Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Unternehmer nutzt als Erster nach der Wende Gothas Straßenbahnen für die Werbung
Gotha.
Wo andere ihr 30-jähriges Firmenjubiläum feiern, weil sie nach der Wende die neuen Möglichkeiten genutzt haben, sind es bei Walter und zehn Renate Heyn zehn Jahre mehr. Er freute sich über Glückwünsche und Urkunden, übergeben von Anja Wolf, der Leiterin des regionalen Service-Centers Gotha der Industrie- und Handelskammer Erfurt (IHK), und Matthias Goldfuß, stellvertretender Vorsitzender des Gothaer Gewerbevereins.
Die Selbstständigkeit strebte er schon vor 1980 an. Der Antrag auf eine Gewerbeerlaubnis wurde immer wieder abgelehnt, bis einem Parteioberen auffiel, man habe in Branchen mit Engpässen anderen in Gotha das Gewerbe erlaubt. Und wie so vieles waren auch Blumen in der DDR knapp.
Start des Unternehmens auf nur 16 Quadratmetern
Das Geschäft war schon damals in der Mauerstraße 10 in Gotha, damals mit nur 16 Quadratmetern Fläche. Zwei Tage vor der Eröffnung am 11. April 1981 konnte Walter Heyn in Erfurt einen Wagen voller Blumen und Grünpflanzen abholen. Zur Eröffnung waren 200 Kunden vor der Tür, erinnert er sich. Als er später die zweite Lieferung beim Floristen-Großhandel abholte, standen nur noch 50 Freesien für ihn bereit. Er habe geheult wie ein kleines Kind, aber ließ sich nicht entmutigen, suchte und fand Kontakt zu Kleingärtnern und privaten Gärtnereien.
Hilfreich war ein Wartburg Tourist, den ihnen eine im Amerika lebende Tante seiner Gattin Renate schenkte. Er fuhr sogar mit einem Passierschein für das Grenzgebiet bis nach Großburschla, um 50 Nelken für eine Hochzeit zu bekommen. Mit der Wende ging es vom Mangel zum Überfluss. Heyn war der erste, der eine Straßenbahn mit Werbung bekleben ließ. „Heyn — das Blumenparadies in Gotha“klebte im Sommer 1990 an einer Thüringer Waldbahn. Es sei die erste Werbung an einer Straßenbahn in Gotha seit Kriegsende gewesen, erinnert sich Heyn. Das brachte ihm den Besuch eines Kleintransporter-Fahrers aus dem Westen ein, der in der Mauerstraße das Gartencenter suchte. Als Heyn seinen 16 Quadratmeter großen Laden zeigte, bekam der Fahrer einen Lachanfall.
Anja Wolf von der IHK-Erfurt und Matthias Goldfuß (rechts) von Gothaer Gewerbeverein übergeben vor dem Geschäft in der Mauerstraße in Gotha Urkunden zum 40-jährigen Firmenjubiläum an Walter Heyn. 2018 nahm Blumen-Heyn Abschied vom Geschäft am Neumarkt. Firmenund Stammkunden werden von der Mauerstraße aus bedient.
Später erweiterte Heyn das Geschäft in der Mauerstraße.
Dort bekam er jetzt die Urkunde der IHK etwas später, denn er hatte sich für das Handelsregister in A & A Blumen Heyn umbenannt, um in Telefonbüchern und anderen Verzeichnissen immer oben zu stehen. Da war der erste Buchstabe des Alphabetes sehr hilfreich.
Schon 1989 fragte sich der agile Selbstständige, wie das Geschäft im
Westen laufe. Er verabredete sich dazu in Salzgitter, Partnerstadt Gothas schon zu DDR-Zeiten. Doch der Gesprächspartner erschien nicht zum Termin. Ein Cousine, Geschäftsführerin im Einzelhandelsverband Niedersachsens, erklärte, für Thüringen sei der Floristen-Verband Hessen zuständig. Heyn erkundigte sich dort und beschloss, den Floristen-Verband Thüringen zu gründen. Er wollte nicht, dass wieder Vertreter der großen Firmen aus DDR-Zeiten das Zepter übernehmen. Gegründet wurde dann in Friemar, wo Walter Heyn wohnt, mit 300 Leuten im größten Saal des Ortes. Neun Jahre lang leitete er den Verband gemeinsam mit den Partnern aus der Gründungszeit, dann übergaben sie an die jüngere Generation.
Bei Ladengeschäft und Werkstatt in der Mauerstraße blieb es nicht. Zentrumsnah eröffnete Heyn 1991 ein weiteres Geschäft in der Schwabhäuser Straße und am „katholischen Bahnhof“, dem Kiosk zwischen Hauptpost und Ärztehaus. Zum Muttertag lief das Geschäft gut, danach ging dort nichts mehr trotz Parkplätzen und zentrumsnaher Lage. Weihnachten hat er es schließen müssen.
Mehr Erfolg brachte der Umzug von der Schwabhäuser Straße zum Neumarkt 10. Dort war er von 1994 bis 2018 zusätzlich zum Hauptgeschäft in der Mauerstraße. Er war gern dabei, beteiligte sich an den Shopping-Nächten und Stadtfesten.
Doch in der Innenstadt wurde es Jahr für Jahr immer ruhiger. Die Entscheidung, den Laden aufzugeben, kam aus dem Bauch, erwies sich aber als richtig. Firmen, Hotels, Veranstalter und Privatpersonen sind ihm trotzdem treu geblieben.
Walter Heyn, inzwischen 71, blickt auf eine lange Zeit zurück, darunter auch ehrenamtlich als Präsident des Friemarer Karnevals, und denkt nicht ans Aufhören, auch wenn er seinem Team viel Verantwortung übertragen konnte. In den Jahren wurden 25 Lehrlinge ausgebildet, die oft Floristenpreise gewannen.