Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Über gefälschte Kommunalwahl
Er erinnere sich noch sehr gut an diese Tage im Mai 1989, bestätigt Günther Richter. „Ich war damals als Lehrer an der Berufsakademie des Handels in Mühlhausen beschäftigt“,sagt Richter. Schon am ersten Tag nach der Kommunalwahl waren die ersten Gerüchte aufgekommen und hatten die Runde gemacht. Erst wurde nur getuschelt, dann schon laut geschimpft, weiß Richter. Angesichts von mehr als 99 Prozent in allen Orten der damaligen DDR hätten die Leute sehr schnell gesagt, das kann so nicht stimmen. „Die Nachbarschaft berichtete von Leuten, die gar nicht zur Wahl gegangen waren, was sich in den Beteiligungszahlen aber nicht widerspiegelte“, sagt Günther Richter, heute Chef des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft in Thüringen. Kein damaliger Bezirkschef der Staatspartei habe sich vor Parteichef Honecker rechtfertigen wollen, erklärt sich Richter die Fälschungen. „Bei 85 Prozent wäre doch sofort die Frage gekommen, was ist denn bei euch los.“Mit den sinnlosen Manipulationen sei das letzte bisschen Vertrauen der Menschen in diesen Staat und in dieses System endgültig zerstört worden, sagt Richter. Die logische Folge war die sich rasant ausweitende Massenflucht in den Westen. „Bei mir fehlten plötzlich immer häufiger Schüler im Unterricht“, erinnert sich Richter. Auf seine Frage, wo die denn seien, kam die Antwort – auf Drei-Städte-Tour von Budapest über Wien nach München, sagt Richter. Eines Tages hätten dann überraschend seine damaligen Nachbarn geklingelt und der Familie Richter die Grünpflanze gebracht, vor der Flucht in den Westen. Rückblickend sei er sehr froh darüber, dass diese turbulente Zeit friedlich geblieben ist.