Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Schützenfest im letzten Test
Deutschland deklassiert Lettland bei der EM-Generalprobe mit 7:1 (5:0)
Düsseldorf.
Spannend war es durchaus gewesen, allerdings nur vor dem Anpfiff: Im Laufe des Tages nämlich war ein positiver Corona-Test eines Spielers der lettischen Nationalmannschaft bekannt geworden. Kurzzeitig stand auch eine Absage des letzten Testspiels der deutschen Nationalmannschaft vor der Europameisterschaft (11. Juni bis 11. Juli) im Raum. Doch die Behörden gaben grünes Licht – und damit den Weg frei für einen deutlichen 7:1
(5:0)-Sieg der DFB-Auswahl vor
1000 Zuschauern in Düsseldorf. Vor dem Anpfiff hatte auch Manuel Neuer im Blickpunkt gestanden: Der deutsche Kapitän absolvierte sein 100. Länderspiel, als erster deutscher Torhüter. Die Kollegen standen Spalier, als er den Platz betrat, seine Torwarthandschuhe zierte die Nummer 100.
Als das Spiel dann einmal angepfiffen war, waren diese Torwarthandschuhe
aber erwartungsgemäß selten im Bild. Das lag einerseits an den weitgehend harmlosen Letten und andererseits daran, dass Joachim Löw wie im vorangegangenen Test gegen Dänemark (1:1) auf defensive Stabilität setzte: In der Abwehr formierte sich erneut eine Dreierkette, die sich so als Löws bevorzugte Variante für den EM-Auftakt gegen Frankreich herauskristallisiert: mit Matthias Ginter, Mats Hummels und Antonio Rüdiger.
Rechts durfte sich überraschend Joshua Kimmich versuchen, der in den vergangenen Jahren stets im Zentrum unterwegs war. Und man merkte dem Münchener an, dass er sich auf der etwas ungewohnten Position erst wieder finden muss.
Keine Anlaufschwierigkeiten hatte auf der gegenüberliegenden Seite Robin Gosens, der Linksverteidiger empfahl sich nahe seiner Heimat Emmerich nachhaltig für die EMStartelf. Immer wieder ging er mit Tempo in die Tiefe, zog so den dichten lettischen Abwehrblock auseinander – und war dabei auch noch effektiv: Nach 20 Minuten nämlich brachte er die bis dahin noch etwas träge DFB-Elf sehenswert in Führung, nach 27 Minuten legte er Thomas Müller den Treffer zum 3:0 auf. Es war das erste Länderspieltor des Rückkehrers seit dem 23. März 2018, dem 1:1 gegen Spanien – ebenfalls in Düsseldorf.
Für das zwischenzeitliche 2:0 hatte mit einem wuchtigen Schuss von der Strafraumgrenze Ilkay Gündogan gesorgt, einer der England-Legionäre, die erstmals in der Startelf standen. Ein weiterer drückte der Partie noch deutlich stärker seinen Stempel auf: Kai Havertz fand auch in den engsten Räumen immer wieder Lücken zwischen den lettischen Abwehrbeinen. Vor dem 1:0 verschaffte er sich mit einer winzigen Körpertäuschung Raum für den Pass auf Gosens, später ließ er mit feinem Dribbling gleich zwei Gegner stehen und schoss aus spitzem
Winkel – und von Torhüter Roberts Ozols abgefälscht flog der Ball ins Tor (39.). Schwer vorstellbar, dass sich nach diesem Auftritt kein Startelfplatz für Havertz findet.
Von der Lust zur Zauberei ließ sich auch die Defensive anstecken: Hummels schlug aus der eigenen Hälfte einen Außenrist, Flugball auf Gnabry, der frei vorm Tor einschoss (45.). Und Zeit für etwas Seelenstreichelei war auch noch: Der eingewechselte Timo Werner, zuletzt oft glücklos, erhöhte auf 6:0 (50.).
Die deutsche Mannschaft stürmte weiter, vergab aber beste Chancen. Stattdessen ärgerte Aleksejs Saveljevs den Jubilar Neuer, als er aus der Ferne einen herrlichen Ehrentreffer erzielte (75.). Während der Torhüter noch schimpfte, traf Leroy Sané vorne zum 7:1.
So wurde die Partie das erhoffte Warmschießen für das erste EMSpiel am 15. Juni – ein Gradmesser für Weltmeister Frankreich aber waren die Letten nun wirklich nicht.