Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Der Burgherr musste klopfen
Mammutwerk „Die Burgenstraße Thüringen“stellt Herrschaftssitze aus dem Freistaat vor
Zwei Kilogramm wiegt das Mammutwerk „Die Burgenstraße Thüringen“von G. Ulrich Großmann. Es stellt in interessanten Porträts und 400 Fotos die Burgen dieser touristischen Route vor sowie weitere wichtige verteidigungsfähige Herrschaftssitze im Freistaat. Im einführenden Teil „Kann man Burgen lesen?“räumen Großmann und Co-Autorin Christine Müller mit Klischees auf.
„Burgen waren nicht ständig umkämpft“, sagt G. Ulrich Großmann. Nur jede dritte Generation habe eine Belagerung erlebt. Und auch gefoltert wurde dort im Mittelalter nicht, sondern erst ab dem 16. Jahrhundert. Und auch nur, wenn der einstige herrschaftliche Wohnort als Amts- beziehungsweise Gerichtssitz diente. Und Haupteinnahmequelle waren nicht Steuern, sondern Zölle.
Großmann geht es darum, anhand der Bauweise einstige Funktion und Lebensweise darzustellen, aber auch das Verständnis und den
Spaß für Burgen zu steigern. Zum Beispiel schlugen Burgtüren in der Regel nach innen auf, ins Private. Heute verhält es sich – zumindest bei Fluchttüren – genau andersherum. Zum Verschluss wurden einst Riegel verwendet, auf die vereinzelt noch Riegellöcher hinweisen. Von außen waren die Türen nicht zu öffnen. In der Veste Heldburg, dem heutigen Deutschen Burgenmuseum, liegen die Appartements von Kurfürst und Kurfürstin direkt nebeneinander. Doch nur die Burgdame konnte ihr Gemach abschließen. Der Gemahl musste klopfen.
Früher Turniere auf Schloss Altenburg
Insgesamt sind in diesem 300 Seiten starken Buch rund 70 Burgen von ehemals bis zu 1000 Thüringer Anlagen vertreten. Hierzulande gab es laut Großmann besonders viele Burgen. Insofern treffe der Begriff Burgenland auf den Freistaat sogar mehr zu als auf den Mittelrhein.
Aber nicht nur die Burgenzahl ist außergewöhnlich: Der Freistaat weise auch herausragende Beispiele auf, betont der Professor für mittelalterliche Kunstgeschichte. Neben der Wartburg seien das etwa die Reichsburg Kyffhausen oder die Burganlage in Altenburg. Das heutige Schloss war seinerzeit schon so groß, dass dort in der Frühen Neuzeit Turniere veranstaltet wurden, was eigentlich völlig unüblich war.
G. Ulrich Großmann stellt die Burgen anhand einer dreiteiligen Route vor: Im Nordwesten führt sein Weg von Erfurt über den Kyffhäuser an die Werra bis Creuzburg. Im Südwesten geht es von Creuzburg über die Wartburg und die Drei Gleichen nach Schleusingen, Heldburg und Coburg. Im östlichen Thüringen führt die Route von Coburg über Burgk und Altenburg nach Weimar. Neben den bekannten Baudenkmälern empfiehlt der Autor besonders auch den Besuch der Johanniterburg Kühndorf sowie der Bertholdsburg Schleusingen.
Der Begriff Bürger kommt übrigens von Burg. Früher wurden Burgen auch als verteidigungsfähige Wohnorte verstanden, schreibt G. Ulrich Großmann im Buch. Gemeint waren also auch von Mauern umgebene Städte, in denen eben Bürger lebten.