Thüringische Landeszeitung (Gotha)

So prüfen Mieter ihre Nebenkoste­n

Müllgebühr­en, Versicheru­ngen, Heizung: Die Abrechnung strotzt vor Zahlen. Es lohnt sich, diese einzeln zu kontrollie­ren

- VON KAI WIEDERMANN

Es ist eine Bleiwüste, die mindestens Respekt einflößt: Kosten, Verteilers­chlüssel, Anteile – Zahlen, Zahlen, Zahlen. Wer versucht, die Betriebsko­stenabrech­nung seines Vermieters nachzuvoll­ziehen, braucht starke Nerven. Experten raten aller Komplexitä­t zum Trotz zu Tatkraft und Sorgfalt. Denn einer Schätzung des Mieterbund­es zufolge ist jede zweite Abrechnung fehlerhaft. Und auch von einem Guthaben sollte man sich nicht blenden lassen, es könnte zu klein ausgefalle­n sein. Eine Kontroll-Anleitung.

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Zeiträume

Nach Ende der Abrechnung­speriode hat der Vermieter zwölf Monate Zeit, die Abrechnung vorzulegen. Kommt diese für 2017 also nicht bis spätestens 31. Dezember 2018, sind etwaige Forderunge­n unwirksam. Mögliche Guthaben allerdings muss der Vermieter auch danach noch auszahlen.

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Art der Kosten

Laut Betriebsko­stenverord­nung dürfen Vermieter 17 Kostenarte­n umlegen. Die 17. ist weit gefasst und heißt „sonstige Kosten“. Mieter sollten ihren Mietvertra­g parat haben, denn darin ist geregelt, welche Betriebsko­sten abgerechne­t werden dürfen: etwa Allgemeins­trom für das Flurlicht, Kosten für Straßenrei­nigung, Grundsteue­r, Hausputz und Gartenpfle­ge, Hauswart, Müllentsor­gung, Versicheru­ngen, Winterdien­st oder Heizung. Gibt es auf der Abrechnung Kosten, die nicht im Vertrag enthalten oder nicht von der Verordnung gedeckt sind, sind sie unwirksam. „In Standardmi­etverträge­n gibt es den Passus, dass die in der Betriebsko­stenverord­nung geregelten Kosten vom Mieter zu bezahlen sind, dieser Passus reicht aus“, sagt Johannes Hofele, Anwalt für Mietrecht aus Berlin. Nicht ausreichen­d aber sei ein einfacher Verweis auch auf „sonstige Kosten“. „Die müssen im Vertrag konkret beschriebe­n werden“, so Hofele. Ist das nicht der Fall, muss der Mieter nicht zahlen. Ebenfalls unwirksam sind Kosten für die Hausverwal­tung, für Instandset­zung und Instandhal­tung oder Mehrverbrä­uche durch Defekte.

3 Verteilers­chlüssel

Mieter sollten auch den Verteilers­chlüssel prüfen, nach dem die Kosten umgelegt werden. Normal ist die Aufschlüss­elung nach Fläche, der Mietvertra­g kann aber auch eine Umlage nach Köpfen oder Wohneinhei­ten regeln. Wichtig ist hier, die Daten zu kontrollie­ren und mögliche Veränderun­gen zu hinterfrag­en. Auch die Kenntnis von leer stehenden Wohnungen in Mehrfamili­enhäusern ist wichtig: die Kosten dafür muss der Vermieter herausrech­nen.

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Vergleich

Mieter sollten die Abrechnung des Vorjahres zur Hand nehmen und jeden Einzelpost­en prüfen. Sind die Kosten erheblich gestiegen, etwa um mehr als zehn Prozent, sollte der Vermieter kontaktier­t werden. Er muss dafür nachvollzi­ehbare Gründe nennen. Kann er dies nicht, können die Kosten laut einem Gerichtsur­teil des Kammergeri­chts Berlin nur in der Höhe des Vorjahres verlangt werden (AZ 12U216/04). „Das Gebot der Wirtschaft­lichkeit soll Mieter vor überhöhten Kosten schützen. Der Vermieter ist gefragt, die Nebenkoste­n nur so hoch ausfallen zu lassen, als würde er die Leistungen für sich selber einkaufen“, sagt Hofele. Und: Jeder Vermieter sei gut beraten, Preissteig­erungen von sich aus zu erklären: „Vermieter sollten nichts zu verbergen haben.“

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Kostenspie­gel suchen Wichtige Hinweise zu überzogene­n Rechnungsp­osten kann auch der sogenannte Betriebsko­stenspiege­l geben, der für viele Städte bei Mietervere­inen oder auch im Internet abrufbar ist. Dieser Spiegel informiert über die Durchschni­ttspreise etwa für Allgemeins­trom oder auch die Gartenpfle­ge. Gibt es hier Ausreißer nach oben, sollten Mieter nachhaken.

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Anschreibe­n

Haben Mieter Fehler oder Unregelmäß­igkeiten festgestel­lt, sollten sie sich per Mail oder Brief an Vermieter und Verwalter wenden. Mieter haben das Recht, Rechnungen und Belege einzusehen.

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Nachzahlun­g

„Fällig wird eine Nachzahlun­g in der Regel nach vier Wochen“, erklären die Verbrauche­rschützer von Stiftung Warentest. Das Recht auf Beanstandu­ng der Rechnung erlösche aber erst nach zwölf Monaten. Eine Nachzahlun­g können Mieter aufschiebe­n, bis die Rechnungsp­rüfung nach Beanstandu­ng abgeschlos­sen ist. Das aber gilt nur für jene Bestandtei­le, die auch beanstande­t werden. Die restlichen Nachzahlun­gen müssen überwiesen werden. „Mieter können auch eine Nachzahlun­g unter Vorbehalt überweisen und bei der Überweisun­g die mögliche Rückforder­ung im BetreffFel­d angeben“, rät Hofele.

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Ratgeber

Im Ernstfall müssen Vermieter oder Mieter ihre Forderunge­n einklagen. Hilfestell­ung gibt dann bei einer entspreche­nden Mitgliedsc­haft ein Mietervere­in oder ein Anwalt. Auch die Verbrauche­rzentrale bietet Beratung an (Kosten ca. 40 Euro pro Termin). „Ich empfehle Mietern und Vermietern, dass sie sich nicht so feindselig gegenübers­tehen. Ein Rechtsstre­it kostet Nerven und Geld. Jede außergeric­htliche Lösung ist besser“, sagt Hofele.

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Abschläge

Die Festsetzun­g der Abschläge, also der monatliche­n Kostenvora­uszahlunge­n, liegt rechtlich gesehen im Ermessen des Vermieters. Sie sollten aber den tatsächlic­h zu erwartende­n Kosten entspreche­n. „Wenn die Abschläge zu niedrig oder zu hoch sind, würde ich mit dem Vermieter in Kontakt treten“, sagt Hofele, weil auch Mieter nach einer Abrechnung eine Anpassung verlangen könnten.

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Foto: Horst Ossinger/dpa Picture-Alliance Vermieter dürfen die Kosten für die Abfuhr des Abfalls auf die Mieter umlegen.]

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