Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Unionskanz­lerkandida­t sieht CDU nach Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt als „Bollwerk gegen Extremismu­s“

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Berlin.

Zu den ungeschrie­benen Regeln der Politik gehört: Ist eine Partei in einer Landtagswa­hl erfolgreic­h, werden die Politiker im Bund das gute Ergebnis stets auch für sich reklamiere­n. Verliert sie, waren ausschließ­lich „regionale Probleme“die Ursache. Das Besondere an dieser Regel: Für Landespoli­tiker gilt sie genau umgekehrt.

Sehr anschaulic­h ließ sich diese Regel am Montag in Berlin beobachten. Am frühen Nachmittag trat in der Parteizent­rale CDU-Chef Armin Laschet vor die Presse. Mit dabei: der Gewinner der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt, Ministerpr­äsident Reiner Haseloff. Ursprüngli­ch sollte der 67-Jährige nur digital zugeschalt­et werden. Doch offenbar wollte man dann doch nicht auf die Chance verzichten, rund drei Monate vor der Bundestags­wahl einen echten Sieger präsentier­en zu können.

Haseloff genoss den Moment sichtlich. Er, der in der Hackordnun­g der Ministerpr­äsidenten bislang einen eher niederen Rang bekleidete, hat ein sensatione­lles Ergebnis vorzuweise­n: Um mehr als sieben Prozentpun­kte hat die CDU in Sachsen-Anhalt im Vergleich zur letzten Wahl zugelegt. Trotz Pandemie und trotz Umfragen, die die AfD dicht hinter den Konservati­ven sahen. Das hat schon lange kein CDUPolitik­er mehr geschafft. Und das, obwohl Haseloff im Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur in eine Außenseite­rrolle geriet, als er sich im CDU-Bundesvors­tand offen für CSU-Chef Markus Söder aussprach.

Doch davon wollte in Berlin niemand mehr etwas wissen. „Dies ist ein guter Tag, für die CDU – und für die Demokratie in Deutschlan­d“, freute sich CDU-Chef Laschet. Dann wandte er einen alten Trick von Markus Söder an: Er lobte Haseloff mit Worten, die auch auf ihn selbst passten. Dieser habe einen „klaren Kurs“und sei ein „Landesvate­r im besten Sinne“, sagte Laschet, der selbst Ministerpr­äsident

Die CDU hat bei der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni hoch gewonnen, die AfD kam auf Platz zwei. Die FDP eroberte wieder den Landtag, SPD, Linke und Grüne schnitten schwach ab. Alle Ergebnisse von 22 Parteien

in 218 Gemeinden finden Sie online:

Blumen für den Gewinner: Laschet gratuliert Ministerpr­äsident Reiner Haseloff zum Wahlsieg.

is t: „D ie CD U ist das Bollwerk gegen Extremismu­s.“Haseloff habe es zudem verstanden, die Sorgen, die der Kohleausst­ieg und der damit verbundene Strukturwa­ndel für die Menschen in der Region bedeute, „nicht mit Sprüchen und Polemisier­en, sondern mit Zuhören und hartem Verhandeln, auch auf Bundeseben­e“zu gestalten. Das klang fast, als hätte Laschet seine eigene Rolle beim Kohleausst­ieg in NRW beschriebe­n.

Haseloff verrät sein Erfolgsrez­ept

Der Stargast der Pressekonf­erenz bat zunächst um Nachsicht. „Es ist eine große Freude, die man meinem Gesicht vielleicht nicht so ansehen kann, weil ich heute Nacht nur drei Stunden geschlafen habe.“Dann machte er klar, dass er sich nicht ohne Weiteres vereinnahm­en lassen will. Noch nie sei sein Wahlsieg „so deutlich“gewesen, sagte Haseloff, der seit 2011 in Sachsen-Anhalt regiert. Dabei sei die Landespoli­tik oft von Bundesthem­en beeinfluss­t worden. Als Beispiel nannte er unter anderem die Flüchtling­skrise und die Pandemie. „Das ist schon kein einfacher Wahlkampf, den man führt.“Trotzdem sei ein Stimmzuwac­hs gelungen, der – kleiner Seitenhieb gegen Laschet – selbst den Zuwachs der CDU in Nordrhein-Westfalen bei der letzten Wahl übertreffe und – kleiner Seitenhieb gegen Bayerns Ministerpr­äsident Söder – ganz knapp hinter dem bayerische­n Ergebnis liege. Voller Stolz betonte Haseloff, dass man den Abstand zur AfD von 5,5 Prozent im Jahr 2016 auf jetzt 16,3 Prozent vergrößert habe. Es zeige, „dass wir unsere Hausaufgab­en gemacht haben“.

Wie das auch im Bund gelingen kann, beantworte­te Haseloff gleich selbst: „Die Union hat zusammenge­standen.“Explizit nannte er Armin

Laschet, aber auch Markus Söder und Friedrich Merz, der in Sachsen-Anhalt mehrfach Auftritte hatte. Ein solches Resultat sei auch bei der Bundestags­wahl „erreichbar, wenn wir geschlosse­n marschiere­n“, sagte Haseloff. Außerdem sei es gelungen, die Wählerinne­n und Wähler für die Folgen eines Wahlsiegs der AfD zu sensibilis­ieren.

Laschet kann zufrieden sein

Dann machte Haseloff der AfD eine Kampfansag­e: „Sie müssen aus allen Parlamente­n in Deutschlan­d raus – vor allem beginnend im Bundestag.“Er nannte es eine „gesamtdeut­sche Aufgabe“, die AfD weiter zurückzudr­ängen, und nicht allein eine des Ostens.

Solche Worte sind Wasser auf den Mühlen von CDUChef Laschet, der einerseits immer auf einen klaren Kurs

der Abgrenzung zur AfD dringt, anderersei­ts aber mit der Bundestags­kandidatur von HansGeorg Maaßen in Thüringen eine offene Flanke nach rechts hat. Zumal Haseloff – auf Nachfrage eines TV-Journalist­en – betonte, dass auch der Besuch von Laschet im Wahlkampf geholfen habe.

Unabhängig davon, ob dies auch der Wirklichke­it entspricht, kann Laschet mit dem Ergebnis zufrieden sein. Die Ausstrahlu­ng eines Verlierers, die ihn in den vergangene­n Wochen trotz seiner Siege im Kampf um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkan­didatur stets begleitete, scheint durchbroch­en. „Wichtig für Laschet ist, dass es keine Niederlage ist, die man ihm anheftet – das alleine ist ein riesiger Vorteil für Laschet“, sagt auch Thorsten Faas, Professor für Politische Soziologe an der Freien Universitä­t Berlin: „Ob er objektiv zu diesem Sieg beigetrage­n hat, spielt dabei eigentlich gar keine Rolle.“

Für Laschets Kanzlerkan­didatur könnte Sachsen-Anhalt tatsächlic­h der Wendepunkt gewesen sein. Noch muss er aber beweisen, dass er es auch aus eigener Kraft kann.

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