Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Rot-Rot-Grün streitet um Frauenquote bei Wahlen
SPD-Fraktion bei Paritätsgesetz trotz Parteitagsbeschluss weiterhin skeptisch
Die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen streiten um ein Paritätsgesetz. Damit soll vorgeschrieben werden, das Listen bei Landtags- und Kommunalwahlen künftig abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt sein müssen. Doch während Grüne und Linke den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause im kommenden Jahr verabschieden möchte, gibt es in der SPD-Fraktion kritische Stimmen. Trotz des jüngsten Parteitagsbeschlusses, der sich für ein Paritätsgesetz stark macht, gebe es Vorbehalte in der Fraktion, sagte die SPD-Innenpolitikerin Dorothea Marx dieser Zeitung. Sie selbst wünscht sich, dass ihre Abgeordnetenkollegen den Weg für ein solches Gesetz frei machen. „Das wäre ein wichtiges Signal“, sagt sie.
„Es ist uns ein Kernanliegen, die Benachteiligung von Frauen weiter abzubauen und ihre Gleichstellung im politischen Bereich so weitgehend wie möglich zu verwirklichen“, sagt auch Anja Müller, Sprecherin für Bürgerbeteiligung der Linke-Fraktion. Grünen-Fraktionschef Dirk Adams ist ebenfalls der Überzeugung, dass die Zeit längst reif ist, um Frauen mehr Chancen in Parlamenten einzuräumen. Nach einem Gutachten, dass die Grünen-Fraktion in Auftrag gegeben hat, muss der aktuelle Gesetzentwurf zwar an der einen oder anderen Stelle noch nachgebessert werden, aber anschließende könnte er im Frühjahr in den Landtag eingebracht werden. Das Ganze sei „entscheidungsreif“, sagte Adams und erinnerte die SPD daran, dass ein Paritätsgesetz auch im rot-rotgrünen Koalitionsvertrag verankert sei.
Unter den fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben bislang nur CDU und AfD keine paritätisch besetzten Listen.
Dorothea Marx wirft einen Blick nach Frankreich. Dort habe man im Zuge der Reform der Departements Doppelspitzen geschaffen. Die in etwa mit Landkreisen vergleichbaren Verwaltungsbezirke würden nun von einer Frau und einem Mann geführt. „Das ist natürlich charmant“, sagt die SPD-Innenpolitikerin. Aber so weit sei man in Thüringen noch lange nicht. Und ausgerechnet Marx‘ Fraktion steht auf der Bremse.
Im Freistaat wird lediglich darüber diskutiert, ob bei Landtagsund Kommunalwahlen die Kandidatenlisten gegendert werden sollen. Die Grünen haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt und die Linken einige juristische Anmerkungen gemacht. Beide sind der Ansicht, dass die Zeit reif ist für ein Paritätsgesetz. Bei der SPD sieht man das allerdings anders. Immerhin gebe man damit ein Alleinstellungsmerkmal auf. Wenn beispielsweise CDU und AfD sich weigerten, ihre Listen abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, sei das doch deren Sache. Bei den Koalitionsfraktionen wird die Parität seit Langem vorgelebt.
Aktuell ergibt sich im Parlament folgendes Bild: Während es bei Linken (14:14) und Grünen (3:3) Fifty-Fifty zugeht, hat bei der SPD mit 7:5 sogar das weibliche Geschlecht die Oberhand. Von den 34 CDU-Abgeordneten sind dagegen gerade einmal elf Frauen (32 Prozent). Die AfD hat acht Mandate, aber nur zwei Parlamentarierinnen (25 Prozent). Wenn man bedenkt, dass dem Landesamt für Statistik zufolge 2017 etwas mehr als 50 Prozent der Thüringer Bevölkerung Frauen waren, besteht also durchaus Verbesserungsbedarf.
„Es ist eine Frage an die Männer, ob wir das ausgewogene Geschlechterverhältnis der Gesellschaft auch in den Parlamenten repräsentiert haben wollen“, sagt Grünen-Fraktionschef Dirk Adams. „Meine Partei will das“, betont er.
Die Linke-Abgeordnete Anja Müller sieht in dem Gesetz ein wichtiges rechtliches Mittel, um Frauen diskriminierende Mechanismen im politischen Alltag zu durchbrechen hin zu einer tatsächlichen Gleichstellung der Frauen in den Parlamenten. „Wir werden mit unseren Koalitionspartnern an der möglichst zeitnahen Durchsetzung des Vorhabens unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben arbeiten“, so Müller.
Die Grünen haben in der Zwischenzeit ein Gutachten erarbeiten lassen, um rechtliche Schwierigkeiten auszuräumen. So sollen Wahlvorschläge nur bis zu dem Listenplatz zugelassen werden, mit dessen Besetzung die Vorgaben zur paritätischen Besetzung mit Männern und Frauen noch erfüllt sind.
Das dritte oder diverse Geschlecht soll auf einem Männerbeziehungsweise Frauenplatz antreten können. Entgegen der SPD-Fraktion hat sich die Partei bei ihrem jüngsten Delegiertentreffen bereits für eine paritätische Wahlliste ausgesprochen. Nur in Ausnahmefällen könnten auch die den Frauen vorbehaltenen Listenplätze mit Männern besetzt werden, falls sich nicht genügend Kandidatinnen zur Wahl stellen, heißt es. Gleiches gelte andersherum. Das Geschlecht, das unter den Mitgliedern einer Partei in der Minderheit sei, müsse mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis auf der Liste vertreten sein.
Bis Januar hätten die Sozialdemokraten zugesagt, abschließend ein Urteil zu fällen, sagt Adams. Für ihn ist die anhaltende Debatte schwer nachvollziehbar. Immerhin habe man sich im Koalitionsvertrag doch auf ein solches Gesetz verständigt, sagt er. Deshalb hält der Grüne am bisherigen Zeitplan fest: Noch vor der Sommerpause, so hofft Adams, könnte das Paragrafenwerk vom Landtag verabschiedet werden. Da die Aufstellung der Listen für die Kommunal- und die Landtagswahlen im kommenden Jahr aber bereits in vollem Gange sind, wird das Gesetz darauf noch keine Auswirkungen haben. Es greift erst ab 2024.