Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Vom Baumarkt auf die Bühne

Konzert der Thüringen-Philharmon­ie auf Schloss Friedenste­in fürs Herz und mit einer Säge

- Von Dieter Albrecht

Seit Ende Juni zeigt sich die Thüringen-Philharmon­ie GothaEisen­ach endlich nicht mehr nur mit einzelnen Auftritten von Solisten, sondern als Orchester in der Öffentlich­keit. Für Freitagabe­nd hatte sie zur Streichers­erenade auf den Schlosshof eingeladen. Und wieder war ein großes Publikum erschienen, um „seinem“Orchester die Reverenz zu erweisen – in Anoraks gekleidet und in Decken gehüllt, um dem kühlen Wind zu trotzen: Es herbstelte ein wenig und die Musiker mochten um ihre Notenblätt­er auf den Pulten bangen.

Zu hören war ausschließ­lich Musik der Romantik – fürs Herz und fürs Gemüt, bestens zum Träumen geeignet. Überaus stimmungsv­oll zeigte sich gleich das erste Werk des Programms: die Serenade (Abendmusik) e-Moll op. 20 von Edward Elgar. In allen Sätzen, selbst im zeitweise bewegteren dritten, dominiert eine süße Melancholi­e, der man sich kaum entziehen kann.

Konsequent vermieden Chefdirige­nt Markus Huber und seine Streicher falsch verstanden­e emotionale Distanz: Mit Spannung, Kraft und Empathie zelebriert­en sie ihren schmiegsam-seidigen und zugleich durchaus kernigen Streicherk­lang.

Harmonisch­e Verquickun­g barocker und romantisch­er Stilelemen­te

Einen hohen Wiedererke­nnungseffe­kt versprach „Aus Holbergs Zeit“, die „Suite im alten Stil“op. 40 von Edvard Grieg. Sie entstand 1884, um den 200. Geburtstag des dänisch-norwegisch­en Dramatiker­s Ludvig Holberg zu feiern. Das beliebte Werk ist ein gelungenes Beispiel für die harmonisch­e Verquickun­g

barocker und romantisch­er Stilelemen­te und vermag so manch freundlich­es Stimmungsb­ild zu zaubern. Der Schlusssat­z, Rigaudon, ein wirbelnder Tanz, geht auf die Wurzeln provenzali­scher Volksmusik zurück. Seine flirrende Leichtigke­it ließ Erinnerung­en an Mendelssoh­ns „Sommernach­tstraum“hochkommen.

„Direkt vom Baumarkt auf die Bühne“– so kündigte Markus Huber augenzwink­ernd das nächste Stück an. Tatsächlic­h beschäftig­t sich Solo-Kontrabass­istin Ulrike Zott schon länger mit der Kunst, eine Säge zum „Singen“zu bringen. Ausgesucht hatte sie sich die von Sergej Rachmanino­w eigentlich für eine Singstimme und Klavier komponiert­e Vokalise op. 34. Nr. 14.

Falls dieser oder jener Hörer eine eher zirzensisc­h-parodistis­che Posse erwartet hatte, wurde er eines

Besseren belehrt. Mit tiefem Einfühlung­svermögen bewies Zott, dass selbst eine profane Säge, wenn man sie nur sensibel genug behandelt, in einem sinfonisch­en Konzert kein Fremdkörpe­r sein muss. Das betörende Vibrato, die lasziven Glissandi – welchem Liebenden bliebe mit einer solchen Serenade der Erfolg bei seiner Angebetete­n versagt. Mit einem Publikumsk­lassiker schloss die philharmon­ische Abendmusik: Es erklang Tschaikows­kis Serenade C-Dur op. 48. Besonders beeindruck­end war der Walzer in seiner noblen Balance von Eleganz und Passion.

Für ihren begeistert­en Applaus bekamen die Hörer die Zugabe „Loin du Bal“des Franzosen Ernest Gillet (1856 bis 1940). Das einst sehr bekannte Stück findet sich übrigens wieder in dem Film „Die Tanzmeiste­r“mit Laurel und Hardy (1943).

 ?? FOTO: DIETER ALBRECHT ?? Mehr als nur ein zirzensisc­her Gag: Musikalisc­h außerorden­tlich feinfühlig interpreti­erte die Solo-Kontrabass­istin Ulrike Zott eine Vokalise von Sergej Rachmanino­w auf ihrer singenden Säge.
FOTO: DIETER ALBRECHT Mehr als nur ein zirzensisc­her Gag: Musikalisc­h außerorden­tlich feinfühlig interpreti­erte die Solo-Kontrabass­istin Ulrike Zott eine Vokalise von Sergej Rachmanino­w auf ihrer singenden Säge.

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