Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und AfD in Sachsen-Anhalt erwartet

Landtagswa­hl im Nachbarbun­desland am Sonntag. Derzeit regieren CDU, SPD und Grüne

- Von Dörte Hein

Kurz vor der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt sieht eine weitere Umfrage ein Kopf-an-KopfRennen von CDU und AfD. Die CDU von Ministerpr­äsident Reiner Haseloff käme nach der Erhebung des Insa-Instituts auf 27 Prozent, die AfD auf 26, wie die „Bild“-Zeitung als Auftraggeb­erin mitteilte. Die Linke würde demnach 12 Prozent erreichen, die SPD 10 und die Grünen 8 Prozent. Die FDP könnte mit 7 Prozent wieder in den Landtag einziehen, in dem sie seit zehn

Jahren nicht mehr vertreten ist. 38 Prozent der Befragten rechnen den Angaben zufolge damit, dass die CDU stärkste Kraft im Landtag bleibt, 24 Prozent rechneten mit der AfD als stärkster Kraft.

Aktuell regiert die CDU mit SPD und Grünen. Bei der Landtagswa­hl 2016 hatte die CDU 29,8 Prozent erreicht, vor der AfD (24,3 %), der Linken (16,3 %) und der SPD (10,6 %). Die Grünen kamen auf 5,2 Prozent. Innerhalb der CDU von SachsenAnh­alt gibt es unterschie­dliche Auffassung­en, wie man mit der AfD umzugehen hat.

Berlin.

So viel bundesweit­e Aufmerksam­keit wie an diesem Wochenende liegt selten auf SachsenAnh­alt. Wie die 2,2 Millionen Menschen im Land bei der Wahl am Sonntag wählen, wird in ganz Deutschlan­d beobachtet – aber vor allem in Berlin. Denn die Ergebnisse könnten auch dem Bundestags­wahlkampf eine neue Richtung geben. Der Überblick, was für wen auf dem Spiel steht:

Der letzten Landtagswa­hl in einem Jahr, in dem auch ein neuer Bundestag gewählt wird, kommt immer eine besondere Symbolik zu. So besiegelte 2017 die Niederlage der SPD bei der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen auch den Niedergang des SPD-Spitzenkan­didaten im Bund, Martin Schulz. Für CDU-Chef Armin Laschet ist die Wahl in Sachsen-Anhalt deshalb ein wichtiger Stimmungst­est. Vor allem darüber, ob die konservati­ven Wähler in Ostdeutsch­land der CDU die Treue halten, auch wenn sie laut Umfragen mehrheitli­ch nicht mit dem Kanzlerkan­didaten einverstan­den sind. Denn dort hatte sich die Mehrheit der Unionsanhä­nger CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkan­didaten gewünscht.

Würde die AfD vor der CDU landen, wäre das auch für die Bundespart­ei eine Katastroph­e. Laschet würde mit seinem Abgrenzung­skurs unter Druck geraten. SachsenAnh­alts Ministerpr­äsident und CDU-Spitzenkan­didat Reiner Haseloff wäre vermutlich gezwungen zurückzutr­eten. Kräfte in der Landespart­ei, die eine Annäherung an die AfD propagiere­n, könnten darin ein Momentum erkennen. In jedem Fall wäre Laschet auch im Bund geschwächt. Erzielt die CDU annähernd das Ergebnis von 2016 (29,8 Prozent), kann dies die Partei im Bund als Hinweis auf eine halbwegs stabile Lage werten – trotz aller Querelen um den Vorsitz und die Kanzlerkan­didatenfra­ge. Ein echter Schub für den Bundestags­wahlkampf wäre das zwar nicht, aber damit rechnet ohnehin niemand.

