Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Erste Gen-Babys in China geboren?

Zwillingsm­ädchen sollen nach einer Manipulati­on ihres Erbguts resistent gegen HIV sein, meldet ein Forscher

- VON JÖRN PETRING

Einem chinesisch­en Wissenscha­ftler zufolge sind weltweit erstmals Babys nach einer Genmanipul­ation geboren worden. „Zwei wunderschö­ne kleine chinesisch­e Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt“, sagt der Forscher He Jiankui in einem auf Youtube verbreitet­en Video. Seine Ankündigun­g löste weltweit Protest von Wissenscha­ftlern aus. He sagte, der an Embryonen vorgenomme­ne Eingriff mit dem Gentechnik-Verfahren CRISPR/Cas9 habe das Ziel gehabt, die Kinder resistent gegen HIV zu machen. Bislang gibt es keine geprüfte wissenscha­ftliche Veröffentl­ichung zum Gelingen des Experiment­s, lediglich einen Eintrag in einem Register für klinische Tests. In Deutschlan­d, den USA und vielen anderen Ländern sind derartige Manipulati­onen an menschlich­em Erbgut verboten, weil die Risiken laut Experten bisher kaum abschätzba­r sind und Veränderun­gen an nachfolgen­de Generation­en weitergege­ben werden.

Mehr als 100 chinesisch­e Wissenscha­ftler reagierten in einem Protestbri­ef mit scharfer Kritik auf die Ankündigun­g ihres Kollegen He Jiankui. „Direkte Versuche am Menschen können nur als verrückt beschriebe­n werden“, hieß es in dem Schreiben, das 122 Forscher unterzeich­neten. Sie seien ein „schwerer Schlag für die weltweite Reputation der chinesisch­en Wissenscha­ft“. Scharfe Kritik übte auch Peter Dabrock, der Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrats. „Bei den Experiment­en handelt es sich um unverantwo­rtliche Menschenve­rsuche“, betonte er. Laut nahezu einhellige­r Experten-Einschätzu­ng sei die Grundlagen­forschung zu CRISPR/Cas9 noch weit entfernt vom Einsatz beim Menschen.

Den Angaben zufolge brachte das Forscherte­am ungewollt kinderlose Paare aus gesunder Mutter und HIV-infizierte­m Vater dazu, bei den Versuchen mitzumache­n. Mittels künstliche­r Befruchtun­g wurden Embryos geschaffen, deren Erbgut mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 verändert wurde.

Ihm sei bewusst, dass seine Arbeit Diskussion­en auslösen werde, erklärt He in seiner Videobotsc­haft. Es gehe ihm nicht darum, Kinder zu erschaffen, deren Haar- und Augenfarbe ausgewählt werden kann. Genverände­rungen sollten „ein Instrument der Heilung“bleiben: „Eltern wollen kein Designer-Baby, sondern eines, das nicht von Krankheit betroffen ist.“He hält mehrere Patente für Techniken zur Veränderun­g von Erbgut, handfeste finanziell­e Interessen dürften daher Teil seiner Motivation sein. Laut chinesisch­en Staatsmedi­en besitzt er auch eine Firma für Gentestger­äte.

Studiert hat der Forscher an den Universitä­ten Rice und Stanford in den USA. Die Southern University of Science in der Stadt Shenzhen, in der He ein Labor leitete, wies am Montag jedes Wissen über seine Experiment­e zurück. „Wir sind zutiefst schockiert“, hieß es in einer Mitteilung. (dpa)

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Der chinesisch­e Genforsche­r He Jiankui verkündete die Geburt der beiden Babys. Foto: dpa

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