Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Liberale Gruppentherapie
Fragen und Antworten Wie es mit der FDP im Landtag weitergehen dürfte
Am Montag berät der Ältestenrat des Landtags über die wahrscheinliche Auflösung der FDPFraktion. Hier die Hintergründe.
Was ist eine Fraktion?
Ein Zusammenschluss von Parlamentsmitgliedern derselben Partei oder Wahlliste. Fraktionen haben viel mehr Rechte als Einzelabgeordnete. Sie können zum Beispiel Gesetzentwürfe einbringen, Aktuelle Stunden beantragen oder Anträge stellen. Ihnen stehen in Thüringen Plätze im Landtagspräsidium oder im Ältestenrat zu, außerdem der Vorsitz von Fachausschüssen.
Gibt es auch zusätzliches Geld?
Ja. Fraktionen bekommen zusätzliche Zuschüsse. Bei der FDP-Fraktion handelt es sich immerhin um rund 125.000 Euro im Monat, davon allein 65.000 Euro für bis zu neun Stellen. Der Fraktionsvorsitzende Thomas Kemmerich bekommt die doppelte Abgeordnetendiät von 6050 Euro, also 12.100 Euro und hat das Anrecht auf einen Dienstwagen mit Chauffeur.
Wieso droht der FDP-Fraktion das aus?
Das liegt an der Landesverfassung, und in der Folge am Abgeordnetengesetz und der Geschäftsordnung des Parlaments. Denn darin ist festgelegt, dass eine Landtagsfraktion zwingend mindestens fünf Abgeordnete haben muss. Da die inzwischen parteilose Abgeordnete Ute Bergner angekündigt hat, Anfang September in die konkurrierende Kleinstpartei „Bürger für Thüringen“einzutreten, kann sie damit automatisch nicht mehr der FDPFraktion angehören. Damit gibt es noch nur vier FDP-Abgeordnete im Landtag – und keine Fraktion mehr.
Was nun?
Theoretisch könnte ein Mitglied aus einer anderen Fraktion zu den Liberalen wechseln, er müsste nur vorher aus seiner bisherigen Partei austreten. Spekuliert wird, dass es sich dabei um einen jener Unionsabgeordneten handeln könnte, die ihre Zustimmung zur Neuwahl verweigerten. Aber dieses Szenario erscheint unwahrscheinlich. Eher dürfte erstmals im Thüringer Parlament eine Gruppe gebildet werden.
Was ist denn das bitte?
Die Vereinigung von mehreren Abgeordneten, die zahlenmäßig keine Fraktion bilden können. Im Bundestag und einigen Landtagen gibt es diese Möglichkeit – wobei Gruppen weniger Rechte als Fraktionen besitzen und weniger Geld erhalten. Voraussetzung ist in der Regel, dass die Abgeordneten derselben Partei oder Wahlliste angehören.
Also wird die FDP zur Gruppe?
Dafür müsste die Geschäftsordnung des Landtags geändert werden, und zwar von zwei Dritteln seiner Mitglieder. Weil niemand mit der AfD reden will, heißt das: Es ist die Zustimmung von Linke, SPD, Grünen und der CDU nötig – die sich alle noch sehr gut daran erinnern, dass die Liberalen zuletzt ihr Ja zur Neuwahl des Landtags verweigerten. Gleichzeitig spekuliert aber die Minderheitskoalition darauf, dass die vier Liberalen nach dem Auslaufen des Stabilitätspakts mit der Union genau die vier nötigen Stimmen zur Mehrheit im Parlament liefern, um Gesetze wie den Landesetat 2022 zu beschließen. Kemmerich müht sich sichtlich darum, den Eindruck der Erpressbarkeit zu dementieren. „Wir werden keine Deals machen, Gruppenstatus gegen welche Zustimmung auch immer“, sagte er dem MDR.
Und die CDU?
„Ich bin immer dafür, dass die demokratischen Kräfte im Landtag miteinander reden“, sagt ihr Fraktionschef Mario Voigt. „Die FDP muss mitarbeiten können.“Allerdings sei über die „konkreten Bedingungen“zu reden. Heißt wohl: Eine Gruppe mit vollen Fraktionsrechten, -posten und -zuschüssen wird es nicht geben.