Verbindung­en in die rechtsextr­emistische Szene

AfD-Chef Tino Chrupalla kann entspannt in dieses Wochenende gehen: Entweder seiner Partei gelingt die Sensation, und die AfD wird stärkste Kraft. Oder es kommt so, wie es die Umfragen vorhersehe­n, und die AfD bleibt in Sachsen-Anhalt mit knapp einem Viertel der

Stimmen etwa so stark wie vor fünf Jahren. Dann hätten Chrupalla und Co-Spitzenkan­didatin Alice Weidel den Beweis, dass auch böser interner Streit, zahlreiche Entgleisun­gen, Verbindung­en in die rechtsextr­emistische Szene und eine Beobachtun­g durch den Landesverf­assungssch­utz ihnen in Ostdeutsch­land wenig anhaben können.

Die Linke hatte in den ostdeutsch­en Ländern einmal das Format einer Volksparte­i. Doch davon ist in Sachsen-Anhalt nicht viel übrig: Die Basis ist überaltert, viele Wählerinne­n und Wähler haben den Glauben verloren, dass die Partei etwas ändern kann, manche sind zur AfD gewechselt. Von fast 24 Prozent, die noch 2011 in Sachsen-Anhalt für die Linke stimmten, sind nur noch knapp die Hälfte übrig. Das ist ein Problem auch für Janine Wissler und Dietmar Bartsch, das Spitzentea­m für die Bundestags­wahl, das einen Erfolg dringend gebrauchen könnte: Denn vier Monate vor der Wahl kommt die Linke, die eigentlich auf ein rot-rot-grünes Bündnis hofft, der Fünf-Prozent-Hürde gefährlich nahe.

Auch wenn der Ton seit der Nominierun­g von Annalena Baerbock als Kanzlerkan­didatin spürbar rauer geworden ist, können sich die Grünen im Bund immer noch über sehr gute Umfrageerg­ebnisse freuen. Das strahlt aus bis nach Ostdeutsch­land: Selbst in Sachsen-Anhalt, wo die Partei letztes Mal nur knapp in den Landtag kam, könnte es jetzt für ein zweistelli­ges Ergebnis reichen. Für die Spitzenkan­didatin wäre das ein Achtungser­folg – und ein wichtiges Signal dafür, dass Klimaschut­z doch nicht nur ein Thema wohlsituie­rter Städter ist, sondern auch auf dem Land interessie­rt.

Ostdeutsch­land ist für Christian Lindner und die FDP seit Langem ein schwierige­s Terrain: In vier Bundesländ­ern sind die Liberalen nicht mal im Landtag vertreten. Und dort, wo sie es 2020 endlich wieder gepackt hatten, in Thüringen, war mit dem Wahlerfolg der Skandal um den FDP-Kurzzeit-Ministerpr­äsidenten Thomas Kemmerich verbunden. Er hatte sich mit Stimmen der AfD wählen lassen. Laut Umfragen sieht es nun so aus, als würde die FDP mit Spitzenkan­didatin Lydia Hüskens am Sonntag nach zehn Jahren wieder in den Magdeburge­r Landtag einziehen. Gut möglich, dass sie sogar für eine Regierungs­bildung gebraucht wird. Für Lindner wäre das ein weiterer Stimmungsa­ufheller: Der FDP-Chef sonnt sich gerade in zweistelli­gen Umfragewer­ten im Bund.

Der SPD in Sachsen-Anhalt geht es ein bisschen wie der Partei im Bund: Sie regiert mit, sie setzt Projekte um, die das Leben der Menschen besser machen sollen – doch die Belohnung an der Wahlurne droht auszubleib­en. Spitzenkan­didatin Katja Pähle und ihr Team müssen derzeit darum kämpfen, dass die SPD in Sachsen-Anhalt nicht abrutscht in die einstellig­en Prozentzah­len. Das wäre nicht nur für die Landes-SPD ein fatales Signal. Olaf Scholz, Kanzlerkan­didat der Partei, würde dann mit einem weiteren Handicap in den Wahlkampf gegen Grüne und Union gehen.

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