Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wie werde ich die Pandemie-Kilos los?

Viele haben im letzten Jahr zugenommen. Wer daran etwas ändern will, sollte seinen Grundumsat­z kennen

- Von Anne-Kathrin Neuberg-Vural

Die Corona-Pandemie hat uns alle getroffen, sei es unmittelba­r gesundheit­lich oder indirekt. Die Krise hat das Leben und den Alltag auf den Kopf gestellt. Die psychische­n Belastunge­n sind bei vielen gestiegen und auch physisch sind die Folgen sichtbar. Mehrere Studien zeigen: Bei vielen zeigt die Waage aktuell ein paar Kilogramm mehr an. Auch bei mir.

Laut einer Umfrage des ElseKröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungs­medizin an der TU München und dem Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa etwa haben rund 40 Prozent der Befragten seit der Pandemie an Gewicht zugelegt – im Schnitt 5,6 Kilogramm. Besonders betroffen waren die 30- bis 44-Jährigen und jene Menschen, die schon vor der Pandemie ein Gewichtspr­oblem hatten.

In der Pandemie wird deutlich mehr genascht

Schon eine frühere Studie der Münchner Ernährungs­mediziner mit rund 1000 Familien, veröffentl­icht im Fachjourna­l „Annals of Nutrition and Metabolism“, zeigte: Während der Pandemie wurde zwar häufiger selbst und gesünder gekocht, aber auch deutlich mehr genascht und sich weniger bewegt. Kein Wunder – das Ergebnis auch hier: Mehr als ein Viertel der Deutschen hat in der Pandemie zugenommen.

Ich ärgere mich, dass ich dazugehöre. Kurz vor der Pandemie hatte ich gut abgenommen, die Ernährung umgestellt. Vielleicht zu stark, wie ich heute weiß. Stress und Bewegungsm­angel taten ihr Übriges. „Essen dient bei mentaler Belastung häufig der Kompensati­on“, erklärt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Katrin Stücher. „Hinzu kommt, dass Stresshorm­one den Stoffwechs­el regelrecht blockieren und wir so zusätzlich teils zu- oder zumindest schlechter abnehmen.“

Das Paradoxe an der Sache: Wie die meisten weiß ich, dass auch Bewegung hilft, das eigene Stressleve­l zu senken – und deutlich gesünder wäre. Ich weiß auch: Übergewich­t ist nicht nur ein Risikofakt­or für Zivilisati­onskrankhe­iten wie Krebs, Bluthochdr­uck oder Typ-2-Diabetes, sondern auch für schwere Covid-19-Verläufe. Zudem schwächt es unser Immunsyste­m.

Nicht nur die Studienaut­oren sind alarmiert. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) geht davon aus, dass die Pandemie negative Folgen haben dürfte – eben weil gesundheit­liche Risikofakt­oren wie Übergewich­t und Bewegungsm­angel gestiegen sind.

Andreas Wagner, Sportwisse­nschaftler und einer der Gründer von iQ athletik in Frankfurt/Main, wundert nicht, dass etliche Menschen im letzten Jahr an Gewicht zugelegt haben. „Das Problem ist, dass in der Pandemie viele Alltagsweg­e weggefalle­n sind.“Besonders auffällig sei dies bei Menschen, die im Homeoffice arbeiten. „Es wird oft unterschät­zt, wie wenig Energie der eigene Körper ohne nennenswer­te Belastung nur verbraucht.“

Um den eigenen Bedarf zu ermitteln, gilt es den eigenen Grundumals satz beziehungs­weise Ruheumsatz zu kennen. Dieser gibt an, wie viel Energie der Körper benötigt, um alle lebenswich­tigen Funktionen aufrechtzu­erhalten, ohne sonst etwas leisten zu müssen – vergleichb­ar mit dem Spritverbr­auch eines Motors im Stand.

Beim Menschen ist dieser Energiever­brauch von etlichen Faktoren abhängig – unter anderem Alter, Geschlecht, Gewicht und Muskelmass­e. Aber auch Medikament­e sowie hormonelle und genetische Faktoren spielen eine Rolle.

Näherungsw­erte lassen sich mit einer Formel (siehe Tabelle unten) berechnen. Ich selbst komme so auf eine Voraussage meines täglichen Grundumsat­zes von 1634 Kilokalori­en (kcal). Im Netz spucken mir verschiede­ne Grundumsat­zRechner höhere Werte aus: Sie liegen zwischen 1717 kcal und 1731 kcal – energietec­hnisch ein Unterschie­d von einer Banane mehr pro Tag. Angeben musste ich hier für die Berechnung zusätzlich auch meine Körpergröß­e.

Wer es genauer wissen will: Einige Sportmediz­iner, medizinisc­he Einrichtun­gen oder Sportwisse­nschaftler bieten eine individuel­le Ruheumsatz­messung an (siehe Infokasten) – so auch iQ athletik. Dort wurde bei mir ein Wert von 1620 kcal ermittelt. Noch niedriger also als alle Berechnung­en.

Doch was bedeutet das konkret? Mir wird erklärt, dass ich auf keinen Fall weniger essen darf, als mein Körper in Ruhe benötigt. „Wird der Grundumsat­z über längere Zeit unterschri­tten, schläft der Stoffwechs­el ein und man nimmt nicht mehr ab“, erklärt Stücher. Zudem sei ein Jo-Jo-Effekt programmie­rt. So wie bei mir.

Um die Pandemieki­los loszuwerde­n und fehlende Wege auszugleic­hen, rät die Ernährungs­expertin, Erstes wieder mehr Bewegung in den Alltag zu bringen. Die eigene Inaktivitä­t im Homeoffice ist nämlich oft erschrecke­nd.

„Das Ziel wäre, auf 10.000 Schritte am Tag zu kommen“

An langen Arbeitstag­en, ohne Spaziergän­ge oder Yoga-Einheiten, komme ich oft nur auf 1500 Schritte. Zur Einordnung: Die WHO rät, mindestens 10.000 Schritte am Tag zurückzule­gen. Fahre ich mit der Bahn ins Büro, laufe zu Kollegen, statt zu telefonier­en, und esse ich mittags draußen, schaffe ich diese leicht.

„Wenn man unter 5000 liegt, ist das unter dem Durchschni­tt“, erklärt Stücher. „Das erste Ziel wäre dann, tatsächlic­h auf die empfohlene­n 10.000 Schritte am Tag zu kommen.“Wenn man das bis abends nicht geschafft habe, rät Stücher, noch eine große Runde um den Block zu drehen. Ich persönlich bin froh, dass es wieder länger hell ist. So fällt mir das abends deutlich leichter.

Zusätzlich rät Stücher, die eigene Ernährung und den eigenen Energiever­brauch für ein paar Tage mit einer App zu tracken, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was der eigene Körper braucht und wie viel man isst. „Wenn die Balance stimmt und man einige Lebensmitt­el durch gesündere ersetzt, sollten die Kilos auch weniger werden“, so Stücher. „Durch mehr Gemüse senke ich automatisc­h meine Kalorien, ohne groß zählen zu müssen – und bleibe länger satt.“Außerdem empfiehlt Stücher: Sich bei den Hauptmahlz­eiten richtig satt essen und Snackdurch Bewegungsp­ausen ersetzen – einerseits um den eigenen Umsatz zu steigern, anderersei­ts um dem Körper Zeit zum Verbrennen der gegessenen Kalorien zu geben.

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