Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Der dreifache Olympiasie­ger Meinhard Nehmer wird morgen 80

-

Meinhard Nehmer, der hochgelobt­e und gefeierte erste Bob-Olympiasie­ger-Pilot aus Thüringen, wird am morgigen Mittwoch 80 Jahre. Normalerwe­ise hätte es eine Riesen-Fete und einen Auflauf der kompletten Elite des DDR-Bobsports gegeben. Doch coronabedi­ngt ist das Geburtstag­sfest zu einer kleinen Feier im engsten Familienkr­eis geschrumpf­t. „Schade, aber angesichts der Pandemie richtig“, sagt der Jubilar in seinem Haus in Varnkevitz auf Rügen. Besuchen werden ihn die Familien seiner beiden Töchter und sein Sohn. Abgesagt hat Hobby-Jäger Nehmer bereits vor einigen Wochen den einheimisc­hen Jagdhorn-Bläsern, die sonst keinen runden Geburtstag ihrer Jäger-Freunde auslassen.

Dabei zählt die Jagd nach wie vor neben dem Angeln und Radfahren in der Umgebung von Kap Arkona zu den Lieblings-Beschäftig­ungen des einzigen „Nordlichts“aus der Truppe, die ab 1973 Bob als Leistungss­port beim ASK Oberhof aufbaute. Das damals bereits 32-jährige „Nordlicht“entwickelt­e sich relativ schnell zum Fixstern der Oberhofer ASK-Athleten um Cheftraine­r Horst Hörnlein. Bereits 1974 schafften sie den Anschluss zur internatio­nalen Spitze. 1976 waren sie bei ihrer Olympia-Premiere das erfolgreic­hste Bob-Team der Spiele in der Eisschlang­e von Innsbruck-Igls.

Nehmer – Fahnenträg­er der DDR-Mannschaft bei der Eröffnung – gewann mit dem Erfurter

FOTO: ED GAR/IMAGO

Bernhard Germeshaus­en Gold im Zweier sowie mit Jochen Babock als zweitem Erfurter neben Germeshaus­en im Bob und Bernhard Lehmann die Vierer-Konkurrenz. 1980 in Lake Placid raste Nehmer als fast 40-Jähriger erneut mit Germeshaus­en sowie Hans-Jürgen Gerhardt und Bogdan Musiol zu Olympia-Gold im

FOTO: SVEN SIMON/IMAGO

Vierer. Für den Piloten-Routinier war das wie auch für Germeshaus­en der dritte Olympiasie­g. „Meinhard war der weltbeste Bobpilot seiner Generation“, beteuert „Germi“noch heute.

Die Vierer-Entscheidu­ng von Lake Placid war für Ausnahmepi­lot Nehmer das letzte Rennen seiner Laufbahn. Er rückte ins

Oberhofer Trainertea­m, schloss 1982 sein Studium zum Ingenieur für Landmaschi­nentechnik in Nordhausen erfolgreic­h ab und lies sich zum Dienst in der DDR-Volksmarin­e nach Dranske versetzen. Damit konnte er wieder im heimischen Elternhaus leben und wohnen, wo er immer die geliebte Ostseeluft schnuppern konnte. Allerdings nur für drei Jahre. Dann wurde Nehmer zum ASK zurück kommandier­t. Der DDR-Bobsport benötigte seine Fähigkeite­n als Testfahrer. In unzähligen Fahrten in Oberhof und Altenberg beurteilte er bis zur Wende die in Dresden weiterentw­ickelten Bobschlitt­en und Kufen.

„Das habe ich gern gemacht, war für mich der ideale Job“, sagt Nehmer. Den wollte er bis zu seinem 50. Geburtstag fortsetzen. Doch nach der Wende wurde er wenige Tage nach der Übernahme in die Bundeswehr entlassen. Der Deutsche Bob- und Schlittenv­erband (DBSV) wollte den dreimalige­n Olympiasie­ger auch nicht. Nehmer wurde arbeitslos. Bis Ende 1991, als er ein Trainer-Angebot aus den USA erhielt. Drei Jahre betreute er die US-Bobelite, gewann 1993 mit Brian Shimer WM-Bronze im Viererbob. Danach betreute er in Kurzverträ­gen einige Male die Italiener.

Erst 2000 gelang es dem damaligen Bundestrai­ner Raimund Bethge – einst Mitstreite­r in der Oberhofer Bob-Mannschaft – Nehmer als Bahn- und Disziplint­rainer im deutschen Verband zu verpflicht­en. Die Funktion übte Nehmer bis 2006 aus. Nach dem doppelten Olympia-Gold von André Lange in Turin verabschie­dete sich der Wegbereite­r der Thüringer Bob-Erfolge in den endgültige­n Ruhestand auf Rügen. Das Bobfahren verfolgt Nehmer, der seit drei Jahren Witwer ist, nur noch im Fernsehen.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany