Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Bauseweins geplantes Comeback
Warum der Erfurter Oberbürgermeister zurück in die Thüringer SPD-Spitze drängt
Es war zwischen Weihnachten und Neujahr 2017, als Andreas Bausewein seinen Rücktritt vom Vorsitz der Thüringer SPD verkündete. Er wolle sich vor der Kommunalwahl auf sein Amt als Erfurter Oberbürgermeisters konzentrieren, sagte er. Zuvor hatte er den damals noch sehr neuen Innenminister Georg Maier eigenständig zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2019 ausgerufen.
Es begannen mal wieder chaotische Wochen in der SPD, an deren Ende Maier verzichtete, während sich Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee als Spitzenkandidat und Landeschef durchsetzte. Wenig später wurde Bausewein von den Erfurtern mit einem übersichtlichen Ergebnis für weitere sechs Jahre als Oberbürgermeister bestätigt.
Nun, gut zwei Jahre und eine Landtagswahlniederlage der SPD später, hat Tiefensee seinen Rückzug
aus der Politik angekündigt. Der Landesvorstand nominierte Maier zum Nachfolger und Spitzenkandidaten für die Neuwahl des Landtags im April 2021, nachdem Bausewein die nötige Unterstützung organisiert hatte. Er brachte den Erfurter Kreisverband und die sozialdemokratischen Landräte dazu, Maier vorzuschlagen. Aber dies war nur die Vorbereitung des eigentlichen Manövers: Bausewein will auf dem Landesparteitag am 26. September als einer von Maiers Stellvertretern antreten. Der Minister ist informiert, der Erfurter Kreisvorstand soll davon diese Woche erfahren.
Offiziell äußert sich Bausewein auf Anfrage zurückhaltend. „Ich bin gefragt worden, für den geschäftsführenden Landesvorstand anzutreten, und ich denke intensiv darüber nach“, sagt er.
Doch warum tut er sich das an? Eine Antwort lässt sich womöglich im Persönlichen finden. Bausewein ist 47 und seit 14 Jahren Oberbürgermeister. Die volle Pension als Kommunalbeamter ist ihm sicher – seine Wiederwahl im Jahr 2024 aber nur bedingt. Schon das letzte Mal musste er hart kämpfen.
Falls also die SPD auch der nächsten Landesregierung angehört, könnte er als Minister in das Kabinett
eintreten. Zwar wäre Maier, wenn die SPD nicht nochmals stark verliert, als Nummer 1 und Vizeministerpräsident gesetzt. Aber da Tiefensee nach der Wahl auch als Minister geht, wird ein Posten für Bausewein frei.
Theoretisch könnte der Oberbürgermeister auch für den Landtag kandidieren. Aber das dürfte ihm angesichts der ungewissen Mehrheitsverhältnisse zu riskant sein. Zudem müsste er sich bereits im Wahlkampf dafür rechtfertigen, dass er die Landeshauptstadt verlässt, ohne einen aussichtsreichen Nachfolger aufgebaut zu haben.
Und Maier? Für den designierten Spitzenkandidaten wäre ein ParteiComeback Bauseweins ambivalent. Auf der einen Seite hätte er eine Art Übervize neben sich, der schon durch alle sozialdemokratischen Gewässer des Landes geschwommen war, als Maier noch als parteiloser Banker in Frankfurt arbeitete. Aber auf der anderen Seite kann der
Minister auch künftig auf die Unterstützung Bauseweins – zum Beispiel nach einem mickrigen Landtagswahlergebnis – nicht wirklich verzichten.
Der Oberbürgermeister will zu all dem auf Nachfrage nichts Zitierfähiges sagen. Er muss ahnen, dass es schon so schwer genug wird, sich wieder in der Landesspitze zu etablieren, der er 14 Jahre als Vizechef und drei Jahre als Vorsitzender angehörte. Die Delegierten werden sich nur zu gut daran erinnern, wie er seinen Chefposten als „Hobby“bezeichnete, bevor er ihn überstürzt abgab. Zudem stehen die Jusos und das linke Parteilager, die er einst selbst führte, inzwischen gegen ihn.
Gleichzeitig lässt sich aber dem Oberbürgermeister der größten Stadt des Landes, der zu den bekanntesten Politikern Thüringens gehört, die Rückkehr nur schwerlich verweigern. Doch so oder so: Die hiesige SPD weiß jetzt, worüber sie im Sommer tratschen kann.