Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Vorbereitung für das neue Gleichstellungsgesetz
Gabi Ohler will als Landesbeauftragte in kurzer Zeit viele Vorhaben anstoßen
Gabi Ohler bleibt wenig Zeit, um sich in ihr neues Amt als Gleichstellungsbeauftragte in Thüringen einzuarbeiten: Ihre Verpflichtung ist an die aktuelle Regierung gekoppelt. Schon nach der nächsten Landtagswahl im April 2021 könnte Schluss sein. Doch die vormalige Staatssekretärin im Bildungsministerium will in den wenigen Monaten eine Reihe von Vorhaben anstoßen. Weit vorn auf der Agenda: die Vorbereitung für die Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes. Zunächst soll eine Juristin den aktuellen Stand im Vergleich mit anderen Gleichstellungsgesetzen ermitteln. Im Blick hat sie eine Regelung, die es allen ermöglicht, ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Ihr sei dazu eine Debatte auf allen Ebenen wichtig. In der kommenden Legislatur soll das Gesetz in seiner Neufassung dann verabschiedet werden. Ob Ohler dann noch im Amt sein wird, muss die nächste Regierung entscheiden.
Starten will Gabi Ohler jetzt mit einem Maßnahmenplan zur Gewaltprävention. Wichtig sei es, „Frauen- und Kinderschutz enger zusammen denken zu können. Aber auch Männer werden Opfer von häuslicher Gewalt. Sie tun sich oft schwerer, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Das sollte sich ändern“, sagt Ohler.
Gabi Ohler hätte es sich leicht machen können: Nach ihrer Zeit als Staatssekretärin im Bildungsministerium stand ihr eine gut honorierte Übergangszeit von drei Jahren zu. Dass sie mit Beginn der jetzigen rot-rot-grünen Übergangsregierung Anfang März aus ihrem Amt schied, hatte auch mit den Nachwirkungen einer schweren Erkrankung während ihrer Staatssekretärinnenzeit zu tun. Und damit, dass sie damals meinte, sich 2019 auf dem Weg der Genesung nicht schonen zu dürfen und vor der Zeit wieder arbeiten zu gehen. Nun gab es dieses Angebot, Beauftragte für die Gleichstellung von Mann und Frau in Thüringen zu werden. Ohler sagt: „Ich brauchte die Zwischenzeit zur Erholung und zum Nachdenken darüber, ob ich das machen will.“Seit dem 1. Juli ist sie im Amt – und hat eine ganze Reihe von Vorhaben aufgelistet.
Dass Ohler jüngst vor allem von der CDU unterstellt wurde, ein Versorgungsfall zu sein, ist eine dieser Kränkungen, die üblich sind im politischen Geschäft. Dem Ganzen liegt eine Rechnung zugrunde, die nicht aufgeht: Ohlers Bezüge werden angerechnet. Es ließe sich also sagen: Thüringen spart dank dieser Personalie. Und: An der fachlichen Voraussetzung ist nicht zu rütteln, wie sich beim Blick auf ihren Berufsweg zeigt.
Für den Fachbereich gibt es ein kleines Team und kaum Befugnisse
Der Posten, den sie angenommen hat, ist gleich aus mehreren Gründen nicht besonders reizvoll. Zum einen ist die Beauftragte – anders als etwa der Beauftragte des Freistaates Thüringen – nicht auf sechs Jahre gewählt. Ihre Amtszeit ist verbunden mit der Amtszeit des jetzigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Nach der Landtagswahl im Frühjahr 2021 könnte für Ohler also bereits wieder Ende in diesem Amt sein. Und: Die Gleichstellungsbeauftragte hat nur ein ganz kleines Team – und sie darf nicht selbstständig in anderen Ministerien Arbeitsaufträge auslösen. Das war mal anders: In ganz frühen Jahren war die Gleichstellung in Thüringen noch im Staatssekretärinnenrang angesiedelt.
Gabi Ohler hat sich nichtsdestotrotz eine Menge vorgenommen – und zwar mit Blick über den Wahltag 2021 hinaus. Ein Schwerpunkt ist der Gewaltschutz. So muss wegen der Möglichkeit der anonymen Spurensicherung eine Vereinbarung mit den Krankenkassen gefunden werden. Ohler will eine klare Bedarfsanalyse der FrauenhausPlätze. Deshalb soll notiert werden, wenn Frauen abgelehnt werden müssen. Es gibt im Bereich Gewaltschutz zudem ein Bundesinvestitionsprogramm, das allerdings jeim weils auf das laufende Haushaltsjahr beschränkt ist. Zumindest erste Maßnahmen will Ohler hier anschieben. Und zur besseren Abstimmung im Bereich Frauen- und Kinderschutz wird sie sich mit ihrer Nachfolgerin, Bildungsstaatssekretärin Julia Heesen, treffen. Auch zu den anderen Bereichen hat sie bereits Termine mit den Zuständigen im Blick. Das alles macht den Eindruck, als wolle sie nach der nächsten Wahl weitermachen, wenn denn der nächste Ministerpräsident das will. Sie wolle durchaus eine weitere Legislatur im Einsatz sein, kündigt sie an.
