den Doppelpass mit Hachings Alexander Winkler – und nahm den halbhohen Rebound direkt, zirkelte ihn traumhaft in den Winkel: 3:2 (54.).

Es folgte die Hain-Show, bei der Jenas Abwehr blöd aussah: Doppelschl­ag (60., 63.). Plötzlich lagen die Gäste 4:3 vorn. Jena im Glück, weil Gästekeepe­r Lukas Königshofe­r dem gerade eingewechs­elten Felix Brügmann das Leder servierte, der zum 4:4 ins leere Tor einschoss (70.). Jena im Pech, weil Lucas Hufnagel mit Wucht die letzte Führung des Tages erzielte: 5:4 (81.). Wieder erwies sich Jenas Abwehr als Hühnerhauf­en. Und Torsten Scherer? Der schüttelte weiter ungläubig mit dem Kopf. Zum letzten Mal, dass er so etwas erlebt habe, das sei im November 1983 gewesen. Jena verlor gegen Stahl Riesa daheim mit 4:6. Es war das erste Oberliga-Spiel nach der Entlassung von Hans Meyer. Scherer weiß es noch. „Sinnlos!“

 ?? Foto: Tino Zippel ?? Zeiss-Stürmer Phillip Tietz (in Weiß) versucht sich energisch gegen Marc Endres durchzuset­zen.
Foto: Tino Zippel Zeiss-Stürmer Phillip Tietz (in Weiß) versucht sich energisch gegen Marc Endres durchzuset­zen.

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