Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Evolution vom Wildbeuter zum Weltall-Touristen
Das Konsortium Luft und Tiefe erzählt in vergnüglichem Sommertheater „Die Geschichte der Menschheit, leicht gekürzt“
Nach Stationen in Kannawurf (Kreis Sömmerda), Leipzig und Halle beschließt das freie Konsortium Luft und Tiefe derzeit seine sommerliche Open-Air-Rundreise im Weimarer Bienenmuseum – auf der Agenda nichts weniger als „Die Geschichte der Menschheit“, von zirka sieben Millionen Jahren Echtzeit auf eineinhalb Stunden gerafft.
Ohne Kulissen und Requisiten, mit nichts als sechs Stühlen und ein paar Musikgeräten praktizieren Astrid Kohlhoff, Jan Uplegger, Maria Steurich und Simon van Parys auf der Bühne, die die Welt bedeutet, was Hominiden seit der Altsteinzeit lieben: Geschichten erzählen und spielen – allerdings CO2-emissionsarm ohne Lagerfeuer. Komödiantisches Diskurstheater also.
Bloß kein Klamauk, das Thema ist ernst, aber Kichern wohlfeil. Die vier Akteure spielen – wie wir alle – vornehmlich die Rollen ihrer selbst und bespötteln folglich das eigene Da- und Sosein – eine noble und zivilisierte Form des Humors. Zwar bleibt die Performance recht statisch und steif im Vortragsgestus gefangen, die Musikeinlagen sind flach und die Pantomimen zuweilen ein wenig hölzern. Doch die Stückentwicklung kraft eigener (Er-)Findungsgabe hat es absolut in sich, zumal das Quartett uns dazu bringt, übers Menschsein zu reflektieren – dafür großen Beifall!
Wie nun das Unfassliche greifen? Runter von den Bäumen, den aufrechten Gang beherrschen wir schon und wurden von der allegorischen Frau Kohlhoff alias „der Evolution“mit freien Händen samt Daumen zum Werkzeuggebrauch, einem fantastischen Denkapparat nebst Sprachfähigkeit sowie einer körpereigenen Klimaanlage, den Schweißdrüsen, perfekt ausgestattet, um in der Savanne zu jagen. Nur zwei, drei Stunden am Tag benötigte der Urtypus des Wildbeuters, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Der Sündenfall, der Arbeit macht, passierte erst mit der Sesshaftwerdung vor rund 11.000 Jahren.
Die Mühsal der Landwirtschaft stiftet die Basis für planvolle Vorratshaltung,
aber zugleich Besitz, also Konflikt- und Kriegspotenzial. Der Weizen, erklärt Simon van Parys, hat uns domestiziert – nicht umgekehrt. Andererseits ermöglichen die Segnungen urbaner Zivilisation erst jenen technischen Fortschritt, der uns vom Steppenläufer zum Weltall-Touristen aufsteigen ließ.
So benennt das Quartett auf seiner Tour d’Horizont die Meilensteine der Entwicklung, gönnt sich Ausflüge in die griechische Sagenwelt und eine Kritik des Patriarchats. All das ist im Ganzen ungemein lehrreich und anregend und lohnt den Einsatz von Lebenszeit allemal.
Bis Sonntag täglich, 20 Uhr, im Hof des Bienenmuseums Weimar