Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„Wir kämpfen um jeden Baum“
Ein fünfköpfiges Team kümmert sich in Mühlhausen um 18.000 Bäume und Sträucher
Mühlhausen.
Die Augen auf die Baumkrone gerichtet, steht Uwe Wagner mit einem Tablet in der Hand vor einer Linde auf der Grünfläche nahe der Ammerbrücke. Totholz kann er nicht entdecken und auch das Laub sieht normal aus.
Sein Blick wandert über den Stamm. Lediglich eine kleine Astungswunde kann er feststellen, die aber mittlerweile verheilt ist. „Solche Wunden entstehen, wenn die Bäume beschnitten werden müssen“, erklärt Wagner.
Das müsse auch bei noch jungen Bäumen wie dieser 25-jährigen Linde sein, wenn das Lichtraumprofil nicht mehr stimme.
Das Lichtraumprofil bestimmt den Abstand zwischen Boden und Baumkrone und muss im öffentlichen Verkehrsraum frei gehalten werden. „Über einer Straße beträgt der Lichtraum 4,50 Meter, über einem Gehweg 2,50 Meter“, sagt Uwe Wagner.
Bäume werden belaubt und unbelaubt kontrolliert
Noch ein kurzer Blick zur Wurzel und der Baumkontrolleur weiß: Dieser Baum ist gesund und bedarf keiner weiteren Maßnahmen. 17 andere Bäume warten nun auf dieser Grünfläche noch auf sein prüfendes Auge.
Jeden Tag – Sommer wie Winter – ist Wagner in Mühlhausen und den Ortsteilen unterwegs, um den Baumbestand zu kontrollieren. Er ist Teil einer fünfköpfigen Truppe von Baumspezialisten, die zur Stadtgärtnerei gehören.
Etwa 18.000 Bäume gibt es in Mühlhausen, wovon mittlerweile ungefähr 80 Prozent in dem Kataster erfasst sind. Das Verzeichnis zeigt Informationen wie Standort, Alter, Baumart, Größe, Schäden, Beobachtungen und abgeschlossene Arbeiten an. Uwe Wagner kann all diese Informationen dann vor Ort abrufen und weiß so, worauf er achten muss.
Zwei Mal pro Jahr schaut er sich jeden erfassten Baum genau an. „Ich begutachte die Bäume im Idealfall einmal belaubt und einmal unbelaubt“, sagt er. Dabei achtet er auf Verkehrssicherheit, lockeres Totholz, Pilz- oder Schädlingsbefall, Risse und Austriebe.
Stellt Wagner Besonderheiten fest, trägt er das in den jeweiligen Baumkatasterauszug auf seinem Tablet ein. Und während bei der jungen Linde alles in Ordnung zu sein scheint, sieht es bei einem älteren Exemplar ein paar Meter weiter schon anders aus: Eine Faulstelle in etwa vier Meter Höhe, Totholz im Wipfel und zu viele Austriebe an der Wurzel – jede noch so kleine Auffälligkeit gibt der Kontrolleur ein.
Die Ergebnisse gelangen so auf digitalem Wege zu Heike Hütteroth. Sie sitzt im Büro und fungiert als die Schnittstelle zwischen dem Kontrolleur und dem Team auf dem Hubsteiger – den Leuten, die die Sicherungen übernehmen. Über das Kataster kann Hütteroth nachvollziehen, welche Bäume welche Schäden aufweisen und wie schnell
Vorkehrungen für die Sicherheit getroffen werden müssen. „Der Baumbestand ist in fünf Kategorien eingeteilt. Je nach Standort und Schwere der Schäden müssen Sicherungsarbeiten sofort oder mit einer Frist erledigt werden“, erklärt Hütteroth.
Trockenheit verschlechtert Zustand vieler Bäume
Die Dringlichkeit legt der Kontrolleur fest: Besteht Gefahr im Verzug, muss sofort gehandelt werden. Ist die Gefahr nicht ganz akut, setzt er eine Frist von sechs oder zwölf Monaten.
Bäume auf und an Spielplätzen haben dagegen immer eine Frist von zwei Monaten.
Eine Sicherung bedeute aber niemals gleich die Fällung. „Das kommt nur in Frage, wenn nichts anderes mehr hilft. Wir kämpfen um jeden Baum“, sagt Hütteroth. Allerdings habe die Trockenheit der vergangenen Jahre den Zustand vieler Bäume verschlechtert. „Es ist alles extremer und komplexer geworden“, sagt auch Uwe Wagner. So kann es vorkommen, dass die Baumspezialisten eine zweite Meinung
einholen, wenn vom Boden aus nicht eindeutig geklärt werden kann, ob ein Baum noch sicher ist. „Das machen wir vor allem bei besonders alten, geschichtsträchtigen Bäumen“, sagt Hütteroth. Zunächst kommt der Hubsteiger zum Einsatz, um weiter oben genauer hinschauen zu können. Gibt auch das keinen endgültigen Aufschluss, wird ein Gutachter zurate gezogen.
„Unser oberstes Ziel ist es, die Bäume zu erhalten, solange sie keine Gefahr für die Menschen sind“, sagt Heike Hütteroth.