Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Volltreffer nach musikalischer Zwangspause
Gotha.
Endlich wieder Live-Musik! Künstler und Publikum schwingen in einem gemeinsamen Resonanzfeld – diesen Flow können weder CDs noch Youtube-Videos bieten. Am Mittwochvormittag war es so weit: Musikalische Andacht in der Augustinerkirche. Eingeladen hatte das Evangelische Forum das Weimarer Musikerehepaar Elena Metelskaya (Klavier) und Martin Müller-Weiffenbach (Violoncello, Vortrag), geliebt von seinem Löfflerhaus-Stammpublikum und lange schmerzlich vermisst.
Es ging um Chopin. Zu Beginn spielte Elena Metelskaya eines seiner bekanntesten Nocturnes, op. 9 Nr. 2 in Es-Dur, getragen von einer Melodie, die gesanglicher nicht sein kann – durchgeistigt und in unschuldiger Anmut interpretiert auf einem eher mittelmäßigen Flügel. Später dann die nicht minder populäre „Grande Valse brillante“.
Wissen auf eine Weise vermittelt, die unter die Haut geht
Erneut erwies sich Martin Müller-Weiffenbach als lebendiger, sachkundiger Erzähler, indem er ein plastisches Lebensbild Fryderyk Chopins entwarf. Der Professor, der in Genf und Bern nicht nur das Cellospiel unterrichtete, sondern auch Didaktik-Vorlesungen hielt, weiß Wissen so zu vermitteln, dass es unter die Haut geht.
Polen, 1795 zwar als Staat verschwunden, kulturell aber getragen von einer hoch gebildeten, breit gestreuten Aristokratie: Hier hinein wurde Fryderyk Chopin 1810 geboren als Sohn musikaffiner Eltern, eine Art Wunderkind. In Wien traf er auf ein in Virtuosen wie Moscheles und Thalberg verliebtes Publikum.
Virtuosität als Schlüssel zum Reich des Seelischen
Das überraschte er mit seinem technisch ebenso überragenden, aber zugleich von ungewohnter Noblesse gekrönten Spiel. Selbst in der Revolutionsetüde, die Elena Metelskaya vortrug, vermag Verzweiflung nicht den Rahmen des Kultivierten zu durchbrechen.
Chopins Virtuosität ist nie oberflächlich, Beifall heischend, sondern stets Schlüssel zum Reich des Seelischen. Weshalb er lieber Konzerte im kleinen Kreis gab, so auch in den unzähligen Pariser Salons.
Die Darstellungen der Liebesbeziehungen des zeitlebens kranken Musikers, nicht zuletzt zu der berühmten, als femme fatale verrufenen Literatin George Sand, vervollständigten das Künstler- und Menschenbild, das Müller-Weiffenbach malte.
Als Duo zu hören waren beide mit dem Largo aus einer Cellosonate des ChopinFreunds Auguste Franchomm, dem heiteren, dann wieder enthusiastischen Scherzo aus Chopins Sonate op. 65, g-Moll und, zum Schluss, mit dem Jugendwerk „Introductione Polonaise brillante“op. 3.
Damit endete ein musikalisch-informatives Bildungsangebot, das mitten ins Schwarze traf.