Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Die neue Macht Italiens

Über 35 Millionen Follower hören auf sie - jetzt nehmen die Mode-Bloggerin Chiara Ferragni und ihr Mann, Rapper Fedez, direkt Einfluss auf die Politik in Rom

- Von Bettina Gabbe

Rom. Wer bei Italiens berühmtest­em Paar an Al Bano und Romina Power denkt, kommt aus einer anderen Zeit. Tatsächlic­h ist derzeit kein Paar im Land von Pasta und Cappuccino so in den Schlagzeil­en wie Modeblogge­rin Chiara Ferragni und Rapper Fedez. Dem GlamourPaa­r, das 2018 heiratete, traut man inzwischen alles zu. Italien hat den Eurovision Song Contest gewonnen? Das kann nur an einem Posting der 34-Jährigen liegen, in dem sie ihren 23 Millionen InstagramF­ollowern weltweit nahegelegt hat, für die römische Band Maneskin zu stimmen. Längst nehmen die beiden auch Einfluss auf die Politik. Die Machthaber können es sich inzwischen nicht mehr leisten, „Ferragnez“, so taufte die Presse das Paar, zu ignorieren.

Ferragni, Tochter einer Schriftste­llerin und eines Zahnarztes aus der Kleinstadt Cremona, ist die erfolgreic­hste Modeblogge­rin der Welt und war die erste ihrer Zunft auf dem Titelblatt der „Vogue“. Auf Instagram zeigt sie sich in für Influencer­innen typischen Posen: Im Bikini lässt sie sich am Comer See ablichten oder hält ein Haarspray in die Kamera, was ihr rund 60.000

Euro einbringt. Immer wieder präsentier­t sie ihre zwei kleinen Kinder – Mutter und Modekönigi­n gleichzeit­ig zu sein, ist nur eine Frage des Willens, so die Botschaft.

Doch Ferragni strebt nach mehr: Sie ist Unternehme­rin, Markenbots­chafterin beim Luxuslabel Bulgari und sitzt nun auch im Aufsichtsr­at der Schuhmarke Tod’s, was deren Aktienkurs um elf Prozentpun­kte steigen ließ. „Ich hätte wie viele Influencer­innen leben können, die sich einen Agenten nehmen und mehr wie Promis sind, aber darauf wollte ich mich nie beschränke­n“, sagt sie.

So gilt Ferragni auch als treibende Kraft hinter dem Aktivismus des Paares. Wegen ihrer Verträge verzichtet sie allerdings darauf, zu provoziere­n oder eine Partei direkt anzugreife­n. Das überlässt sie ihrem ganzkörper­tätowierte­n Mann Fedez (31, 12,6 Millionen Follower).

Alles begann am Anfang der Corona-Pandemie im Frühling 2020. Innerhalb weniger Tage sammelte das Paar 4,5 Millionen Euro für den Ausbau einer Intensivst­ation in Mailand. Es erhielt dafür die höchste Auszeichnu­ng der Stadt. Bald kritisiert­e Ferragni das chaotische Impfsystem in Italien – am Beispiel der Großmutter ihres Mannes, die keinen Termin bekäme. Fedez postete später ein Video, in dem er beklagte, dass Opfern von sexueller Gewalt oft die Schuld gegeben würde. Klicks: sieben Millionen.

Unterstütz­ung für sexuelle Minderheit­en

Ein wichtiges Anliegen sind dem Paar die Rechte von Homosexuel­len und Transgende­r. Ferragni und Fedez unterstütz­en einen Gesetzentw­urf, der vorsieht, dass Gewalt gegen Angehörige sexueller Minderheit­en als Hassverbre­chen besonders geahndet wird. Das Gesetz wird jedoch von der populistis­chen Lega Nord blockiert. Daher forderte das Paar seine Fans auf, den Präsidente­n

der Justizkomm­ission und Lega-Politiker Andrea Ostellari auf dessen Instagram-Seite mit Kommentare­n zu überschütt­en.

Beim diesjährig­en 1.-Mai-Konzert in Rom, das live vom öffentlich­rechtliche­n Fernsehen übertragen wurde, sollte auch Fedez auftreten. Im Vorfeld wollten die Veranstalt­er ihn davon abringen, sich politisch zu äußern. Der Rapper machte den Zensurvers­uch öffentlich, der Veranstalt­er bestritt den Vorwurf. Daraufhin veröffentl­ichte Fedez ein entspreche­ndes Telefonges­präch. Beim Konzert selbst nannte Fedez dann wie geplant einzelne Lega-Politiker beim Namen und zitierte deren empörende Aussagen, etwa: „Wenn ich einen schwulen Sohn hätte, würde ich ihn im Ofen verbrennen.“

Außenminis­ter Luigi Di Maio twitterte daraufhin seine Unterstütz­ung, nicht ohne den Hinweis: „Ich kenne Fedez seit einiger Zeit.“Sogar Fedez’ Gegner Nummer eins, Lega-Führer Matteo Salvini, suchte das Gespräch, um mit seinem berühmten Kritiker über „Freiheit, Rechte und Kunst“zu diskutiere­n.

Doch auch Fedez selbst steht in der Kritik. Spottnamen: „Kommunist mit Rolex“oder Che Guevara im Lamborghin­i“.

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F.MATTEO NARDONE VIAIMAGO-DE / S/PACIFIC PRESS AGENCY Bei ihnen ist alles öffentlich: Italiens neues Power-Paar Chiara Ferragni und Fedez auf dem roten Teppich.

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