Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Rechnungen für Polizeieinsätze bei Nazi-Partys bleiben aus
Lediglich ein Bescheid seit 2017. Interner Bericht hält die Ermittlung der Verwaltungskosten offenbar für nachrangig
Erfurt. 10. Februar 2017: Liederabend in Eisenach mit etwa hundert Teilnehmern. 26. Mai 2018: Geburtstagsfeier mit 56 Teilnehmern.
25. Mai 2019: Konzert in Kirchheim mit 244 Teilnehmern. 4. Juli 2020: Clubhausabend in Erfurt mit 30 Teilnehmern – all diese Veranstaltungen und 49 weitere in Thüringen eint, dass sie Veranstaltungen der rechtsextremen Szene gewesen sind und seit 2017 durchgeführt wurden, obwohl möglicherweise eine Anmeldung oder Genehmigung notwendig gewesen wäre.
Die Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Madeleine Henfling
(Grüne) listet bis Ende 2020 insgesamt 53 solcher Treffen auf. Hunderte Polizeibeamte kamen dabei zum Einsatz. Nur in einem Fall wurde dem Veranstalter eine Kostenrechnung von etwa 28.000 Euro gestellt. Henfling sagt: „Ich kann das nicht nachvollziehen.“
Sie fordert von Innenminister Georg Maier (SPD), „die Behörden auch in die Lage zu versetzen, das nach unten durchzusetzen“. Was sie meint, ist klar: Wenn Rechtsextremisten durch illegale Veranstaltungen dem Staat Kosten verursachen, dann sollen sie dafür auch zur Kasse gebeten werden.
Ein Erlass vom Dezember 2020 aus dem Innenministerium klingt so, als ob diese Linie verfolgt wird.
Darin wird angewiesen, dass kostenpflichtige öffentliche Leistungen der Thüringer Polizei geprüft werden sollen. Explizit eingeschlossen werden nach Informationen dieser Zeitung Rechtsrock-Veranstaltungen „wie die in Kirchheim oder Kloster Veßra“. Dennoch gibt es bisher nur in einem Fall einen Kostenbescheid.
Ein Innenrevisionsbericht der Landespolizeidirektion könnte Aufschluss geben, warum das so ist. Beauftragt wurde die Innenrevision nach Informationen dieser Zeitung von Polizeipräsident Frank-Michael Schwarz, der seit wenigen Tagen als Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium abgeordnet ist und das Papier auch kennen soll.
In dem internen Dokument vom Mai 2020 wird die Beschäftigung der Polizei mit der Ermittlung von Verwaltungskosten nach Informationen dieser Zeitung als eine „falsch ausgelegte Verhinderungstaktik“bezeichnet. Heißt: Kostenbescheide, die politisch gewollt sind, wenn dem Staat Kosten durch mutmaßlich illegale Veranstaltungen entstehen, werden offenbar als nachrangig angesehen.
Auf Anfrage bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums die Existenz des Berichts, erklärte aber, dass er dem Haus nicht vorliege. Er sei inhaltlich nicht in eine Weisungslage zur Nachbereitung solcher Einsätze überführt worden. Widerspricht das, was da formuliert wird, dem späteren ministeriellen Erlass? Oder war dieser Bericht gar der Anlass für die Weisung aus dem Haus von Maier, der sein Engagement gegen Rechtsextremismus zuletzt beim SPD-Parteitag betonte?
Wie positioniert sich nun das Ministerium dazu, Kosten, die durch illegale Rechtsrock-Konzerte oder andere Veranstaltungen der Szene entstehen, zu berechnen? „Der Wille des Innenministeriums drückt sich in der genannten Erlasslage aus“, sagt ein Ministeriumssprecher und verweist darauf, dass die derzeit vorhandenen Rechtsnormen eine polizeiliche Kostenerhebung nur zulassen würden, „wenn eine konkret zu verantwortende Störung durch den Veranstalter erfolgt“.