Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Kombi-Mittel gegen Bluthochdruck
Bei fast jedem dritten Betroffenen schlägt die Therapie nicht an. Eine OP könnte künftig helfen
Jeder zweite Herzinfarkt und Schlaganfall sowie jedes fünfte Nierenversagen ist eine Folge von Bluthochdruck. Deshalb hat ihn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als größte globale Gesundheitsgefahr eingestuft. Doch beim 42. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Hochdruckliga in Berlin stellten die Experten jetzt fest: Obwohl laut RobertKoch-Institut 20 bis 30 Millionen Deutsche Bluthochdruck haben, wissen viele Menschen nichts davon, weil sie keine Symptome verspüren. Oder sie tun die erhöhten Werte als „Wehwehchen“ab.
28 Prozent derjenigen, die behandelt werden, schaffen es trotz Therapie nicht, den erhöhten Blutdruck in den empfohlenen Bereich zu senken. Dabei können laut einer neuen europäischen Leitlinie neue Fixdosis-Kombipräparate helfen, also Tabletten, die zwei bis drei blutdrucksenkende Substanzen wie etwa ACE-Hemmer und Kalziumantagonisten enthalten. „Wenn ein Patient eine Tablette verschrieben bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er das Medikament wie verordnet einnimmt, deutlich höher, als wenn er mehrere Tabletten einnehmen muss“, sagt Professor Bernhard Krämer aus Frankfurt, Vorstandsvorsitzender der Hochdruckliga. Viele Kombinationspräparate hätten weniger Nebenwirkungen, da die Wirkstoffe darin niedrig dosiert kombiniert würden. Allerdings können die Tabletten die Kosten der bisher verabreichten Medikamente um das Zwei- bis Dreifache überschreiten. Gespräche mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sollen jetzt dazu führen, dass die Kombipräparate schnellstmöglich verschrieben werden können.
Den Spezialisten der Hochdruckliga ist bewusst, dass sich Fälle wiederholen können, in denen Chargen von Blutdrucksenkern während der Produktion verunreinigt werden und deshalb aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Dies war im Juli 2018 bei bestimmten, valsartanhaltigen Arzneimitteln der Fall. Aus Angst vor Krebs hatten daraufhin viele Patienten die Blutdruckmedikation einfach weggelassen. „Das darf auf keinen Fall geschehen, am besten die Medikamente in die Apotheke oder zum behandelnden Arzt bringen und sich beraten lassen“, rät Bernhard Krämer. Rückrufaktionen sollen durch ein neues „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“verbessert werden.
„Die rote Linie für Bluthochdruck liegt weiterhin bei einem Wert von 140/90 mm HG (Millimeter Quecksilbersäule) – das besagt die neue Leitlinie der europäischen Gesellschaften für Hypertonie und Kardiologie“, erklärt Professor Helmut Geiger, Tagungspräsident des Kongresses. Wer diese Linie überschreitet, riskiert eine chronische Herzerkrankung und Schäden an den Nieren. Lässt sich der Blutdruck nicht durch einen gesunden Lebensstil und Medikamente in den Griff bekommen, so können bei einem minimal invasiven Eingriff die Stressnervenenden in den Nierenarterien verödet werden.
„Diese Operation, renale Denervation genannt, darf bisher nur in Studien durchgeführt werden. Wir sehen aber, dass der Effekt dem eines medikamentösen Blutdrucksenkers entspricht“, erläutert Professor Joachim Weil, Kardiologe und Chefarzt an den Sana-Klinken Lübeck. Diese Ergebnisse werden derzeit überprüft. Und Joachim Weil hofft, dass die renale Denervation künftig einen festen Platz im Therapiealltag einnehmen wird.