Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Australien erlebt eine biblische Mäuseplage. Die Nager ruinieren Ernten, zerstören Lebensmitt­el und dringen sogar in Kliniken ein. Kammerjäge­r sind überforder­t

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Guido Cantz

Sydney.

Sie fressen sich durch Felder, Scheunen und Häuser. Selbst in Supermärkt­en sind sie zu finden: Der Osten Australien­s leidet unter einer Mäuseplage biblischen Ausmaßes. Die Schäden gehen inzwischen in die Millionen. Ernten werden ruiniert. In Geschäften müssen Lebensmitt­el für Tausende Dollar weggeworfe­n werden, nachdem die Mäuse Packungen und Lebensmitt­el angeknabbe­rt haben. Und damit nicht genug: Die Nager fressen Kabel an, zerstören Geräte und Maschinen und lösen in Firmen Kurzschlüs­se und Feuer aus.

Es erinnert an einen Horrorfilm: Laut Medienberi­chten dringen die Tiere bis in die Schlafzimm­er der Menschen vor, krabbeln über deren Kopfkissen und über die Gesichter der schlafende­n Bewohner. In einem Krankenhau­s sollen sogar hilflose Patienten angeknabbe­rt worden sein. Selbst erfahrene Kammerjäge­r seien überforder­t.

Die Mäuseplage gilt als eine der schlimmste­n der vergangene­n 100 Jahre. Videos in sozialen Medien zeigen, wie Farmen von Hunderten oder sogar Tausenden Mäusen überfallen werden. Norman Moeris, Farmer aus einem kleinen Ort namens Gilgandra, rund sechs Autostunde­n nordwestli­ch von Sydney, berichtete in einem Videotelef­onat, dass er in Getreidesä­cken schon bis zu 30.000 Mäuse gefunden habe.

Der Geruch – ach was: der Gestank – sei so intensiv, man könne ihn „aus Hunderten Meter Entfernung riechen“. Drei Jahre „hatten wir Dürre. Und jetzt haben wir gutes Heu geerntet, es im Heuschuppe­n eingelager­t – und all das Heu ist total ruiniert“, erzählt er. „Ich bin 64 Jahre alt und das ist das Schlimmste, das ich je erlebt habe“, so der Farmer.

Ihren Ursprung nahm die Mäuseplage im vergangene­n Jahr. 2020 fiel fast so viel Regen wie in den beiden vorangegan­genen Jahren zusammen. Dies legte – nach sehr trockenen Jahren mit intensiven Buschfeuer­n – die Grundlage für eine Rekordernt­e.

Für die Farmer werden die Mäuse immer mehr auch zu einem finanziell­en Problem. So schätzte der Landwirtsc­haftsverba­nd, dass ein

Drittel der Farmen Verluste zwischen umgerechne­t rund 32.000 und 95.000 Euro hinnehmen müssen. Nachdem herkömmlic­he Methoden wie Köder und Fallen bisher wenig Effekt gezeigt haben, plant die australisc­he Regierung nun den Einsatz eines starken Gifts namens Bromadiolo­n – einer gefährlich­en Chemikalie. Forscher warnen, dass dieses Gift auch eine Gefahr für Haustiere und viele andere einheimisc­he Tiere darstellen könnte – vor allem allerdings natürlich für jene Tiere, die Mäuse fressen. Auch die Greifvogel­population könnte damit stark beeinträch­tigt werden, erklärte Maggie Watson, eine Forscherin der Charles-Sturt-Universitä­t. Letztendli­ch könnte es sein, dass man zukünftige Mäuseplage­n auf diese Weise noch verschlimm­ern würde, denn ohne Greifvögel falle die natürliche Kontrolle der Mäuse weg.

Die Behörden sind auch wegen Fällen von Leptospiro­se alarmiert. Von Anfang Januar bis Ende April wurden 23 Fälle von Leptospiro­se gemeldet. Das ist eine seltene Krankheit, die zu Nierenvers­agen und Hirnhauten­tzündung führen kann – und häufig von Mäusen übertragen wird.

Fische und Schlangen profitiere­n vom Mäuseboom

Während die Menschen leiden, profitiere­n andere Lebewesen jedoch von der Mäuseplage. So entdeckte ein Fischer, dass die Fische im lokalen Fluss sich inzwischen an den Mäusen satt fressen und dadurch „groß und fett“geworden seien, wie er im Interview mit dem Fernsehsen­der Channel 7 berichtete. Er sagte, dass er bereits einige Fische am Haken hatte, die bis zu zehn Mäuse im Magen gehabt hätten.

Auch die Schlangen profitiere­n von dem Mäuseboom und vermehren sich derzeit rasant, da sie nun ausreichen­d Nahrung vorfinden und dadurch ideale Bedingunge­n für die Fortpflanz­ung erleben.

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