Thüringische Landeszeitung (Gotha)
81 EU-Verfahren gegen Bund
Verkehrsministerium für viele Verletzungen verantwortlich
Bei der Einhaltung von EU-Recht zeigt sich Deutschland nicht gerade als Musterknabe. Aktuell laufen 81 Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik und somit fünf mehr als noch im Vorjahr. Davon fallen allein 19 Verfahren in die Zuständigkeit des Bundesverkehrsministeriums – also fast jeder vierte Fall. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor, die unserer Redaktion vorliegt.
„Egal ob Luftverkehr, Schifffahrt oder Eisenbahnen – Verkehrsminister Scheuer hat überall Probleme mit dem europäischen Recht“, kritisiert Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Es sei höchst bedenklich, dass auch sicherheitsrelevante Vorschriften betroffen sind. Bei den Beanstandungen geht es unter anderem um die Eisenbahnsicherheit, um
Vorschriften für Schiffe oder die europäische Einbindung des Schienenverkehrs. Auch die Typgenehmigung von Fahrzeugen und Luftverkehrsabkommen sind betroffen.
Die Europäische Kommission leitet regelmäßig rechtliche Schritte gegen Mitgliedstaaten ein, die ihren Verpflichtungen aus dem EU-Recht nicht nachkommen. Ziel ist es, im Interesse aller Bürger europäisches Recht umzusetzen. Im Juli forderte die EU Deutschland zum Beispiel auf, die Einfuhrbeschränkungen für Kaffee aufzuheben. So verlangt das deutsche Kaffeesteuergesetz, dass Exporteure einen Beauftragten in Deutschland benennen müssen. Dies erschwere aber insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Markt.
Nach aktuellsten Zahlen leitete die EUKommission im Jahr 2018 insgesamt 1571 Vertragsverletzungsverfahren gegen die EULänder ein. Gegen Spanien, Italien und Deutschland wurden dabei die meisten Verfahren wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung von Richtlinien eröffnet. Im Jahr 2019 hat sich die Zahl der Vertragsverletzungen laut Binnenmarktanzeiger erhöht, konkrete Zahlen wurden aber noch nicht veröffentlicht. Der Bundesregierung wird laut GrünenPolitiker Kühn durch die Vertragsverletzungen eine schwere Hypothek mit auf den Weg durch die Ratspräsidentschaft gegeben: „Es ist peinlich, dass Deutschland zum Start der Ratspräsidentschaft sogar noch mehr EU-Vorgaben missachtet als vor einem Jahr.“