Eine Altersfrage ist das noch längst nicht: Ohler ist gebürtige Mainzerin, Jahrgang 1962. Sie hat einen Magister in Germanistik und Politikwissenschaften. Ehe sie 2014 Staatssekretärin im Bildungsministerium wurde, arbeitete sie seit 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Frauen, Familie, Gleichstellung und Senioren in der Fraktion der Linken im Thüringer Landtag. Damit ist sie quasi vom Fach. Vor ihrer Thüringer Zeit hat sie als Referentin Bundestag für die damalige PDS zunächst die Bereiche Innenpolitik, Flüchtlinge und Migration betreut, sich dann um feministische Politik gekümmert. Zuvor hatte sie als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache sowie für das ZDF und als Redakteurin für eine Wirtschaftsförderberatung für Unternehmen gearbeitet.
Vom Bildungsministerium zum Homeschooling
Sie ist verheiratet und Mutter zweier Töchter im Alter von 15 und 20 Jahren. Eine wichtige Aufgabe in den vergangenen Monaten für die vormalige Bildungsstaatssekretärin war daher mit Blick auf das jüngere der Mädchen: Homeschooling. Die Erfahrungen, die sie da gemacht hat, sind ein eigenes Thema ...
Jetzt also Gleichstellung. Wichtig ist Ohler, die Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes vorzubereiten. Dazu soll in einem ersten Schritt eine Juristin das hiesige Gleichstellungsgesetz mit anderen vergleichen. Im nächsten Jahr wird es turnusgemäß einen Gleichstellungsbericht geben. Der soll vorbereitet werden. Grundlage werden die Zahlen von 2017 und 2020 sein. Gabi Ohler will auch Debatten anstoßen – so die Frage nach der Quote. Dass das Paritätsgesetz 2021, unabhängig vom Ausgang des für den 15. Juli erwarteten Prozesses, noch nicht zur Anwendung kommt, ist inzwischen klar. Vom Tisch aber ist das Thema deswegen nicht.
Ohler will „bestehende Netzwerke aktivieren“und sich verstärkt um das Netzwerk Frauengesundheit kümmern. Die Gleichstellungsbeauftragte sieht die Entwicklung im Schatten von Corona kritisch: Es sei nicht nur noch deutlicher geworden als zuvor, wie ungleich die Bezahlung in systemrelevanten Bereich sei, wenn dort vor allem Frauen arbeiten. Auch in vielen Familien habe sich gezeigt, wie ungleich die Belastungen seien. Das werde auch im Bereich der psychischen und physischen Gesundheit Folgen zeigen. Ohler ist dabei, sich überall vorzustellen in ihrem neuen Amt, wo sie Mitstreiterinnen und Mitstreiter sieht – von den Landfrauen über die Migrationsbeauftragte bis zum Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, um gemeinsame Themen herauszuarbeiten. Mit dem Landesfrauenrat und Pro Familia sind bereits Termine fix. Und noch etwas steht auf der Agenda: Die Öffentlichkeitsarbeit soll verbessert werden. Nötig dazu ist vor allem auch die Überarbeitung der Internetseite.
Gabi Ohler will sich klar positionieren: Pro Quote. Für das Paritätsgesetz. Und weit weg von den alten Rollenklischees. Diese überkommenen Bilder führen auch dazu, dass sich viele Mädchen für Berufe interessieren, die mit wenig Aufstiegschancen und geringem Einkommen verbunden sind.
„Wichtig ist, dass jetzt nicht nur in Steine und Maschinen investiert wird, sondern auch in den Sozialbereich. Auch das ist Gleichstellungspolitik und wichtig in diesen Coronazeiten.“Gabi Ohler seit 1. Juli Beauftragte für die Gleichstellung von Mann und Frau in Thüringen. Bis März war sie Staatssekretärin im Bildungsministerium. Mit feministischer Politik hat sie sich schon früher als Referentin bei den Linken befasst.