Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Tod einsamer Menschen ist eine Herausforderung für Ordnungsämter
Wenn die Angehörigen nicht gefunden werden, müssen die Städte die Bestattungen vornehmen und bezahlen. Suhl hat 2018 erstmals eine Gedenkfeier organisiert
Erfurt/Jena. Der Tod von Menschen ohne Angehörige ist für Thüringer Ordnungsämter immer wieder ein Thema. Eine Umfrage ergab, dass deren Behörden mittlerweile teils einen enormen Aufwand betreiben, um zur Bestattung rechtlich verpflichtete Angehörige zu finden. Gera zählte im vorigen Jahr 127 solcher Fälle, Erfurt 95, Jena 75. Aber auch in Gotha (54), Weimar (51), Eisenach (41), Suhl (37) und Mühlhausen (35) hatten die Ämter damit zu tun.
Um die gesetzliche Bestattungsfrist von zehn Tagen einzuhalten, müssen Kommunen etwa in Vorleistungen gehen. „Im Vorjahr waren das 20.000 Euro für acht einsam Verstorbene“, sagt Maik Märtin, Sprecher der Stadt Gotha. Mit insgesamt 54 solcher Sterbefälle musste sich das Ordnungsamt befassen. In drei Fällen konnten die Kosten von der Nachlasspflege des Gothaer Amtsgerichtes übernommen werden.
In Gera musste im vergangenen Jahr 127 Mal nach Angehörigen von Verstorbenen gesucht werden. „In 55 Fällen musste die Stadtverwaltung sich um die Beerdigung kümmern“, sagte Stadtsprecherin Melanie Siebelist. In sieben dieser Fälle sei ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden, weil sich Angehörige hätten kümmern müssen. In der Stadt Weimar haben sich 2018 neun Angehörige ihrer Bestattungspflicht entzogen. „Deshalb musste sich die Stadt selbst kümmern“, sagt Sprecherin Mandy Plickert. In weiteren 28 Fällen konnten Angehörige nicht rechtzeitig gefunden werden, weswegen die Stadt in Vorleistungen gehen musste. Vier Bußgeldverfahren wurden gegen Angehörige eingeleitet. In Jena konnten 2018 bei 44 der zunächst 75 Fälle doch noch Angehörige ermittelt werden. „In zwei Fällen haben die Angehörigen nicht auf unsere Anschreiben reagiert“, sagt Stadtsprecherin Roswitha Putz. In drei weiteren Fällen seien zwar die Hinterbliebenen, aber nicht deren Adressen ermittelt worden. 26 Verstorbene hatten keine Angehörigen mehr. Damit die einsam Verstorbenen nicht vergessen werden, hat Suhl im Vorjahr erstmals eine Gedenkfeier in der Hauptkirche organisiert. „Im Beisein von Nachbarn, ehemaligen Arbeitskollegen und Wegbegleitern wurden 42 Kerzen angezündet“, sagt Stadtsprecherin Ingrid Pabst. Das sei eine besondere Einsam Verstorbene werden von den Kommunen bestattet. Wertschätzung gegenüber diesen Menschen.
In Eisenach waren bis Jahresende 2018 zunächst 41 Fälle ungeklärt. Bei zehn Verstorbenen fanden sich Angehörige, informiert Sprecherin Janina Walter. Bei allen anderen Bestattungen sei die Stadt in Vorleistung gegangen und hoffe, dass die Kosten nachträglich von Erben, Nachlassgerichten oder dem Sozialamt beglichen werden. Im Erfurter Rathaus wurden im Vorjahr 95 Bestattungen veranlasst. In 47 Fällen davon konnten innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zehn-Tage-Frist Angehörige gefunden werden. Allerdings kamen sie ihrer Bestattungspflicht nicht nach, wie es aus der Stadtverwaltung hieß. In weiteren 48 Fällen konnten die Hinterbliebenen nicht rechtzeitig ausfindig gemacht werden.
Die Recherchen der Behörden gehen auch über die Landesgrenzen hinaus: Ein Verstorbener aus Gotha wurde nach Polen überführt und dort von den Angehörigen bestattet. Auch Ermittlungen im Mühlhäuser Rathaus führten in dieses Nachbarland, wo ein Kind des Toten lebt. Selten befassen sich Bußgeldrichter mit den Fällen. In Gera wurden sieben Verfahren, in Weimar vier, in Mühlhausen eines eingeleitet. „So ein Bußgeldverfahren ist oft nicht zielführend und kann selten vollstreckt werden“, sagt Janina Walter in Eisenach.
Wie problematisch die Bestattungsfälle sein können, zeigt ein Fall vor dem Amtsgericht Mühlhausen: Aus Geldnot hatte ein Mühlhäuser Rentner seinen toten Bruder weder einäschern und noch bestatten lassen. Auf Schreiben aus dem Rathaus hatte der Mann nicht reagiert, weswegen die Stadt sich selbst um den Leichnam kümmern und auch die 2400 Euro teure Bestattung bezahlen musste. Parallel dazu verhängte sie ein Ordnungsgeld in gleicher Höhe. Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein. Der zuständige Bußgeldrichter bestätigte das schuldhafte Verhalten des Mannes. Er verringerte aber das Bußgeld deutlich, weil der Rentner den ursprünglichen Betrag nicht zahlen konnte und genau wegen dieser Not überhaupt vor Gericht gelandet sei. (dpa)