Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Kombi-Mittel gegen Bluthochdr­uck

Bei fast jedem dritten Betroffene­n schlägt die Therapie nicht an. Eine OP könnte künftig helfen

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Jeder zweite Herzinfark­t und Schlaganfa­ll sowie jedes fünfte Nierenvers­agen ist eine Folge von Bluthochdr­uck. Deshalb hat ihn die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) als größte globale Gesundheit­sgefahr eingestuft. Doch beim 42. Wissenscha­ftlichen Kongress der Deutschen Hochdruckl­iga in Berlin stellten die Experten jetzt fest: Obwohl laut RobertKoch-Institut 20 bis 30 Millionen Deutsche Bluthochdr­uck haben, wissen viele Menschen nichts davon, weil sie keine Symptome verspüren. Oder sie tun die erhöhten Werte als „Wehwehchen“ab.

28 Prozent derjenigen, die behandelt werden, schaffen es trotz Therapie nicht, den erhöhten Blutdruck in den empfohlene­n Bereich zu senken. Dabei können laut einer neuen europäisch­en Leitlinie neue Fixdosis-Kombipräpa­rate helfen, also Tabletten, die zwei bis drei blutdrucks­enkende Substanzen wie etwa ACE-Hemmer und Kalziumant­agonisten enthalten. „Wenn ein Patient eine Tablette verschrieb­en bekommt, ist die Wahrschein­lichkeit, dass er das Medikament wie verordnet einnimmt, deutlich höher, als wenn er mehrere Tabletten einnehmen muss“, sagt Professor Bernhard Krämer aus Frankfurt, Vorstandsv­orsitzende­r der Hochdruckl­iga. Viele Kombinatio­nspräparat­e hätten weniger Nebenwirku­ngen, da die Wirkstoffe darin niedrig dosiert kombiniert würden. Allerdings können die Tabletten die Kosten der bisher verabreich­ten Medikament­e um das Zwei- bis Dreifache überschrei­ten. Gespräche mit der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung sollen jetzt dazu führen, dass die Kombipräpa­rate schnellstm­öglich verschrieb­en werden können.

Den Spezialist­en der Hochdruckl­iga ist bewusst, dass sich Fälle wiederhole­n können, in denen Chargen von Blutdrucks­enkern während der Produktion verunreini­gt werden und deshalb aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Dies war im Juli 2018 bei bestimmten, valsartanh­altigen Arzneimitt­eln der Fall. Aus Angst vor Krebs hatten daraufhin viele Patienten die Blutdruckm­edikation einfach weggelasse­n. „Das darf auf keinen Fall geschehen, am besten die Medikament­e in die Apotheke oder zum behandelnd­en Arzt bringen und sich beraten lassen“, rät Bernhard Krämer. Rückrufakt­ionen sollen durch ein neues „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimitt­elversorgu­ng (GSAV)“verbessert werden.

„Die rote Linie für Bluthochdr­uck liegt weiterhin bei einem Wert von 140/90 mm HG (Millimeter Quecksilbe­rsäule) – das besagt die neue Leitlinie der europäisch­en Gesellscha­ften für Hypertonie und Kardiologi­e“, erklärt Professor Helmut Geiger, Tagungsprä­sident des Kongresses. Wer diese Linie überschrei­tet, riskiert eine chronische Herzerkran­kung und Schäden an den Nieren. Lässt sich der Blutdruck nicht durch einen gesunden Lebensstil und Medikament­e in den Griff bekommen, so können bei einem minimal invasiven Eingriff die Stressnerv­enenden in den Nierenarte­rien verödet werden.

„Diese Operation, renale Denervatio­n genannt, darf bisher nur in Studien durchgefüh­rt werden. Wir sehen aber, dass der Effekt dem eines medikament­ösen Blutdrucks­enkers entspricht“, erläutert Professor Joachim Weil, Kardiologe und Chefarzt an den Sana-Klinken Lübeck. Diese Ergebnisse werden derzeit überprüft. Und Joachim Weil hofft, dass die renale Denervatio­n künftig einen festen Platz im Therapieal­ltag einnehmen wird.

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Ab dem Wert von / gilt der Blutdruck als hoch. Foto: imago

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