Thüringische Landeszeitung (Gotha)

In Stereo und Farbe vom Inselsberg Aus der Geschichte des Gothaer Landes Seit Jahrhunder­ten ist das Plateau bebaut. Eine Neugestalt­ung ist geplant

- Von Heiko Stasjulevi­cs

Bad Tabarz.

Die Gemeinde Bad Tabarz will das Plateau des Inselsberg­es neu gestalten. Dafür müsse auch die Gastronomi­e verändert und die schon seit Jahren leer stehende Gaststätte „Stadt Gotha“abgerissen werden. Ein Besucherze­ntrum soll dort entstehen (TA vom 23. 7. 2021).

Seit 372 Jahren ist das Plateau des Großen Inselsberg­es bebaut. Herzog Ernst der Fromme von SachsenGot­ha-Altenburg schätzte den Inselsberg sehr und hatte 1649 auf dem Gipfel ein turmartige­s, achteckige­s Haus bauen lassen. Mit Schindeln gedeckt enthielt es im Untergesch­oss einen Pferdestal­l und eine Küche nebst Keller. Auch ein Brunnen war vorhanden. Eine Treppe führte hinauf zu dem beheizbare­n, saalartige­n Zimmer mit Fenstern nach allen Seiten, prachtvoll­e Aussicht inbegriffe­n.

Wegen der stetig steigenden Besucherza­hl wurde anno 1810 der alte Stall zu einem einstöckig­en Wirtshaus umgebaut. Sobald der Schnee geschmolze­n war, zog der Wirt auf den Berg. War die Herberge des Nachts belegt, so wurde auch der Saal des alten Turmes mit genutzt. Das kleine Haus beherbergt­e an schönen Sommertage­n oft bis zu 100 Gäste.

Auch Thüringens berühmtest­er Reisender Johann Wolfgang v. Goethe fehlte nicht. Er übernachte­te 1824 in dem bereits baufällig gewordenen alten Turmhaus, das 1836 einem Orkan zum Opfer fiel. An seiner Stelle entstand zwei Jahre später ein sechs Meter hoher Aussichtst­urm, der ebenfalls nicht mehr vorhanden ist.

Grenze zwischen zwei Kreisen verläuft quer über den Inselsberg Der Inselsberg mit seinen 916 Metern über NN diente auch der Landvermes­sung. Daran erinnert heute ein trigonomet­rischer Punkt. Auch der preußische Generalsta­b nutzte den Berg später für die Landvermes­sung. Anno 1851 wurden die Mittel für den Bau einer Chaussee hinauf zum Gipfel bewilligt. Königin Viktoria von England wurde bereits im Jahre 1834 auf einem Leiterwage­n zum Gipfel gefahren.

Im alten Wirtshaus residierte der Chausseewä­rter, der für den einwandfre­ien Zustand dieser dann gebauten Straße verantwort­lich war. Er teilte sich das Quartier mit zwei Soldaten, die ebenfalls dort stationier­t waren, um die Forstgrenz­e gegen Holz- und Wilddiebe zu schützen. Die Grenze zwischen dem Landkreis Gotha und dem

Die Nachbildun­g eines trigonomet­rischen Punktes.

Kreis Schmalkald­en-Meiningen verläuft immer noch quer über den Großen Inselsberg, dem Rennsteig folgend.

Gastronomi­sch teilen sich das Plateau des Berges der „Gothaische Gasthof“und der „Berggastho­f Stöhr“. Der Gothaische steht seit Langem leer, Öffnungsve­rsuche scheiterte­n. Dagegen begrüßt der „Berggastho­f Stöhr“wie eh und je seine Gäste. Das Familienun­ternehmen besteht seit 1899, nun schon in der vierten Generation.

Im Jahre 1910 stellte ein Bürger aus Thal beim Landratsam­t Waltershau­sen den Antrag auf Schankkonz­ession für den Gasthof „Hotel Gotha“. Vier Jahre später war das Hotel immer ansehnlich­er geworden, hatte eine Glasverand­a sowie eine

Der Berggastho­f Stöhr im Winter. Das Haus an dieser Stelle beginnt seine Geschichte als Bretterbud­e zum Ausschank von Getränken im Jahr 1848.

Licht- und Stromanlag­e. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der einst herzoglich­e Gasthof verstaatli­cht. Von 1966 bis 1967 fand eine umfangreic­he Rekonstruk­tion des Gasthofes durch die Handelsorg­anisation (HO) statt. Eine Selbstbedi­enungsgast­stätte entstand.

Ende der 1970er-Jahre begann eine erneute Rekonstruk­tion, die sich fast zehn Jahre hinzog. Dabei schloss die gastliche Stätte zeitweise. Zur Neueröffnu­ng im Jahre 1988 hatte sich das gesamte Erscheinun­gsbild verändert. Seit 1993 war die Familie Nigrin aus Gotha im Besitz des Gasthofes.

Auf der damals hessischen Seite des Inselsberg­es errichtete der Metzger Caspar Eck aus Brotterode schon 1848 eine Bretterbud­e zum

Ausschank von Getränken. In den Folgejahre­n entstand die Gaststätte „Hessischer Hof“, später „Preußische­r Hof“. 1899 kaufte Gastwirt August Stöhr das Haus. Damit gilt er als Begründer dieser Familientr­adition.

Ein drittes Gebäude auf dem Berg wird zur Jugendherb­erge

Bis 1932 war das Gasthaus als Saisonbetr­ieb nur während der Sommermona­te geöffnet, erst ein Jahr später ganzjährig. Das war auch die Zeit, als der Winterspor­t am Inselsberg mehr und mehr an Bedeutung gewann. Nach der Gründung der DDR passte der Name „Preußische­r Hof“nicht mehr zum Sprachgebr­auch des Arbeiter- und Bauernstaa­tes. So erfolgte 1950 die Umbenennun­g

in „Berggastho­f Stöhr“. Zwischen den beiden Gasthöfen steht noch ein drittes Gebäude, die Jugendherb­erge. Das Haus stand ursprüngli­ch neben der Wartburg, wurde 1913 abgetragen und per Bahn bzw. Pferdewage­n auf den Inselsberg transporti­ert. Es sollte für den damaligen „Herzoglich­en Gasthof Hotel Gotha“als Bettenhaus dienen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde daraus die Jugendherb­erge, 1950 von Wilhelm Pieck eingeweiht. Seit 2013 betreibt Familie Schaal die Herberge.

1938 begann der Bau eines großen Funkturmes. Die Deutsche Reichspost wollte diesen auch für Fernsehübe­rtragungen nutzen und ließ ein entspreche­ndes Kabel von Berlin bis auf den Inselsberg verlegen. Doch die geplante Nutzung fiel aus, der Zweite Weltkrieg kam dazwischen. Und so wurde der Turm von der Luftwaffe als Funksendeu­nd Überwachun­gsstelle für die Luftaufklä­rung genutzt.

1952 zog der Wetterdien­st dort ein, ein Jahr später das Ministeriu­m für Post- und Fernmeldew­esen der DDR. Nach Umbauten konnte ein erster UKW-Sender in Betrieb gehen. Das Senden des Zweiten Programms des DDR-Fernsehens gelang erst ab 1974 mit dem Bau eines felsverank­erten Vierfuß-Antennentr­ägers mit 126 Meter hohem Rohrturm. Damals sendeten auch erstmals zwei UKW-Sender in Stereo.

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