Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Landesparteien schließen die Türen: Keine Zusammenarbeit mit der AfD
Rechtspopulisten sind auf kommunaler Ebene in Thüringen zweitstärkste Kraft. Das führt in Gemeinden zu ungewollten Konstellationen
Erfurt. Raymond Walk (CDU) schlägt die Tür verbal hörbar zu. „Es sind keine Umstände erkennbar, die uns zu einer Revision unserer Position veranlassen.“Der Generalsekretär der Thüringer CDU erteilt damit einer Zusammenarbeit mit der AfD auf Landesebene erneut eine Absage. So, wie das sein Landesvorsitzender Mike Mohring schon seit einigen Monaten gebetsmühlenartig wiederholt. Gerade aus der Linkspartei hieß es immer wieder, dass man den Beteuerungen keinen Glauben schenke.
Warum das Thema nun überhaupt wieder aufkommt? Das AfD-Ergebnis bei den Kommunalwahlen in Thüringen und die konstituierenden Sitzungen in den vergangenen Wochen in zahlreichen Gemeinde- und Kreisparlamenten geben Anlass für eine erneute Betrachtung. Denn nach den Kommunalwahlen hatten Konstellationen in Gemeinden Spekulationen darüber genährt, dass auf der Gemeinde-Ebene Zusammenarbeit zwischen der Union und den im Visier des Verfassungsschutzes stehenden Rechtspopulisten plötzlich auch in Thüringen denkbar scheint. Denn die AfD – die nicht überall in Thüringen antrat – holte mit mehr als einer halben Million Stimmen insgesamt 177 Sitze quer durch Thüringen und damit hinter der CDU (284) die zweitmeisten Mandate in den Kreis- und Kommunalparlamenten.
Damit stellt sich bei Ausschussbesetzungen oder Ratspräsidentschaften oder vielen anderen Themen die Frage nach einer Kooperation neu, weil Geschäftsordnungen vielerorts die Aufgaben auf die Mandatsträger der Parteien nach Wahlergebnis verteilen.
Der Fall Geisa ist so ein Beispiel. Dort überließ die CDU sowohl der AfD als auch der Linkspartei einen Ausschusssitz, obwohl sie bei ihrem Wahlergebnis alle Sitze hätte beanspruchen können. Unter der Schlagzeile „CDU bricht Versprechen und beginnt Zusammenarbeit mit AfD auf kommunaler Ebene in Thüringen“kritisiert die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) auf der Internetseite ihres Büros „haskala“das Vorgehen deutlich. „Mit dem Vorgehen nährt die CDU Befürchtungen, dass ihre Beteuerungen, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, nicht ernst zu nehmen sind“, wird König-Preuss in der Mitteilung zitiert.
Martin Henkel, Bürgermeister und CDU-Vorsitzender in Geisa, nennt die Darstellung über eine begonnene Zusammenarbeit „abenteuerliche Behauptungen“und „durchsichtiges Wahlkampfmanöver“. Weil die Union aufgrund des Wahlergebnisses alle Ausschusssitze hätte beanspruchen können, sei es schon in der Vergangenheit Praxis gewesen, dass die Partei Mandatsträgern anderer Parteien einen Ausschusssitz angeboten habe. In der Vergangenheit sei das jeweils auf einen LinkeMandatsträger zugetroffen, diesmal auf einen von der AfD und einen der Linkspartei. Die Vorschläge zur Ausschussbesetzung seien überdies einstimmig – also auch mit Linke-Stimmen – abgesegnet worden. Auch der Linke-Landesverband steht indes vor einem solchen Problem. In Langenwetzendorf gehört ein parteiloser Mandatsträger, der auf Linke-Ticket in den Rat einzog, derselben Fraktion an wie ein AfD-Mandatsträger.
„Wir halten das für einen Fehler“, sagt Matthias Günther, Leiter der Landesgeschäftsstelle. Man wolle dem parteilosen Mandatsträger Gespräche anbieten,
„um eine stärkere Sensibilisierung für diese von der AfD ausgehende gesellschaftliche Gefahr zu erreichen“.
Dies sei besonders vor dem Hintergrund nötig, dass der Tatverdächtige im Mordfall des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke nicht nur aktiver Rechtsextremist gewesen ist, sondern auch AfD-Spender gewesen sein soll. Ferner gelte, so Günther: „Für Mitglieder der Linken gibt es keine inhaltliche Grundlage zur Zusammenarbeit mit AfD-Vertretern.“Ähnlich deutlich wird auch CDU-Mann Raymond Walk, stellt aber auf „eine Gesamtverantwortung aller Stadträte und Kreistagsmitglieder für das Funktionieren ihres jeweiligen Gremiums“ab. AfD und Linke betrachtet er in einem Atemzug. „Wir grenzen uns von der AfD und der Linken klar ab, wir grenzen aber beide auch nicht aus.“
Keine Vorgaben für Kooperationen mit der AfD gibt es vom Landesverband der Grünen für die Kommunalvertreter. Die Landesvorsitzende Stephanie Erben hält dies für überflüssig. „Eine Zusammenarbeit mit Vertretern oder Vertreterinnen der AfD wird es für uns Grüne nicht geben. Dies ist bei uns politischer Konsens.“
Gleichwohl fordert sie ihre Parteifreundinnen und -freunde auf, hart mit der AfD in den Kommunalparlamenten zu streiten. „Unsere grünen Kommunalpolitikerinnen und -politiker werden klar machen, dass es gerade vor Ort um lösungsorientierte Politik für alle Bürgerinnen und Bürger gehen muss. Hass und Hetze wird es mit uns nicht geben.“Thomas L. Kemmerich, Landeschef der FDP, schließt die Tür in Richtung AfD. „Wir sind uns mit den Mandatsträgern der FDP darüber einig.“ Aber dennoch verweist er auf die Freiheit des Mandates, geht aber davon aus, dass sich allein aus der Kraft des Argumentes heraus schon ergeben sollte, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht geboten sei. Innerhalb der SPD wird es möglicherweise eine Linie zum Umgang mit der AfD in den Kommunalparlamenten geben – eine Anfrage dieser Zeitung dazu ließ die Partei aber über Tage unbeantwortet.
Noch einmal zurück zur Landesebene. Dort haben alle Parteien ihre Positionen bereits in der Vergangenheit bekräftigt. Dass sich jetzt nach der Kommunalwahl eine Änderung ergeben könnte, scheint nicht erkennbar. CDU-Generalsekretär Raymond Walk will sich auch nicht weiter in eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD hineinreden lassen: „Unser Ziel ist eine Koalition aus der Mitte des politischen Spektrums für die breite gesellschaftliche Mitte zu bilden. Dafür können AfD und Linke keine Partner sein.“
„Eine Zusammenarbeit mit Vertretern oder Vertreterinnen der AfD wird es für uns Grüne nicht geben. Dies ist bei uns politischer Konsens.“
Landesvorsitzende Stephanie Erben