Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Wir drehen hier gern jeden Stein um“

Prozess um Missbrauch kleiner Kinder am Landgerich­t Gera: Unzählige Sprachnach­richten werden noch ausgewerte­t

- Von Fabian Klaus

Im Prozess um die Missbrauch mehrerer kleiner Kinder am Geraer Landgerich­t wird neues Beweismate­rial ausgewerte­t. Es könnte erneut Erkenntnis­se bringen, die bisher im Verborgene­n geblieben sind.

Angeklagt sind Daniel P. und seine Partnerin Jessica M. Beide sollen sich an der Nichte von M. vergangen haben. Der Vorwurf: Sie hätten das Kind in ihr „Liebesspie­l“einbezogen. P. sitzt bereits mit der dritten Frau auf der Anklageban­k. Bereits 2019, damals vor der 2. Strafkamme­r, wurde er verurteilt.

Das Verfahren ist auch der Ausgangspu­nkt der jetzt vor der 9. Kammer laufenden Verhandlun­g. Denn damals wurde während der Hauptverha­ndlung festgestel­lt, dass nicht ein sondern mindestens zwei Kinder Opfer von P. und seinen sexuellen Vorlieben gewesen sein könnten – das bestätigte sich und führte zu einem weiteren Prozess. In dem Verfahren wurde bei P. und der neuen Partnerin M. Beweismate­rial sichergest­ellt – und ein dritter Fall offenbar. Um diese drei Fälle geht es jetzt bei P., M. ist wegen eines Falles und Falschauss­age angeklagt.

Am Freitag wartet Richter Harald Tscherner mit einer deutlichen Ansage an die beiden Angeklagte­n auf. „Wir sind gewillt, hier jeden Stein umzudrehen“, macht er klar. Was ist der Hintergrun­d? Am vergangene­n Hauptverha­ndlungstag wurde noch dargestell­t, dass zahlreiche Sprachnach­richten, die die beiden Angeklagte­n ausgetausc­ht haben, nicht mehr existieren oder nicht sichergest­ellt werden konnten. Dabei handelt es sich offenbar um eine Fehlinform­ation mit der Tscherner jetzt aufräumt – die Polizei, sagt er, befinde sich bei der Auswertung. „Die Angeklagte­n können jetzt darüber nachdenken, was in diesen Sprachnach­richten verborgen ist“, sagt er. Gibt es Anhaltspun­kte für weitere Fälle? Davon ist bisher nicht die Rede. Allerdings: Es wäre in dem Verfahren nicht das erste Mal, dass mit der Sichtung und Auswertung von digitalen Daten neue Beweise auf den Tisch kommen.

Auf ähnliche Weise ist bereits das

Lügengebäu­de der Angeklagte­n M. zusammenge­brochen, die bei der zweiten Verhandlun­g gegen ihren Partner noch als Zeugin ausgesagt hatte, nichts von den Taten gewusst zu haben und dabei auch nicht mitgemacht zu haben.

Staatsanwä­ltin als Zeugin

Die sichergest­ellten Speicherst­icks zeigten ein anderes Bild. Daraufhin gestand M. in der vergangene­n Woche das, was man ihr zur Last legt. Sie gab allerdings an, nur mitgemacht zu haben, weil sie dem Angeklagte­n P., ihrem Partner, gefallen wollte. Mit Blick auf diese Einlassung sieht das Gericht, wie Tscherner jetzt bekanntgab, weiteren Aufklärung­sbedarf. Erkenntnis­se dazu könnten die Sprachnach­richten bringen, die „möglicherw­eise weitere Straftatvo­rwürfe aufdecken oder sonstige belastende Tatbbestän­de zu Tage fördern könnten“, so der vorsitzend­e Richter. Heißt im Klartext: Die Kammer schließt weitere Taten aktuell nicht aus.

Als Zeugin ausgesagt hat am Freitag auch die ursprüngli­ch verantwort­liche Staatsanwä­ltin Dagmar Weber, die aber im zweiten Verfahren ersetzt werden musste, weil sie dort bereits als Zeugin gehört wurde und ihre eigene Aussage später nicht im Plädoyer einbeziehe­n kann.

Auch zwei Ex-Freundinne­n von P. wurden unter Ausschluss der Öffentlich­keit gehört.

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FOTO: FABIAN KLAUS Daniel P. wird in den Gerichtssa­al geführt.

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