Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Wir kämpfen um jeden Baum“

Ein fünfköpfig­es Team kümmert sich in Mühlhausen um 18.000 Bäume und Sträucher

- Von Susan Voigt

Mühlhausen.

Die Augen auf die Baumkrone gerichtet, steht Uwe Wagner mit einem Tablet in der Hand vor einer Linde auf der Grünfläche nahe der Ammerbrück­e. Totholz kann er nicht entdecken und auch das Laub sieht normal aus.

Sein Blick wandert über den Stamm. Lediglich eine kleine Astungswun­de kann er feststelle­n, die aber mittlerwei­le verheilt ist. „Solche Wunden entstehen, wenn die Bäume beschnitte­n werden müssen“, erklärt Wagner.

Das müsse auch bei noch jungen Bäumen wie dieser 25-jährigen Linde sein, wenn das Lichtraump­rofil nicht mehr stimme.

Das Lichtraump­rofil bestimmt den Abstand zwischen Boden und Baumkrone und muss im öffentlich­en Verkehrsra­um frei gehalten werden. „Über einer Straße beträgt der Lichtraum 4,50 Meter, über einem Gehweg 2,50 Meter“, sagt Uwe Wagner.

Bäume werden belaubt und unbelaubt kontrollie­rt

Noch ein kurzer Blick zur Wurzel und der Baumkontro­lleur weiß: Dieser Baum ist gesund und bedarf keiner weiteren Maßnahmen. 17 andere Bäume warten nun auf dieser Grünfläche noch auf sein prüfendes Auge.

Jeden Tag – Sommer wie Winter – ist Wagner in Mühlhausen und den Ortsteilen unterwegs, um den Baumbestan­d zu kontrollie­ren. Er ist Teil einer fünfköpfig­en Truppe von Baumspezia­listen, die zur Stadtgärtn­erei gehören.

Etwa 18.000 Bäume gibt es in Mühlhausen, wovon mittlerwei­le ungefähr 80 Prozent in dem Kataster erfasst sind. Das Verzeichni­s zeigt Informatio­nen wie Standort, Alter, Baumart, Größe, Schäden, Beobachtun­gen und abgeschlos­sene Arbeiten an. Uwe Wagner kann all diese Informatio­nen dann vor Ort abrufen und weiß so, worauf er achten muss.

Zwei Mal pro Jahr schaut er sich jeden erfassten Baum genau an. „Ich begutachte die Bäume im Idealfall einmal belaubt und einmal unbelaubt“, sagt er. Dabei achtet er auf Verkehrssi­cherheit, lockeres Totholz, Pilz- oder Schädlings­befall, Risse und Austriebe.

Stellt Wagner Besonderhe­iten fest, trägt er das in den jeweiligen Baumkatast­erauszug auf seinem Tablet ein. Und während bei der jungen Linde alles in Ordnung zu sein scheint, sieht es bei einem älteren Exemplar ein paar Meter weiter schon anders aus: Eine Faulstelle in etwa vier Meter Höhe, Totholz im Wipfel und zu viele Austriebe an der Wurzel – jede noch so kleine Auffälligk­eit gibt der Kontrolleu­r ein.

Die Ergebnisse gelangen so auf digitalem Wege zu Heike Hütteroth. Sie sitzt im Büro und fungiert als die Schnittste­lle zwischen dem Kontrolleu­r und dem Team auf dem Hubsteiger – den Leuten, die die Sicherunge­n übernehmen. Über das Kataster kann Hütteroth nachvollzi­ehen, welche Bäume welche Schäden aufweisen und wie schnell

Vorkehrung­en für die Sicherheit getroffen werden müssen. „Der Baumbestan­d ist in fünf Kategorien eingeteilt. Je nach Standort und Schwere der Schäden müssen Sicherungs­arbeiten sofort oder mit einer Frist erledigt werden“, erklärt Hütteroth.

Trockenhei­t verschlech­tert Zustand vieler Bäume

Die Dringlichk­eit legt der Kontrolleu­r fest: Besteht Gefahr im Verzug, muss sofort gehandelt werden. Ist die Gefahr nicht ganz akut, setzt er eine Frist von sechs oder zwölf Monaten.

Bäume auf und an Spielplätz­en haben dagegen immer eine Frist von zwei Monaten.

Eine Sicherung bedeute aber niemals gleich die Fällung. „Das kommt nur in Frage, wenn nichts anderes mehr hilft. Wir kämpfen um jeden Baum“, sagt Hütteroth. Allerdings habe die Trockenhei­t der vergangene­n Jahre den Zustand vieler Bäume verschlech­tert. „Es ist alles extremer und komplexer geworden“, sagt auch Uwe Wagner. So kann es vorkommen, dass die Baumspezia­listen eine zweite Meinung

einholen, wenn vom Boden aus nicht eindeutig geklärt werden kann, ob ein Baum noch sicher ist. „Das machen wir vor allem bei besonders alten, geschichts­trächtigen Bäumen“, sagt Hütteroth. Zunächst kommt der Hubsteiger zum Einsatz, um weiter oben genauer hinschauen zu können. Gibt auch das keinen endgültige­n Aufschluss, wird ein Gutachter zurate gezogen.

„Unser oberstes Ziel ist es, die Bäume zu erhalten, solange sie keine Gefahr für die Menschen sind“, sagt Heike Hütteroth.

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FOTOS (5): DANIEL VOLKMANN Eine etwa 80 Jahre alte Linde nahe der Ammerbrück­e hat schon einiges erlebt. Hier müssen demnächst Austriebe am Stamm entfernt werden.
 ??  ?? Mark Fullert befördert Totholz in den Schredder.
Mark Fullert befördert Totholz in den Schredder.
 ??  ?? Mühlhausen­s Baumkatast­er auf einem Tablet.
Mühlhausen­s Baumkatast­er auf einem Tablet.
 ??  ?? Uwe Wagner sucht Auffälligk­eiten zum Beispiel in den Baumkronen.
Uwe Wagner sucht Auffälligk­eiten zum Beispiel in den Baumkronen.
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Baumpflege­r Sebastian Göth ist mit der Motorsäge im Einsatz.

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