Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Der Bufleber Bahnhof in der Warzaer Flur
Aus der Geschichte des Gothaer Landes Vor 150 Jahren wird die Bahnlinie von Gotha nach Leinefelde eröffnet
Seit nunmehr 150 Jahren gibt es die Bahnlinie von Gotha nach Leinefelde, eine nicht elektrifizierte Eisenbahnstrecke, die 1870 durch die Thüringische EisenbahnGesellschaft eröffnet wurde. Die Streckenlänge beträgt etwa 67 Kilometer.
Bereits in der Frühzeit der Eisenbahn wurde über den Bau einer Bahnlinie von Hannover nach Bayern via Thüringen nachgedacht. Jedoch konnten sich die beteiligten Staaten Hannover, Preußen, Sachsen-Weimar sowie Sachsen-Coburg und Gotha nicht auf eine Trassierung einigen.
Nachdem die politischen und militärischen Auseinandersetzungen zwischen Preußen und dem Königreich Hannover – das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha stand auf der Seite Preußens – während der Schlacht bei Langensalza 1866 zugunsten Preußens entschieden wurden, stand dem Projekt des Bahnbaues nichts mehr entgegen.
Der damalige Staatsminister Camillo von Seebach engagierte sich für den Bahnbau, auch um den Broterwerb der Untertanen zu sichern. Bereits im Oktober 1867 begannen die Bauarbeiten.
Hauptbauunternehmer ist ein landesweit gesuchter Hochstapler
Beim Bau dieser Eisenbahnlinie kam es zu einem Eklat: Der Hauptbauunternehmer ging in Konkurs. Ein vorgetäuschter Diebstahl der Baukasse mit 4060 Talern konnte ihm nachgewiesen werden. Seinen Kompagnon hatte er um das gesamte Vermögen gebracht. Später stellte sich heraus, dass er ein deutschlandweit gesuchter Hochstapler war. Er wurde des Landes verwiesen und anderswo verurteilt, so der Gothaer Eisenbahnexperte Günter Walter.
Am 11. April 1870 konnte der Abschnitt Gotha-Mühlhausen für den Transport von Personen und Gütern eröffnet werden. Stationen waren die Bahnhöfe Gotha-Ost, Bufleben, Ballstädt, Großengottern und Mülhausen. Für das damals prosperierende Industriegebiet im Osten der Residenzstadt war der Ostbahnhof von großer Bedeutung.
Zu DDR-Zeiten gab es dort sogar eine Industriebahn, betrieben vom VEB Thüringer Wald- und Straßenbahn. Die Betriebe hatten meist einen eigenen Gleisanschluss, um von dieser Bahn bedient zu werden.
Mitten im Feld, in der Flur von Warza, war ein Bahnhof entstanden, aber benannt nach Bufleben, dem größten Dorf der Umgebung mit seiner damals nicht gerade unbedeutenden Saline „Ernsthall“. Aus diesem Bahnhof Bufleben wurde ein zentraler Punkt des Verkehrsgeschehens im nördlichen Kreis.
Für die damaligen Dampflokomotiven gab es dort auch einen Wasserturm. Auch fuhr seit 1890 die Nessetalbahn von dort aus bis nach Großenbehringen. Ein Segen für die Wirtschaft in der Region, denn nicht nur die großen Güter, wie in Friedrichswerth, Goldbach oder Wangenheim profitierten davon, auch die übrigen Landwirte.
Wohnhäuser entstanden im Laufe der Zeit um den Bahnhof zwischen Bufleben und Warza, mehrere Betriebe ließen sich nieder, so wie die ZBO, die Zwischengenossenschaftliche Bauorganisation, also die „Baubrigade“der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) im Nordkreis, sowie ein Betonwerk, in dem Pflastersteine hergestellt wurden.
Im Jahr 1995 ist der Bufleber Bahnhof zum Haltepunkt degradiert worden, denn die Nessetalbahn wurde in jenem Jahr stillgelegt. Die Trasse dient heute als Radweg
zum Kindel, die Wohnhäuser gibt es noch und auch ein beliebtes Landwarenhaus.
Die Empfangsgebäude der Bahnhöfe in Gotha-Ost, Bufleben und Ballstädt wurden als schlichte einoder zweigeschossige Ziegelbauten errichtet, so wie sie zu jener Zeit fast überall an den kleineren Stationen entstanden waren. Neben dem Güterschuppen gab es auch eine gepflasterte Rampe. Zwischen den Gleisen eins und zwei befand sich der Wasserkran, der vom Wasserturm gespeist wurde.
Mit Eröffnung des Gasthofs steigt der Bierkonsum in Warza deutlich
Im Jahre 1893 eröffnete an dem Bahnhof ein Gasthof. Dadurch erhöhte sich der Bierkonsum in derm Ort Warza bedeutend, was sich in der Gemeindekasse deutlich niederschlug, so heißt es in der Warzaer Chronik. Die Bahnhofswirtschaft war stark frequentiert, denn viele Leute aus der Umgebung arbeiteten in Gothaer Betrieben und fuhren nach Feierabend mit der Eisenbahn bis zum Bufleber Bahnhof, um dann zu Fuß oder mit dem Fahrrad in ihre Heimatorte zu gelangen, oder mit der Nessetalbahn weiterzufahren.
Für ein Feierabendbier nahmen sich die Pendler jedoch Zeit. Aber auch diese Bahnhofswirtschaft erlitt ihren Niedergang. Denn der Personenverkehr wurde mehr und mehr auf die Straße verlegt, war es doch für die Pendler bequemer mit dem Bus zur Arbeit zu fahren. Auch immer mehr landwirtschaftliche Produkte wurden per Lkw transportiert. So schloss 1975 die Bahnhofswirtschaft.
Im Stellwerk waren vier Stellwerksmeister beschäftigt. Weiterhin gab es zwei Fahrkartenverkäufer, die auch die Aufgaben für den Güterverkehr und Wagendienst erledigten, sowie zwei Bahnhofsarbeiter und zwei Schrankenwärterinnen. Zu diesem Dienstbereich zählte auch der „Streckenposten fünf“mitten im Feld. Dieses kleine Schrankenwärterhäuschen stand an einem Feldweg vom Gothaer Ostfeld kommend in Richtung Kindleben.
Beim Bau der Bahntrasse gab es noch eine Hürde zu nehmen: Da die Nesse, ein Fließgewässer den Norden des Landkreises von Ost nach West durchquert, musste zwischen Pfullendorf und Westhausen im idyllischen Nessetal ein großer Bahndamm mit Durchlass in einem hohen Bogen erbaut werden.